GA-Serie "Die Sonntagskicker" Das Ziel ist eine Inklusionsliga
SANKT AUGUSTIN · Beim ASV Sankt Augustin spielen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam Fußball. Zwei Jahre nach den ersten Planungen hat der Verein inzwischen viel erreicht, doch ein großes Ziel bereitet noch Probleme.
Freitagnachmittag auf dem Kunstrasenplatz des ASV Sankt Augustin: Sorgfältig hat Ralf Drinhausen einen Parcours aus Hütchen, Stangen und Reifen gebaut, durch den wenig später rund 20 Kinder mit dem Ball dribbeln werden. Eine klassische Trainingssituation im Jugendfußball, doch wer die von Drinhausen und Patrick Müller-Hirschmann betreute Mannschaft zum ersten Mal sieht, wird vermutlich etwas verwundert gucken: Der Größen- und Altersunterschied zwischen einzelnen Kindern ist zum Teil enorm.
Dies sind jedoch nicht die einzigen Merkmale, mit denen sich das Team von anderen Jugendmannschaften abhebt, denn das gesamte Konzept macht den ASV Sankt Augustin zu einem Vorreiter: Hier spielen Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in einer Mannschaft. „Aktuell besteht das Team ungefähr zu zwei Dritteln aus Kindern mit Handicap und zu einem Drittel aus Kindern ohne Handicap“, berichtet Drinhausen. Die Arten der Behinderungen sind dabei unterschiedlich, sie reichen von Kleinwüchsigkeit über Autismus hin zu Herzkrankheiten.
Der ASV hat damit die erste inklusive Jugendmannschaft in der Region Bonn/Rhein-Sieg. Zwei Jahre nach den ersten Planungen hat der Verein inzwischen viel erreicht, doch ein großes Ziel liegt noch in weiter Ferne: die Teilnahme am Ligabetrieb. Doch dazu später mehr.
Erstes Training mit neun Kindern
Erste Überlegungen zur Gründung eines inklusiven Teams hatten Drinhausen und Müller-Hirschmann bereits im November 2014, vier Monate später fand das erste Training mit neun Kindern statt. „Inzwischen sind wir auf 34 angewachsen, weshalb wir die Aufnahme weiterer Kinder erst einmal stoppen mussten“, sagt Drinhausen, der auch als Fußball-Abteilungsleiter beim ASV tätig ist. Zwar würde der Club gerne weitere Kinder ins Team integrieren, da sich der ASV den Platz aber noch mit einem Hockeyclub teilt, sind die Möglichkeiten zum Trainieren begrenzt. „Wir hoffen, dass bald noch ein zweiter Platz gebaut wird, denn sonst bekommen wir wirklich Probleme“, betonen Drinhausen und Gabriele Wiskemann, die Vorsitzende des Vereins, unisono.
Die zweite Platzanlage ist jedoch nur eine Sache, für die die Sankt Augustiner kämpfen: Das noch größere Problem ist die nicht vorhandene Spielgenehmigung für den Ligabetrieb, wodurch die Inklusionsmannschaft nur Freundschaftsspiele bestreiten darf. Einen Antrag des ASV, das Team in einer Jugendstaffel des Regelspielbetriebs antreten zu lassen, lehnte der Fußballverband Mittelrhein mit Verweis auf die zu großen Altersunterschiede ab, da die Kinder zwischen acht und 16 Jahre alt sind. „Wegen der Jugendspielordnung sind uns da die Hände gebunden. Die körperlichen Unterschiede zwischen den Kindern sind in diesem Alterspektrum zudem zu groß“, begründet Oliver Zeppenfeld, Jugendbildungsreferent beim Fußballverband Mittelrhein. Zugleich betont Zeppenfeld aber auch: „Wir werden den ASV auf keinen Fall alleine stehen lassen und wollen gemeinsam nach Lösungen suchen.“
In den Freundschaftsspielen fanden die Sankt Augustiner und der jeweilige Gegner stets eine Möglichkeit, für faire Kräfteverhältnisse zu sorgen. „In den Spielen gegen Teams unseres Vereins legen wir beispielsweise fest, dass die andere Mannschaft nur mit dem schwächeren Fuß spielen darf oder wir ein paar Spieler mehr auf dem Platz haben“, erzählt Müller-Hirschmann. Und auch für eine Eingliederung in den Ligabetrieb hat Drinhausen einen Lösungsvorschlag: „Es wäre doch sinnvoll, wenn die anderen Mannschaften bereit wären, gegen uns Spieler einsetzen, die in ihrer Entwicklung noch nicht so weit sind wie die Besten des Teams und deshalb häufig auf der Bank sitzen.“
Inklusion in allen Abteilungen
Während der ASV in diesem Punkt wohl noch vor einem langen Weg steht, ist die Inklusion in allen Abteilungen des Vereins zu einer Selbstverständlichkeit geworden. Neben dem Fußball hat der Club auch beim Schwimmen, Turnen oder Nordic Walking die Voraussetzungen für die Aufnahme von Menschen mit Behinderung geschaffen. Zudem erreichten die Sankt Augustiner beim NRW-Inklusionspreis unter 200 Bewerbern die Endrunde. „Das Schöne ist: Als wir angefangen haben, standen viele Jugendspieler hier und haben überrascht geguckt, weil es für sie eine neue Welt war. Inzwischen ist es für alle zur totalen Normalität geworden“, sagt Drinhausen voller Stolz.
Ein großer Wunsch der Verantwortlichen ist es, dass in Zukunft weitere Vereine den Mut haben, eine Inklusionsmannschaft zu gründen. Dann könnte eine eigene Liga entstehen, bei der das Alter der Kinder keine Rolle spielt. „Jeder Verein kann das machen. Man muss Inklusion als etwas ganz normales ansehen und darf keine Angst haben“, sagt Wiskemann. Die Haltung sei wichtig, so die Vereinsvorsitzende. Und ergänzt: „Wir geben anderen Vereinen sehr gerne Tipps und beraten sie, wenn das Interesse besteht.“
Solange es die Inklusionsliga noch nicht gibt, stehen für den ASV Sankt Augustin weiterhin nur Freundschaftsspiele auf dem Programm. Dabei erlebte die Mannschaft am letzten Sonntag jedoch eine Premiere: Zum ersten Mal trat das Team auswärts beim VfR Fischenich an, der den ASV eingeladen hatte. „Wir waren zweieinhalb Stunden vor Ort und haben uns super aufgehoben gefühlt“, betont Ralf Drinhausen.