Interview mit Ben Redelings „Die echten Typen werden heute abgewürgt“

Bonn · Ben Redelings nimmt den Fußball ebenso ernst wie Millionen andere. Aber er kann auch ausgelassen, herzhaft, schallend, hämisch und spitzbübisch darüber lachen. Redelings erzählt Geschichten über Fußball, das ist sein Job. Am 18. Januar tritt der VfL-gepeinigte Bochumer damit in der Bonner Harmonie auf. Mit Redelings sprach Gert auf der Heide.

 Hingucken, zuhören: So kommt Fußball-Erzähler Redelings zu seinen Geschichten.

Hingucken, zuhören: So kommt Fußball-Erzähler Redelings zu seinen Geschichten.

Foto: ii

Sie reden auf der Bühne über Fußball. Wie würden Sie beschreiben, was Sie machen? Ist das Comedy, Kabarett, Fußball-Kultur?

Ben Redelings: Den Begriff Kultur benutze ich eigentlich gar nicht mehr, weil das manche Leute abschreckt. Ich betrachte den Fußball humorvoll. Viele Leute verbinden mit Fußball immer noch die Sportschau und allenfalls die Sky-Konferenz. Das Witzige, die Geschichten kennen die gar nicht.

Früher war Fußball die Fußlümmelei, dann der Proletensport. Heute lugt der „kicker“ aus vielen Aktentaschen, und sogar Sprachkünstler wie Walter Jens oder Peter Handtke haben den Fußball immer wieder zum Thema gemacht. Wo also ist das Problem bei Fußball und Kultur?

Redelings: Jens und Handtke sind Wegbereiter. Da ist der Fußball mit der Hochkultur in Kontakt gekommen. Das hat gezeigt, dass Fußball nicht mehr verpönt ist. Aber ich kriege heute noch vor den Latz geknallt: Was hat denn Fußball mit Humor und Kultur zu tun? Beim Fußball prügeln sich doch Leute und hantieren mit Pyrotechnik.

Können wir uns zumindest darauf einigen, dass der Fußball immense gesellschaftliche Relevanz besitzt?

Redelings: Absolut. Ich bin mal auf eine Geschichte gestoßen, die spielte so um 1990. Da hatte Mercedes noch arge Vorbehalte, sich größer im Fußball zu engagieren. Golf erschien denen angemessener. Heute hat der Fußball die Gesellschaft ganz anders durchdrungen. Früher kamen ja auch noch andere Sportarten in der Sport-Reportage vor. Man kann den Kindern heute kaum noch vermitteln, dass man sich damals im Handball und Eishockey auskannte und sogar die Leichtathletik toll fand.

Aber niemand erzählt auf der Bühne von Handball und Eishockey. Leute wie Frank Goosen, Arnd Zeigler und Sie beschäftigen sich mit Fußball. Man könnte auch Nick Hornby, Django Asül oder Fritz Eckenga dazuzählen. Ist das eine Sparte, eine Bewegung? Haben Fußball und Kultur am Ende doch zusammengefunden?

Redelings: In Deutschland sind wir ein sehr überschaubarer Kreis. Das ist eine Nische, die allerdings immer größer wird. Bei mir war die Initialzündung ein Buch von Ulrich Homann, „Als die Ente Amok lief“. Da ging es um Willi Lippens, und ich habe gemerkt, dass man mit Fußball auch anders umgehen kann.

Sitzt bei Ihren Abenden eigentlich auch mal ein Profi im Publikum?

Redelings: Profis insofern, als manche wirklich von weit her kommen. Neulich ist einer sogar aus Hamburg angereist. Das sind dann männliche Groupies. Aber Fußballprofis? Allenfalls ehemalige. In Stuttgart war mal Bernd Martin unter den Zuschauern, der Mann mit der kürzesten Nationalmannschaftskarriere: ein Spiel, zwei Minuten. Das war dann nachher extrem ergiebig bei der Plauderei. Der konnte viele Geschichten erzählen.

Aber auf der Bühne taucht regelmäßig Prominenz auf.

Redelings: Eigentlich nur in Bochum. Aber bei der anstehenden Tour jetzt auch in anderen Städten.

Wer wird das in Bonn sein?

Redelings: Ist ein Überraschungsgast. Na ja, er hat einen Schnäuzer, spielt Golf und war Trainer in vielen Vereinen.

Haben Sie auf der Bühne ein festes Programm, oder ist da auch viel Improvisation dabei?

Redelings: Das jetzige Programm „Trainingslager“ hat den Untertitel „Die Fußball-Wundertüte“. Die Leute können mitbestimmen, das Motto heißt „alles kann, nichts muss“. Ich weiß selbst nicht ganz genau, wohin die Reise geht.

Auf welchen Kanälen sind Sie unterwegs?

Redelings: Ich mache Bücher, habe eine Kolumne auf ntv.de, ich blogge und ich stehe auf der Bühne.

Sie selbst sagen: Ich erzähle Geschichten. Haben Sie einen Gag-Schreiber, sind Sie selbst der Gag-Schreiber oder ist der Fußball der Gag-Schreiber?

Redelings: Die Gags hat der Fußball geschrieben. Das ist der Unterschied zu Comedy. Ich hab' nur irgendwann angefangen, das zu sammeln. Ich gucke hin, ich höre zu.

Der cleane, porentief reine Fußball der heutigen Zeit muss Ihnen doch langsam das Wasser abgraben.

Redelings: Das ist so. Das geht auch vielen Kollegen in den Sportredaktionen auf die Nerven, wenn sie drei Worte eines 18-Jährigen aufschnappen, und die werden vom Mediendirektor nicht autorisiert. Die Fußballwelt ist eine andere geworden. Da bleiben sehr wenige Happen übrig.

Eine oft gestellte Frage: Gibt's noch Typen?

Redelings: Ja, es gibt sie noch, aber sie werden nicht lange zugelassen. In Bochum habe ich miterlebt, wie Christoph Kramer hochgeschossen ist und trotzdem noch sehr natürliche Interviews gegeben hat. Später gab es ein Interview direkt nach der WM 2014 in „11 Freunde“, da habe selbst ich gedacht: Mensch, hat der keinen Berater? Kurz danach ist Kramer abgemeldet worden. Man merkt dann, wie ein Mensch abgewürgt wird, der eigentlich sehr viel zu sagen hat. Dass man sich so wahnsinnig an einem wie Jürgen Klopp erfreuen kann, liegt ja nicht zuletzt daran, dass alle um ihn herum so todlangweilig sind.

Nicht, dass Sie das irgendwann mal arbeitslos macht.

Redelings: Ich baue einfach darauf, dass da wieder Typen kommen. Ansonsten hat die Vergangenheit noch extrem viel zu bieten.

Gibt es Tabus für Sie, also etwa Loddar-Witze?

Redelings: Ich muss manchmal aufpassen, wenn ich Dinge weiß, die noch nicht öffentlich erzählt wurden. Darüber hinaus fragen mich Leute, was denn etwa Thorsten Legat dazu sagt, was und wie ich über ihn erzähle. Der weiß Geschichten, die kann man nicht erfinden und stellen ihn nicht immer im allerbesten Licht dar. Ich antworte dann: Seine beiden Kinder sind meine größten Fans. Außerdem hält ihn das im Gespräch.

Wie es der Zufall so will, stammt auch der Kollege Goosen aus Bochum. Sie beide sind Fußball-Fans, VfL-Fans und setzen sich humoristisch mit dem Fußball auseinander. Kann man den VfL nur mit Humor ertragen?

Redelings: Oder mit Fatalismus. Man braucht schon eine ironische Art, um Fan eines solchen Vereins zu sein. Andererseits glaube ich, dass die meisten Fans ähnliche Dinge erleben. Nur halt die Bayern-Fans nicht.

Wie kommt man überhaupt zum VfL? Hätte ja auch Schalke sein können.

Redelings: Bis zum 18. Lebensjahr war ich ja Erstligist, um das mal so zu sagen. Damals warst du als Kind aus Bochum VfL-Fan, das ist heute anders in der 2. Liga.

Wie sieht Ihre eigene Karriere aus, also die aktive?

Redelings: Bis zum 13. Lebensjahr sehr hoffnungsvoll bei der DJK Arminia Bochum, wo übrigens Frank Goosen seine Söhne hingebracht hat. Dann kam erst die Brille, anschließend das Bier und am Ende die Mädchen. Mit der aktiven Zeit war's dann schnell vorbei. Allerdings bin ich heute wieder dienstags beim Hallenkick, am Anfang auch mit Ex-VfL-Profi Lothar Woelk.

Wann steigt der VfL wieder auf?

Redelings: Ich will's anders beantworten: Auch wenn ich sehr gerne aufsteigen würde, habe ich doch die Annehmlichkeiten der 2. Liga schätzen gelernt: Wenn ich zum VfL gehe, sind da nicht viele Repressalien. Ich habe meinen Platz, meine Freunde, mein Bier. Und ich kann relativ ordentlichen Fußball sehen. Deshalb wäre ich gar nicht so böse, wenn der VfL noch viele Jahre in der 2. Liga spielt. Nur 3. Liga, das muss nicht sein.

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