Ein Paradiesvogel unter den Leistungsschwimmerinnen

Katja Braschoß aus Niederkassel-Lülsdorf bringt Sport, Job und noch einiges mehr unter einen Hut

Siegburg. Wenn Schwimmen für andere die Welt bedeutet, ist Katja Braschoß die Welt nicht genug. "Ich versuche alles, was ich noch mitnehmen kann, auch zu machen", sagt die 21-Jährige. Freunde treffen, die Arbeit bei der Gemeinde Niederkassel, die Versorgung der beiden Hasen, ein Englisch-Kurs - all das würde bei manchem schon den Tag zur Gänze füllen. Katja Braschoß aber schwimmt zudem noch in sämtlichen Konkurrenzen mit, die ihre Disziplin so zu bieten hat. Bei den Deutschen Masters-Meisterschaften etwa errang sie zuletzt gleich zwei Titel: einen über 200 Meter Kraul, wo sie mit 2:12,56 Minuten Bestzeit hinlegte, und einen über 200 Meter Lagen (2:29,40 Minuten).

Vor den "Masters" in Karlsruhe - dahinter verbergen sich die Senioren-Titelkämpfe für Schwimmer ab 20 - hatte die junge Frau in dieser Saison bereits ein breites Wettkampf-Programm absolviert. Fehlen ist nicht. "Konsequent musst du beim Schwimmen schon sein, aber natürlich auch ehrgeizig", so die Lülsdorferin. So ging sie zwei Wochen vor Karlsruhe bei einem Freibad-Rennen auf die Bahn und absolvierte die Bezirksmeisterschaften. Darüber hinaus ist die gebürtige Kölnerin für die SSF Bonn in der 1. Bundesliga beim Mannschaftsschwimmen aktiv und gab auch beim Weltcup ihre Visitenkarte ab: ein umfangreiches Programm.

Und während die Konkurrenz sich als Student, Schüler oder Profi weitgehend ungestört auf die offenen Deutschen Meisterschaften vorbereiten kann, nimmt die Arbeit in ihrem Leben eine nicht unbedeutende Rolle ein. "Stressig" sei das manchmal, Training und die Teilnahme an Wettkämpfen mit dem Job in der Personalverwaltung zu vereinbaren. Ein Beispiel? Als im Mai die offene DM in Hamburg stattfand, reiste die Brustschwimm-Spezialisten dienstags an, um mittwochs zu schwimmen. Kosten: ein Urlaubstag.

Am Mittwochabend noch ging es zurück ins Rheinland, weil am Donnerstag die Arbeit wartete. "Den Freitag habe ich mir dann über Überstunden freigenommen", erzählt Katja Braschoß. Und am Samstagmorgen wurde sie Zehnte über 200 Meter Brust, ihrer Lieblingsdistanz. "Dafür, dass es meine Hauptstrecke war, lief es schlecht", meint Braschoß im kritischen Rückblick.

Dabei ist die Frau mit dem Gardemaß von 1,88 Meter als Mitglied der arbeitenden Bevölkerung bei den Leistungsschwimmern ein Paradiesvogel. Zur Vorzeige-Athletin Franziska van Almsick sagt sie: "Die Franzi hat ja sogar die Schule abgebrochen. Das hätten meine Eltern nie zugelassen, auch wenn sie sportverrückt sind."

Katja Braschoß hingegen kann auf eine Ausbildung zur Industriekauffrau verweisen, und sie hat ein Umfeld, das sie auch fern des Profitums in ihrem Sport unterstützt: Der Bruder, ebenfalls Schwimmer, übernimmt Fahrdienste für seine Schwester, die regulär für Hellas Siegburg startet. Die Mutter, ihres Zeichens Volleyball-Trainerin, hat sämtliche Zeitungsberichte in einem Album aufgehoben. Daheim gibt es eine ganze Wand, an der die Schwimm-Medaillen hängen - neben denen des Vaters, Marathoni und ehemaliger Triathlet.

Deutsche Jugend-Meisterin über 100 Meter Brust wurde Katja Braschoß so zum Beispiel 1995, damals noch für die SpVgg. Lülsdorf-Ranzel startend. "Das war ein Bohei hier im Dorf", erinnert sie sich. Stets sei sie als Deutsche Meisterin bei den Wettkämpfen angekündigt worden. Und von den Jugend-Rennen habe sie "immer Medaillen mitgebracht". Heute schätzt Katja Braschoß die Masters-Wettkämpfe - wegen der freundschaftlichen Atmosphäre.

Die netteste Anekdote ereignete sich aber im Zuge der "großen" DM. Vater Braschoß wettete im Jahr 2000, dass dem Töchterchen der Finaleinzug in Leipzig nicht gelänge. Wetteinsatz: Er wollte sonst beim Einschwimmen mitmachen. Katja Braschoß wurde Sechste, das Familienoberhaupt musste sich eigens eine Badehose kaufen. "Beim Einschwimmen fand sich mein Vater dann plötzlich zusammen mit Franzi van Almsick auf einer Bahn."

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