Champions League Nagelsmann verzockt sich etwas: Hoffenheims tiefer Frust

Sinsheim · Das "europäische Überwintern" hat Hoffenheim nicht mehr in der eigenen Hand, wie Kapitän Kevin Vogt nach einem turbulenten Europapokal-Abend ernüchtert feststellt. Der Bundesligist rennt gegen Donezk ins Verderben.

 Hoffenheims Spieler lassen nach der unglücklichen Heimniederlage gegen Schachtjor Donezk die Köpfe hängen.

Hoffenheims Spieler lassen nach der unglücklichen Heimniederlage gegen Schachtjor Donezk die Köpfe hängen.

Foto: Uwe Anspach

Herausragende Fußballer nennt Julian Nagelsmann gerne "Zocker". Bei der bitteren Champions-League-Niederlage der TSG 1899 Hoffenheim gegen Schachtjor Donezk hat sich der Trainer-Aufsteiger in seinem unbändigen Ehrgeiz selbst etwas verzockt.

Auf entsprechende Fragen redete sich der 31-Jährige dann derart in Rage, dass die Pressekonferenz am Dienstagabend schnell beendet wurde. Das letzte Gruppenspiel am 12. Dezember bei Manchester City könnte nun zu Nagelsmanns internationalem Abschiedsspiel bei der TSG werden. Seine Erfahrungen in der Königsklasse kann er nächste Saison vielleicht bei seinem neuen Arbeitgeber RB Leipzig umsetzen.

"Diese Unentschieden - das geht mir voll auf den Sack", erklärte Nagelsmann nach dem verpassten Achtelfinale. "Ich will halt gewinnen, ich will immer gewinnen, immer. Jedes Scheiß-Spiel will ich gewinnen. Ich will alles gewinnen, auch heute wollte ich gewinnen. Ich will auch gegen Manchester City gewinnen, das versprech' ich." Dennoch steht in seinen bisher 13 internationalen Spielen nur ein Sieg zu Buche - 3:1 gegen Istanbul Basaksehir.

Die wild stürmenden Hoffenheimer kassierten in Unterzahl nach Gelb-Rot für Adam Szalai das 2:3 in der dritten Minute der Nachspielzeit durch Taison. Sie verspielten damit eine bessere Ausgangsposition im Kampf um den dritten Tabellenplatz und die Teilnahme an der Europa-League-Zwischenrunde. Als Vierter muss die TSG nun beim englischen Meister gewinnen und ist darauf angewiesen, dass Donezk gegen Olympique Lyon patzt.

Nagelsmann spekulierte in der packenden Partie natürlich darauf, dass die Mannschaft mit drei Punkten gegen die Ukrainer und einem Coup beim englischen Meister noch hätte weiterkommen können. Völlig frustriert und ausgelaugt vom Höllentempo über 90 Minuten kamen die Profis in der Sinsheimer Rhein-Neckar-Arena aus der Kabine. "Normal hätte man am Ende vielleicht überlegen sollen, ob wir nicht das 2:2 nehmen", meinte Steven Zuber. Der Mittelfeldspieler sagte aber auch: "Uns zu bremsen, wäre der falsche Ratschlag gewesen."

Die Szenerie, wenn das Spiel unentschieden ausgegangen wäre, konnte sich Nagelsmann jedenfalls bestens ausmalen. In der Pressekonferenz imitierte der angefressene Hoffenheim-Coach selbst die Frage: "Herr Nagelsmann - 2:2. Hätten Sie nicht auf Sieg spielen müssen, um bessere Chancen aufs Weiterkommen zu haben?"

Seine Hochrisiko-Taktik erklärte der Coach dann nochmal: "Natürlich hätte ich lieber 2:2 gespielt als verloren. Wir hätten gewinnen müssen, mit den Chancen, die wir hatten. Die beste Verteidigung ist Angriff." Dem war diesmal nicht so, deshalb saß Schachtjor-Trainer Paulo Fonseca auch hochzufrieden vor den Medienvertretern. "So einen Fußball wollen doch alle sehen: ein offensiver Schlagabtausch! Ein wahres Spektakel", sagte der Portugiese.

Genau das hatten die TSG-Fans auf einem Banner ("Spektakel, Drama, Hoffenheim") vor dem Anpfiff gefordert. Mit zwei frühen Gegentoren durch die Brasilianer Ismaily (14. Minute) und Taison (15.) schockten die Ukrainer zunächst den Bundesligisten. Andrej Kramaric und Zuber glichen noch vor der Pause aus.

In der Schlussphase verballerten die Hoffenheimer beste Einschussgelegenheiten - mal wieder. In dieser Kategorie ist das Team auch in der Bundesliga einsame Spitze: 104 Chancen spielte die TSG in zwölf Partien heraus, verwertete aber nur etwa ein Viertel. Restlos bedient war Abwehrspieler Ermin Bicakcic - und eilte mit seinem Rollkoffer davon: "Was soll ich den erzählen? Fucking Spiel."

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