Tibet-Proteste Politik stärker: Chinas U20 bricht Gastspielreise ab

Frankfurt/Main · Nach nur einem Testspiel setzt China die Gastreise seiner U20-Auswahl aus politischen Gründen aus. Nach dem Eklat erscheint eine Fortsetzung im kommenden Jahr derzeit kaum wahrscheinlich.

 Die chinesischen U20-Spieler beim Training in Mainz.

Die chinesischen U20-Spieler beim Training in Mainz.

Foto: Hasan Bratic

Die Politik hat über den Sport gesiegt. Wegen anhaltender Tibet-Proteste hat China die Gastspielreise seiner U20-Auswahl durch die deutsche Fußball-Provinz in Abstimmung mit dem Deutschen Fußball-Bund ausgesetzt.

"Nach einer umfangreichen Bewertung der Situation haben sich beide Fußballverbände gemeinsam dazu entschlossen, die noch für das Jahr 2017 geplanten Freundschaftsspiele gegen den FSV Frankfurt, die TSG Hoffenheim II und Wormatia Worms auf das Jahr 2018 zu verschieben", teilte der DFB mit.

Der DFB will mit Chinas Fußballverband nun im Dialog klären, wie man das umstrittene Projekt in naher Zukunft fortsetzen kann. "Wir bedauern aufrichtig, die Serie verschieben zum müssen", sagte DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann. "Dennoch erachten wir die Verschiebung für zwingend, denn so schaffen wir ausreichend Zeit, um die neu entstandene Situation in aller Ruhe und Offenheit zu besprechen und um im Sinne des Sports eine vernünftige Lösung zu finden."

Der chinesische Fußballverband sieht in den Protesten von Tibet-Aktivisten "Störungen durch nicht sportliche Elemente". Diese hätten den reibungslosen Fortschritt der Spiele beeinträchtigt. Zudem stünden sie nicht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen den beiden Ländern und auch nicht mit den Regeln des Weltverbandes FIFA.

Ob es zu einer Fortsetzung des Projekts im kommenden Jahr kommt, muss derzeit stark bezweifelt werden. Die Chinesen empfinden die Tibet-Proteste als Affront, für den DFB gehören sie zur Meinungsfreiheit, die im Grundgesetz verankert ist. "Die Meinungsfreiheit gilt auf dem Fußballplatz und neben den vier Eckfahnen", hatte DFB-Präsident Reinhard Grindel schon Anfang der Woche unmissverständlich betont.

Aus Sicht des renommierten chinesischen Sportkommentators Ma Dexing ist die Verschiebung nur eine höfliche Verpackung für eine Beendigung der Kooperation mit dem DFB. "Ich denke, der nächste Schritt ist die Einstellung des Projektes", sagte Ma Dexing der Deutschen Presse-Agentur in Peking. "Zumindest nach der heutigen Mitteilung nach zu urteilen, ist es ganz klar, dass beide Seiten keine Lösung haben, wie das Problem gelöst werden kann."

Scharfe Kritik übte die Tibet Initiative Deutschland. "Dass die Spiele nun ausgesetzt und auf 2018 verschoben werden, ist nichts weiter als ein fauler Kompromiss. Wir fordern eine klare Haltung und eine Stellungnahme der Bundesregierung", sagte Geschäftsführerin Nadine Baumann. Es stehe weit mehr auf dem Spiel als sportliche Kooperation.

"Deutschland muss klar machen, dass hierzulande Menschenrechte unverhandelbar sind", erklärte Baumann und kündigte an: "Wir werden auch 2018 das Recht auf Meinungsfreiheit verteidigen und mit der tibetischen Flagge in die Stadien gehen."

Der DFB wird dieses Vorhaben nicht torpedieren, auch wenn dies wohl das endgültige Aus für das Projekt bedeuten würde. Denn China wird keinen Millimeter von seiner Haltung abrücken. Die Tibet-Fahne ist im Reich der Mitte verboten, weil sie den Unabhängigkeitskampf der Tibeter symbolisiert. Die kommunistische Führung in Peking sieht Tibet als festen Teil der Volksrepublik an.

Der menschenrechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Brand, betonte: "Auch willkommene Gäste wie die chinesischen Fußballer der U20 müssen die Meinungsfreiheit bei uns akzeptieren." Die Fußballer seien indes nicht das Problem. "Hinter dem Eklat steckt die Führung Chinas, die seit langem und systematisch versucht, jegliche Kritik auch im Ausland zu unterdrücken."

Zur Verhärtung der Fronten hatte offenbar auch beigetragen, dass der tibetanische Mönch und Filmemacher Golog Jigme am Samstag die Partie beim FSV Frankfurt besuchen wollte. Jigme wurde wegen seines China-kritischen Dokumentarfilms "Leaving Fear Behind" von 2008 mehrfach inhaftiert und gefoltert. "Wir als FSV Frankfurt sind enttäuscht über diese Absage, da wir uns auf dieses Testspiel gefreut hatten", sagte FSV-Präsident Michael Görner.

Bereits bei der Testspiel-Premiere am vergangenen Samstag war es zu einem Eklat gekommen. Chinas Nachwuchs-Kicker hatten den Platz verlassen, nachdem Zuschauer die Tibet-Fahne ausgerollt hatten. Das Spiel beim TSV Schott Mainz wurde erst nach 25-minütiger Unterbrechung fortgesetzt.

Der DFB bedauerte, dass das Projekt "nicht die erwartete breite Zustimmung erhalten" habe. "Tatsächlich wurde das Projekt von einigen weniger Zuschauern genutzt, um Botschaften zu setzen, die von der chinesischen Mannschaft, den Offiziellen, dem Betreuerstab des Chinesischen Fußball-Verbandes und auch den chinesischen Zuschauern als verletzend empfunden wurden."

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