Groundhopping am Rhing Balljäger aus Hersel fischte Fußbälle aus dem Rhein

Bornheim · Der alte Sportplatz in Hersel lag direkt am Rhein, weshalb regelmäßig Fußbälle im Fluss landeten. Mal passierte das aus Versehen, mal mit klarer Absicht.

 Ein gewohntes Bild auf dem alten Herseler Sportplatz: Das Rhein-Hochwasser hat die gesamte Anlage überflutet.

Ein gewohntes Bild auf dem alten Herseler Sportplatz: Das Rhein-Hochwasser hat die gesamte Anlage überflutet.

Foto: Wolfgang Henry

Bis zu zwölf Kilometer die Stunde fließt der Rhein Richtung Norden. Eigentlich eine überschaubare Geschwindigkeit, für den „Jäger des verlorenen Balles“ auf dem Herseler Sportplatz allerdings ein unerreichbares Tempo. Nicht für Wilhelm Witte – der Herseler jagt mit seinem Boot dem Ball hinterher, fischt ihn aus dem Rhein und bringt ihn sicher an Land zurück. „Für einen geübten Kajakfahrer ist das kein Problem. Man nähert sich dem Ball, nimmt ihn auf und klemmt ihn zwischen die Beine“, sagt Witte. Die Begegnung auf dem Spielfeld kann fortgeführt werden.

Für seine Tätigkeit erhält Witte mal ein Eis, mal eine Wurst. „Das kam immer darauf an, was gerade am Büdchen verkauft wurde“, sagt der heute 73-Jährige, der seit seiner Geburt in der Nähe des Herseler Leinpfads wohnt. „Später habe ich dann sonntags eine Mark für ein Spiel bekommen. Da fanden ja manchmal bis zu drei Spiele statt. Drei Mark waren zu dieser Zeit schon was.“ Diese Zeit ist Jahrzehnte her.

Im Alter von zehn Jahren erbt Witte den Job des „Wasserballjungen“ von seinem Onkel. Seine Aufgabe: die Bälle, die den Herseler Sportplatz verlassen, schnellstmöglich wieder an Land bringen. Nicht unbedingt eine leichte Herausforderung. „Die Bälle hatten da schon eine ordentliche Geschwindigkeit drauf. Die Jungs an der Anlegestelle haben sich gefreut, wenn sie da ankamen“, sagt er ein wenig wehmütig. Sechs, sieben Jahre habe er die Spielgeräte aus dem Wasser gefischt. „Später haben es andere mit Eisenstangen oder ebenfalls mit Booten probiert.“

Die Bälle landeten aber nicht immer aus Versehen im Rhein. „Die Legende, dass das Leder mit Absicht zum Zeitspiel ins Wasser geschossen wurde, gibt es schon lange“, sagt Günther Dumjahn, Vorstandsvorsitzender des TuS Germania Hersel. „Das mag auch früher so gewesen sein, als der Zaun noch nicht so hoch war. Aber irgendwann wurde die Begrenzung höher gezogen, da war das nicht mehr so einfach.“

Mittlerweile ist der Sportplatz am Rhein verwaist. Der TuS spielt seit 2015 auf der Kunstrasenanlage an der Erfter Straße. „Natürlich sind wir froh, dass wir den neuen Platz haben“, sagt Dumjahn. „Aber es tut auch ein wenig weh. Die Stimmung ist längst nicht mehr die, die wir einst am Rhein hatten.“

Viele Spieler aus dem Bonner Kreis erinnern sich gerne an die teils hitzigen Begegnungen direkt am Wasser. Zuschauer standen dicht gedrängt an den Abgrenzungsstangen auf der Anhöhe. Den einen oder anderen derben Spruch musste sich so mancher Herseler Gegner da mit anhören. Doch ein Umzug war nötig. Mehrfach im Jahr wurde der Sportplatz vom Hochwasser heimgesucht und überflutet. „Die Stadt hat dann vor den Spielen immer super gearbeitet“, sagt Dumjahn. Zu der Arbeit gehörten unter anderem das Auftragen neuer Asche sowie die Entschlammung des Platzes. Manchmal wurden die Maßnahmen von einem weiteren Hochwasser überrascht. „Einmal lag ein Hügel mit neuer Asche frisch auf dem Platz, als eine erneute Flutwelle kam. Da konnte man sehen, wie Enten auf dem Hügel saßen und ruhig gewartet haben, bis das Wasser langsam zu ihnen kam.“ In einer Saison stand der Platz gleich viermal unter Wasser.

Die Kosten der Instandsetzung sollen sich auf bis zu 15 000 Euro belaufen haben. Dazu musste der TuS in dieser Zeit auf einen anderen Platz ausweichen und war schon mal auf die Hilfe der Konkurrenz aus der Nachbarschaft angewiesen. Statt Fußball wurde an gleicher Stelle dann Kanusport betrieben, nach dem Hochwasser war das Spielfeld mit allerhand Müll und Gesträuch überzogen. In naher Zukunft soll der Leinpfad quer über die alte Asche laufen. Bäume und Sträucher sollen angepflanzt werden. Laut Wolfgang Paulus, dem Leiter des Umwelt- und Grünflächenamts der Stadt Bornheim, ist das auch schon im Rat besprochen.

Wilhelm Witte ist noch immer ein Fußballfan, auch nach seiner Laufbahn als Wasserballjunge. „Ich war auch noch öfter am neuen Kunstrasenplatz, aber wenn ich ehrlich bin, kann ich mich nicht mehr richtig mit dem Verein identifizieren“, sagt der 73-Jährige. Einem anderen Verein hält er dagegen die Treue. Passenderweise ist Witte Vorsitzender des Wassersportvereins Hersel.

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