Artur Kolodziejski: "Wir sind gefestigt und motiviert"

Der Baskets-Kapitän über alte und neue Saison, das Bauchgefühl Oldenburg und einen Fisch im Team

Artur Kolodziejski ist der dienstälteste Spieler im Team der Telekom Baskets Bonn. Mit dem Mannschaftskapitän des Vize-Meisters sprach Tanja Schneider.

General-Anzeiger: Kann man die Baskets von 1998 mit denen von heute vergleichen?

Artur Kolodziejski: Es hat ein deutlicher Perspektivwechsel stattgefunden. Die Trainerphilosophie ist komplett anders, ich selbst habe jetzt eine andere Herangehensweise.

GA: Und basketballerisch?

Kolodziejski: Das kann man schwer einschätzen. Es wurde schon noch anderer Basketball gespielt. Über die Jahre hat sich das seltsam von einer spielerischen zu einer athletischen Liga entwickelt und ist jetzt - jedenfalls in der Spitze - wieder auf dem Weg zu europäischem Basketball. Obwohl es auch noch Teams gibt, die unorthodox bis chaotisch spielen.

GA: Der Verein heute?

Kolodziejski: Überhaupt kein Vergleich. Wenn ich bedenke, was das Trainingszentrum für Möglichkeiten bietet. Ich musste von Rheinbach mit Bus und Bahn ins Pennenfeld fahren, dann in die Hardtberghalle, manchmal sogar ins Fechterzentrum im Sportpark Nord. Nicht selten fuhr dann abends kein Zug mehr nach Rheinbach. Die kurzen Wege sind doch ein Traum.

GA: Und die Mannschaft?

Kolodziejski: Das schaff' ich nicht. Meine veränderte Rolle und der zeitliche Abstand machen das wenig vergleichbar.

GA: Haben Sie Oldenburg abgehakt?

Kolodziejski: Nee. Das spukt noch in unseren Köpfen rum. Gerade jetzt, als wir wieder in die Halle kamen, das war schon ein komisches Gefühl. Auch als die anderen wieder gefeiert haben. Das wird mir oder uns vielleicht noch die gesamte Sportlaufbahn nachhängen.

GA: Warum kochten beim Champions Cup gegen Ende die Emotionen so hoch?

Kolodziejski: Das entsteht, weil man genervt ist und Aggressionen aufkommen, die sich aufbauen aus der Unzufriedenheit mit dem eigenen Spiel, Schiedsrichterentscheidungen und kleineren Nickligkeiten. Das schaukelt sich dann hoch.

GA: Wegweisend für weitere Oldenburg-Spiele?

Kolodziejski: Nicht in dieser Form. Aber mit diesem Werdegang wird das wohl auf lange Sicht keine "normale" Bundesliga-Partie mehr werden, die man so runterspielt, da wird ein "Bauchgefühl" sein - jedenfalls für die Jungs, die am 25. Juni auf dem Feld gestanden haben.

GA: Was haben Sie nach dem verlorenen Finalspiel gemacht?

Kolodziejski: Nichts. Fünf Tage nichts. Ich habe keine Energie für irgendwas aufgebracht. Dann habe ich Zeit in meine Hausarbeit investiert und anschließend mit JJ (Johannes Strasser, die Red.) eine Tour im Wohnmobil gemacht. Provence, Barcelona, Madrid, Lissabon, bisschen surfen an der Küste und wieder zurück.

GA: Hat Johannes Strasser ernsthaft überlegt, den Verein zu wechseln?

Kolodziejski: Wenn, dann würde er vielleicht ins Ausland gehen. Eine andere Sprache könnte ihn vielleicht reizen. Es gibt nicht viele Vereine, zu denen man geht, wenn man aus Bonn kommt. Außerdem habe ich ihn gezwungen, hier zu bleiben.

GA: In Oldenburg gab es Ensminger-raus-Rufe, bevor das Spiel überhaupt begonnen hatte. Stört ihn das, hört er's überhaupt?

Kolodziejski: Er macht sich drüber lustig und singt selbst Lieder gegen sich. Ich weiß wirklich nicht, ob es ihn stört. Aber ich glaube auch nicht, dass er sagen würde, dass es so ist - wer würde das schon tun?

GA: Ihre Meinung über den polarisierenden Ensminger?

Kolodziejski: Ich war überrascht. Ich war vorher kein Fan von ihm. Aber als er hierher kam, hat man ihn als netten Kerl kennengelernt, und wenn man dann mit ihm spielt, sieht man, wie wichtig er für die Mannschaft ist.

GA: Also doch Ensminger-Fan?

Kolodziejski: Man kann sich immer darauf verlassen, dass er sich an die Absprachen hält. Bei der Verteidigung des Pick and Roll zum Beispiel musst du nicht hinter dich gucken, oder zweifeln, ob dir jetzt geholfen wird. Er ist da. Er lässt dich nie schlecht aussehen. Das sehen viele nicht. Außerdem macht er in der Offensive nichts, was er nicht kann.

GA: Als Ziel wurde die Meisterschaft ausgegeben. Ungewöhnlich offensiv für Bonner Verhältnisse.

Kolodziejski: Ja. Ich glaube aber, dass wir gefestigt sind, und motiviert. Die alten Jungs haben ja auch gesehen, welche neuen dazu gekommen sind und dass Verein und Trainer auch damit ein Zeichen setzen und uns ein Ziel geben. Ich finde gut, dass kommuniziert wird, dass das Ziel der Titel ist. Ich glaube aber auch nicht, dass es eine Katastrophe wäre, Fünfter zu werden. Wir wollen den Heimvorteil in den Play-offs - auch wenn wir in der letzten Saison gesehen haben, dass es nicht immer automatisch ein Vorteil sein muss.

GA: Ihre Basketball-Philosophie lautet: "Eine gute Mannschaft ist besser als fünf sehr gute Einzelspieler". Sind die Baskets in diesem Sinne verbessert?

Kolodziejski: Ja.

GA: Aber Jared Jordan ist doch nicht schlechter als EJ Rowland.

Kolodziejski: Stimmt. Jared ist unglaublich geschickt. Ich muss leider im Training häufig gegen ihn spielen . . . diese Täuschungen. Er ist so greifbar wie ein Fisch. Eine wirkliche Schwäche fällt mir nicht ein. Davon abgesehen trifft das mit der guten Mannschaft zu.

GA: Was haben Sie sich für die neue Saison vorgenommen?

Kolodziejski: Nichts. Keine persönlichen Ziele. Ich will dem Team helfen, erfolgreich zu sein.

GA: Setzen Sie sich zu sehr unter Druck?

Kolodziejski: Kann sein. Der Coach hat schon versucht, mir mehr Gelassenheit beizubringen. Der hat die Ruhe weg und hat mir gezeigt, dass das auch zum Erfolg führt. Aber es nervt mich, wenn Dinge nicht gleich funktionieren.

GA: Das Publikum hat schon eine spezielle Bindung zum Kapitän des Teams. Wie ist es, den ersten Dreier zu nehmen während die Halle versucht, den Ball in den Korb zu wünschen.

Kolodziejski: Ja, das merke ich manchmal. Aber ich möchte das nicht spüren. Ich will niemanden enttäuschen.

Zur PersonArtur Kolodziejski wurde am 18. September 1979 im polnischen Grojec geboren, kam mit seinen Eltern früh nach Deutschland und wuchs in Rheinbach auf. Seine Basketball-Karriere begann in der Jugend der Telekom Baskets Bonn. Er spielte als Senior zunächst bei den Baskets (1997-99) dann in Rhöndorf (1999-2001), beim Mitteldeutschen BC (bis 2002), bei Ratiopharm Ulm (bis 2003) , bei den Bayer Giants Leverkusen (bis 2005) und seit 2005 wieder in Bonn. Er ist gut befreundet mit Johannes Strasser.

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