Anti Doping Agentur (Nada) Bonner Dopingbekämpfer gehen neue Wege

BONN · Berufsoptimisten sind Menschen, die in schier ausweglosen Situationen nicht aufgeben und mitunter den Mumm haben, pausenlos gegen Windmühlen anzulaufen. Der bisweilen aussichtslos anmutende Kampf gegen Doping gleicht einem solchen Unterfangen.

 Kopf der Kampagne gegen Doping: Box-Weltmeister Wladimir Klitschko. Repro: GA

Kopf der Kampagne gegen Doping: Box-Weltmeister Wladimir Klitschko. Repro: GA

Doch Andrea Gotzmann bleibt Optimistin, von Berufs wegen. Gotzmann ist seit September 2011 Vorsitzende der Nationalen Anti Doping Agentur (Nada) mit Sitz in Bonn. Der neue Nada-Schriftzug und die Plakat- und Anzeigenkampagne "Alles geben, nichts nehmen" mit Box-Weltmeister Wladimir Klitschko symbolisieren die Aufbruchstimmung an der Heussallee, wo die 2002 gegründete Stiftung im Zuge etlicher Dopingaffären turbulente Jahre erlebt hat - Jan Ullrich und Claudia Pechstein lassen grüßen.

"Wir sind ein Gütesiegel für sauberen Sport in Deutschland" definierte Gotzmann am Mittwoch bei der Jahrespressekonferenz der Nada im Haus der Geschichte den aktuellen Selbstanspruch und sagte: "Unser Kontrollsystem ist gut, und das Abschreckungspotenzial halte ich bei uns für sehr groß."

Ob es auch effektiv ist? Nur drei positive Analyseergebnisse bei 8106 Trainingskontrollen im Jahr 2013 wirken auf den ersten Blick nicht so, immerhin 50 ertappte Sünder bei 5311 Wettkampftests (davon 1260 von der Nada verantwortet) ergeben eine etwas höhere Quote.

Insgesamt bewegen sich die Zahlen auf dem Niveau der Vorjahre. "Wir wissen eben nicht, wie hoch die Dunkelziffer ist", sagte Gotzmann. Zahlen sagen ohnehin nicht alles: Die Labors in Köln und Kreischa sammeln auch Analysewerte unterhalb positiver Befunde, um künftige Nachweise zu ermöglichen. "Das Hinterherlaufen kann ich nicht akzeptieren", sagte Gotzmann und versicherte - einmal mehr: "Das Netz wird immer dichter und die Abschreckung für Betrüger immer höher."

Die 57-Jährige, die als Basketballerin auf 103 Einsätze im Nationalteam kam und von 1996 bis 2011 am Kölner Institut für Dopinganalytik arbeitete, glaubt einen Wandel in der Einstellung junger Sportler festzustellen - weg von der Dopingmentalität.

"Die Sportlergenerationen wechseln schnell. Ich bin überzeugt davon, dass die seit 2007 forcierte Präventionsarbeit inzwischen Früchte trägt", meinte Gotzmann, ganz die Berufsoptimistin. Vor allem im Fußball, in dem die Nada seit dem vergangenen Jahr im Auftrag des DFB kontrolliert, versichert sie, gehe die neue Spielergeneration viel offener mit dem Thema um.

Beim entscheidenden Spiel des 1. FC Köln gegen den VfL Bochum hat die Nada-Chefin am Ostermontag die Kontrollen "kontrolliert". Als Eindruck nahm sie mit, "dass heute sogar viele der jungen Spieler sagen: Wir wollen getestet werden."

Gotzmann führt das auf die Aufklärung an Sportinternaten und Fußball-Schulen zurück. "Früher", sagt sie, um den Kontrast zu zeichnen, "früher haben Fußballer doch die Urinbecher an die Wand geworfen."

200 000 Euro jährlich zahlt der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seit 2013 an die Nada, die Bundesligaspieler jederzeit unangemeldet kontrollieren darf - im Fokus stehen dabei nicht zuletzt die deutschen Nationalspieler. Für die Nada hat die Zusammenarbeit mit dem DFB die Funktion einer Leuchtturm-Kooperation.

Wenn schon die Protagonisten der Volkssportart Nummer eins mitmachen, dann sollte das den anderen doch nur recht sein, findet die Nada. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) sowie acht weitere Fachverbände haben ihre Kontrollen schon komplett übertragen.

Die höheren Kosten gegenüber selbst organisierten Wettkampftests aber schrecken kleinere Verbände ab. Der am 1. Januar 2015 in Kraft tretende neue Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) bringt zusätzlichen Druck: Die für alle Nationen verbindlichen Regeln schreiben vor, dass jeweils eine Institution für sämtliche Trainings- und Wettkampfkontrollen verantwortlich ist - Dopingbekämpfung aus einer Hand.

"Das geht nicht von heute auf morgen", sagt Nada-Vorstandsmitglied Lars Mortsiefer: "Aber es gibt keine Alternative." Der Justiziar sprach sich "ausdrücklich dafür aus, die Dopingbekämpfung strafrechtlich zu stärken" - einerseits eröffne sich die Chance, Hintermänner hart zu bestrafen. "Andererseits lassen sich auch Einzelfälle von fahrlässigem Missbrauch dann gerechter sanktionieren", so Mortsiefer.

Die neuen Herausforderungen treiben die Kosten für die chronisch klamme Nada weiter in die Höhe. Derzeit ist sie froh, nach 2013 (6,6 Millionen Euro) auch 2014 auf einen ausgeglichenen Etat zuzusteuern. Die Hoffnung, endlich größere Unterstützung aus der Wirtschaft zu erhalten, wird derzeit genährt. "Wir treten mit einem Produkt auf, das unterstützungswürdig ist", sagt Gotzmann.

In der Tat hat die 2002 ins Leben gerufene Stiftung zuletzt stark an ihrer Außendarstellung gearbeitet. Erstmals bedient sich die Nada einer wirklichen Marketingstrategie und setzt auf prominente Fürsprecher. Wladimir Klitschko prangt von Plakatwänden - mit entschlossenem Blick wirbt der amtierende Schwergewichts-Weltmeister für den neuen Nada-Slogan "Alles geben, nichts nehmen".

Auch die Leverkusener Stabhochspringerin Silke Spiegelburg macht mit, ansonsten setzt die Kampagne auf Spitzensportler, die ihre Karriere beendet haben: die Olympiasieger Anni Friesinger (Eisschnelllauf) und Jonas Reckermann (Beachvolleyball). Also Sportler, die nicht mehr positiv getestet werden können, mögen böse Zungen behaupten - wieder so ein Windmühlenrad.

Bemühungen um einen prominenten Fußballer der Kategorie Thomas Müller oder Philipp Lahm liefen nach Informationen dieser Zeitung bislang ins Leere. Doch Andrea Gotzmann und die 29 Angestellten in der Heussallee geben nicht auf. Von Berufs wegen.

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