Vom Ersatzmann zum Triumphator: Geschkes Weg ins Glück

Pra Loup · Simon Geschke konnte bisher trotz all der Hektik bei der Tour de France nicht viel aus der Ruhe bringen. Am Mittwoch geriet er nach seinem Sensationssieg in Pra Loup nach einem imponierenden Solo aber doch aus dem Häuschen.

Simon Geschke ist gut an der Gesichtsbehaarung zu erkennen. Foto: Kim Ludbrook

Foto: DPA

Mit aufgerissenem Trikot schrie er seine Freude hinaus. Sein Giant-Alpecin-Team, für das bisher Team-Kapitän John Degenkolb vergeblich dem ersten Etappensieg hinterherjagte, hat bei der 102. Tour de France endlich sein erstes Erfolgserlebnis.

Für solche Momente wie in Pra Loup nimmt Geschke auch schlechte Hotels in Kauf. Wie auf der Klassenfahrt in der Grundschule 1997 sei das Hotel am Ruhetag gewesen, monierte der Mann mit dem markanten Bart und stöhnte über "gefühlte 50 Grad".

Trotz aller Widrigkeiten hatte es Geschke in den vergangenen Tagen in Ausreißergruppen immer wieder versucht, stets ohne Erfolg. Bis am Mittwoch ein gewagter 49-Kilometer-Soloritt den Erfolg brachte. Es war ein Sieg des Willens von Geschke, der einiges wegstecken kann.

Beim deutschen Radrennstall Giant-Alpecin gehört er zu den fleißigen Edelhelfern von Kapitän John Degenkolb oder dem in der Gesamtwertung gut platzierten Franzosen Warren Barguil. Wasserflaschen holen, Löcher zufahren, Tempo anziehen - es sind die typischen Aufgaben Geschkes, der betont: "Helferarbeit ist auch extrem wichtig."

Seinen Job verrichtet der Berliner mit großer Zuverlässigkeit, und ab und zu darf er auch mal ins Rampenlicht. Schon auf der Etappe nach Gap, als er in einer Ausreißergruppe vertreten war, hatte er als Vierter den Sieg knapp verpasst. Fluchtgruppen sind seine Chance, denn der 29-Jährige hat das Problem, dass er alles ganz gut kann, aber weder ein Sprint- noch ein Bergspezialist ist. "Ich habe ein gutes Gespür für Ausreißergruppen. Ich bin schon oft in solchen Situationen Zweiter, Dritter oder Vierter geworden", sagt Geschke.

Beim Giro d'Italia war er in diesem Jahr auf einer ähnlich schweren Bergetappe nach San Giorgio del Sannio Dritter geworden. Überzeugt hatte er in Italien trotzdem, obwohl er zuvor im Frühjahr noch bei der Rundfahrt Tirreno-Adriatico einen Schlüsselbeinbruch erlitten hatte und sechs Wochen ausgefallen war.

Eigentlich sollte Geschke in Frankreich gar nicht dabei sein. Durch die Formschwäche von Sprintstar Marcel Kittel fand kurz vor der Tour ein Umdenken bei Giant-Alpecin statt. Natürlich habe er sich über die dritte Tour-Teilnahme gefreut, etwas anderes würde ihm doch eh keiner glauben. "Die Tour ist das Größte, deshalb habe ich doch mit dem Radfahren angefangen", erklärt der Allrounder.

Die Verantwortlichen haben ihre Entscheidung nicht bereut. "Simon arbeitet im Hintergrund, aber er hat einen großen Wert für uns. Radsport ist ein Teamsport, und da bringt er sich voll ein. Gerade bei dem Profil in diesem Jahr sind Fahrer wie er sehr wichtig", sagt Teamchef Iwan Spekenbrink der dpa. Am Mittwoch wurde der Niederländer für seine mutige Entscheidung belohnt.

Gute Gene hat Geschke ohnehin mitbekommen. Sein Vater Hans-Jürgen war 1977 Bahnsprint-Weltmeister. So richtig geweckt wurde die Begeisterung dann mit dem Toursieg von Jan Ullrich 1997. Dass er ein derartiges Rennen selbst nicht gewinnen kann, ist Geschke bewusst. Aber ein Etappensieg wäre ein Traum. In den Alpen wird es der Wahl-Freiburger wieder versuchen, denn er habe noch "gute Beine".

Auch den vielen Stürzen ist er geschickt aus dem Weg gegangen. So freut er sich schon auf Paris. "Wenn es auf die Champs Élysées geht und die Kampfjets am Himmel die französischen Farben versprühen, ist das ein unbeschreibliches Gefühl."

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