Fechten Ein „Löwe“ unter anderen Vorzeichen

BONN · Die internationale Herrenflorett-Elite trifft sich am Wochenende in Bonn. Im deutschen Team herrscht eine schwierige Situation.

 Die Schützlinge von Bundestrainer Uli Schreck (Mitte) fiebern ihrem Auftritt beim „Löwen von Bonn“ entgegen: (von links) Peter Joppich, Marius Braun, Fabian Braun, André Sanita, Benjamin Kleibrink und Dominik Schoppa. FOTO: HORST MÜLLER

Die Schützlinge von Bundestrainer Uli Schreck (Mitte) fiebern ihrem Auftritt beim „Löwen von Bonn“ entgegen: (von links) Peter Joppich, Marius Braun, Fabian Braun, André Sanita, Benjamin Kleibrink und Dominik Schoppa. FOTO: HORST MÜLLER

Foto: Horst Müller

Wenn sich die Herrenflorettfechter aus der ganzen Welt ab Freitag in der Bonner Hardtberghalle treffen und zum 45. Mal um den „Löwen von Bonn“ kämpfen, geschieht das unter deutlich anderen Vorzeichen als noch im vergangenen Jahr. Da ging es bei dem vom OFC Bonn ausgerichteten Traditions-Weltcupturnier für die deutsche Nationalmannschaft um Bundestrainer Uli Schreck darum, mit einem guten Mannschaftsergebnis noch auf den Zug nach Rio de Janeiro zu den Olympischen Spielen aufzuspringen. Der Rest ist Geschichte: Der Sprung gelang nicht und hatte Konsequenzen.

Moritz Kröplin, der zweimalige deutsche Meister des OFC Bonn, hängte das Florett an den Nagel. Zum einen, weil er in der schon seit langem schwächelnden Sportart Fechten keine Perspektive mehr sah, zum anderen, weil er sich vom Bundestrainer ausgebootet fühlte. Der hatte Benjamin Kleibrink, den Olympiasieger von Peking, nach dessen Comeback ins Team geholt, nachdem Kröplin im Einzel des letztjährigen „Löwen“ nicht gut ausgesehen hatte.

„Wir haben nicht nur Moritz Kröplin, sondern auch Sebastian Bachmann verloren“, berichtete Schreck. Der ehemalige Bonner aus Tauberbischofsheim musste seine Karriere nach einer schweren Fußverletzung inklusive Operation beenden. Schreck: „Man merkt, dass die beiden fehlen. Deshalb bin ich froh, dass Benjamin Kleibrink nach der verpassten Olympia-Qualifikation noch ein Jahr dranhängt. Er will unbedingt bei der WM in Leipzig mitfechten. Er ist eine Bereicherung für die Truppe.“

Die Trainingsgruppe um den Bundestrainer, die im Leistungszentrum im Sportpark Nord trainiert, ist nicht größer geworden. Peter Joppich ist und bleibt das Zugpferd. Auch der viermalige Weltmeister aus Koblenz will vorerst weiterfechten, „solange es mir Spaß und mein Körper mitmacht“. Auf der Leistungsskala der Dritte im Bunde ist André Sanita, der Bronze-Gewinner der letztjährigen Europameisterschaften vom OFC Bonn.

„Dahinter wird es schon eng. Wer der Vierte ist, der nicht nur im Einzel, sondern auch mit der Mannschaft ficht, weiß ich noch nicht“, erklärte Schreck. Zum engsten Kreis gehören noch OFC-Fechter Marius Braun und Alexander Kahl. Der Tauberbischofsheimer ist für Bachmann dazugekommen. Schreck beklagt: „Von unten empfiehlt sich keiner. Die jungen Talente sind nicht da, weder hier noch im Rest von Deutschland. So muss ich auf Arrivierte zurückgreifen.“

Bundestrainer Schreck hatzwei Leistungsträger verloren

Auch die Trainingssituation ist nach wie vor unbefriedigend für ihn. Schreck redet seit Jahren der Zentralisierung das Wort. „Es fehlt die Reibung. Darunter leidet die Trainingsqualität“, so Schreck. Doch auch der jüngste Versuch, die wenigen guten Fechter in Bonn zusammenzuziehen, ist gescheitert. Immerhin habe Kahl sein Studium auf den Leistungssport abgestimmt und komme regelmäßig von Frankfurt nach Bonn. Andere Fechter lassen sich nur sporadisch am Rhein blicken.

Beispiel Georg Doerr: Seit Jahren versucht der Bundestrainer, den Weinheimer nach Bonn zu holen. Aber der Heimtrainer und der Verein hätten das blockiert. „Ich kann das irgendwie auch verstehen. Die Weinheimer machen gute Jugendarbeit. Ihnen dann den besten Fechter wegzunehmen und nur auf die Schulter zu klopfen, ist zu wenig. Das muss auch honoriert werden – und zwar monetär“, sagte Schreck. Aber im Deutschen Fechterbund fehlten dafür wohl die Mittel. Rein sportlich könne er nicht anders, als nur auf die Fechter zu setzen, die in Bonn regelmäßig mittrainieren. Schreck: „Wer das nicht tut, stagniert in seiner Leistung, oder sie ist sogar rückläufig.“

Da bei den nächsten Olympischen Spielen 2020 in Tokio keine Herrenflorettmannschaft am Start sein wird, tritt der Teamwettbewerb vorerst in den Hintergrund. Auch beim „Löwen von Bonn“ konzentriert sich alles auf das Einzel, weil es die einzige Möglichkeit für die Athleten darstellt, sich für Olympia zu qualifizieren.

Im bisherigen Verlauf der Weltcupsaison hat Rückkehrer Kleibrink einen guten Eindruck hinterlassen. „Für mich ist es ganz gut gelaufen. Ich war zweimal unter den besten 16 und einmal unter den besten acht“, berichtete der 31-Jährige, der einst für den OFC Bonn aktiv war und seit 2008 zum FC Tauberbischofsheim gehört. Der Olympiasieger hat immer noch großen Spaß am Fechten. Mit Prognosen für den „Löwen“ ist er vorsichtig. Kleibrink: „Ich schaue von Gefecht zu Gefecht. Erst einmal will ich mich für den zweiten Tag qualifizieren, und dann wird man sehen, wie es läuft.“ Bei einer guten Tagesform sei eine Platzierung unter den besten acht möglich.

Die Vorbereitung auf den „Löwen“ ist für Joppich nicht so gut gelaufen. „Ich habe mich vor zwei Wochen beim Weltcupturnier in Paris am Rücken verletzt und konnte deshalb nicht trainieren“, sagte der Koblenzer. Erst am Dienstag stand er in Bonn wieder auf der Planche. Joppich danach: „Im Moment spielt der Rücken mit. Mal sehen, wie sich das für mich entwickelt.“

OFC-Fechter Sanita genießt die Tage vor dem Turnier, da viele Teilnehmer bereits für einen internationalen Lehrgang angereist sind. „Das ist eine tolle Möglichkeit, mal mit unterschiedlichen Gegnern zu fechten“, erklärte er. Bei den bisherigen Weltcupturnieren lief es für ihn nicht wie gewünscht. Sanita: „Zuletzt bin ich zweimal knapp unter den letzten 64 ausgeschieden.“ Jetzt beim „Löwen“ will er „versuchen, frei und ohne Druck und mit Spaß zu fechten“. Das Heimturnier will er nutzen, diesmal weiter als unter die letzten 64 zu kommen.

Diese Runde hat sich Marius Braun zum Ziel gesetzt, der zuletzt regelmäßig nicht den zweiten Turniertag erlebte. „Meine Trainingsleistungen sind gut, aber ich konnte sie im Wettbewerb nicht umsetzen“, sagte der OFC-Fechter und hofft darauf, dass in Bonn der Knoten platzt. Doch: „Vor der Heimkulisse will man am ehesten zeigen, was man drauf hat, da macht man sich selbst mehr Druck. Doch ich versuche locker, aber konzentriert ranzugehen.

Zum erweiterten Kreis der Bonner Florett-Trainingsgruppe zählen auch Fechter wie Dominik Schoppa und Fabian Braun vom OFC Bonn. Sie gehören zu den insgesamt 20 deutschen Fechtern im mehr als 200 Teilnehmer starken Feld. Der OFC ist mit Sanita, Marius Braun, Schoppa und Magnus Hamlescher vertreten.

Großer Favoritenkreis

Fest steht: Es wird in diesem Jahr einen neuen Sieger beim „Löwen von Bonn“ geben, denn Vorjahressieger James-Andrew Davis fehlt verletzt. „Die Amerikaner sind bärenstark“, sagte Bundestrainer Schreck und zählt vor allem den Weltranglistenersten Alexander Massialas zu den Topfavoriten. Er gewann auch zuletzt in Paris. Traditionsgemäß haben die Franzosen, Russen und Italiener potenzielle Siegkandidaten in ihren Reihen. So geht mit Daniele Garozzo der aktuelle Olympiasieger in der Hardtberghalle auf die Planche.

Zeitplan

Freitag: Ab 9 Uhr: Vorkämpfe Einzel

Samstag: Ab 8.30 Uhr: Direktausscheidung (64er) Ab 16.30 Uhr: Finale der besten vier

Sonntag: Ab 8 Uhr: Mannschaftswettkämpfe Ab 12 Uhr: Halbfinale Ab 14.30 Uhr: Finale

Alle Gefechte in der Hardtberghalle

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
So kannten ihn seine Fans: Patrick
Gladbach-Fan im Geißbock-Trikot
GA-Serie „Spurensuche“: Ex-Fußballprofi Patrick WeiserGladbach-Fan im Geißbock-Trikot
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort