Serie Groundhopping am Rhing Sportanlage auf dem Rheidter Werthchen ist heute Naturschutzgebiet

Niederkassel · Serie Groundhopping am Rhing, Teil 2 - Das Rheidter Werthchen: Auf der Rhein-Halbinsel lernten Patrick Weiser und Sebastian Schoof das Fußballspielen. Früher landete mancher Gegner oder Schiedsrichter in der Laach.

  So sah es auf dem Werthchen aus, als die Fußballer dort noch zu Hause waren: Die Tore sind aber bereits abgebaut.

So sah es auf dem Werthchen aus, als die Fußballer dort noch zu Hause waren: Die Tore sind aber bereits abgebaut.

Foto: Axel Vogel

Uli Hertrampf erinnert sich, als wäre es gestern gewesen. Dabei liegt sein einschneidendstes Erlebnis auf dem altehrwürdigen Rheidter Werthchen schon lange zurück. Es war 1995, als der damalige Coach des FC Hertha Rheidt – seinerzeit noch Fußball-A-Ligist – seine Truppe trotz des extremen Hochwassers zum Training bat. Der normale Fußweg über den Altarm des Rheins, die Laach, zu der malerisch auf einer Halbinsel am Fluss gelegenen Sportanlage mit einem Rasen- und einem Aschenplatz, der über ein Brückchen führte, stand bereits unter Wasser. Doch ein paar Vereinsverantwortliche waren im Besitz eines Schlüssels, mit dessen Hilfe sie eine mit Autos befahrbare Ausweichstrecke freigeben konnten – in absoluten Ausnahmefällen, um die Landschaft nicht zu zerstören.

„Das Sträßchen war auch schon ein bisschen nass, aber nur wenig“, sagt Hertrampf. „Also sind wir rübergefahren und haben auf dem Aschenplatz trainiert. Unter dem schummrigen Flutlicht war das gespenstisch.“ Anderthalb Stunden dauerte die Übungseinheit auf dem Inselchen. „Auf dem Festland waren schon ständig Polizei- und Feuerwehrwagen sowie Rettungsfahrzeuge zu hören, aber das habe ich damals überhaupt nicht richtig wahrgenommen“, erzählt Hertrampf – heute mit einem Lächeln.

Damals war ihm dagegen gar nicht mehr zum Lachen zumute, als er mit seinen Fußballern aus der Dusche kam und nach Hause fahren wollte: „Das Wasser stand ungelogen oberschenkelhoch auf der Straße. Heute noch läuft mir ein Schauer über den Rücken, wenn ich daran denke.“ Das größte Problem hatte seinerzeit Oliver Krenn, später Sportlicher Leiter der Hertha und 2019 einem Krebsleiden erlegen. „Er fuhr einen hellblauen, tiefer gelegten Ford Escort. Das Wasser ist ihm über die Motorhaube gelaufen“, berichtet Hertrampf. Immerhin: Wenn auch mit Problemen, so kamen doch alle wieder unbeschadet „an Land“. „Hätten wir eine Viertelstunde länger trainiert, wären wir eingeschlossen gewesen“, so Hertrampf.

Umkleidekabinen wegen Hochwassergefahr auf Stelzen errichtet

Im Oktober 2002 verhinderte die Weitsicht des Fußballkreises und der Rheidter Funktionäre eine Katastrophe. Sturm Jeanett hatte Nordrhein-Westfalen und Deutschland fest im Griff; Fußball gespielt wurde trotzdem – außer in Rheidt, wo der Aschenplatz von zahlreichen Bäumen gesäumt war. Tatsächlich stürzte zur regulären Spielzeit am Sonntag irgendwann nach 15 Uhr ein Baum auf die Spielfläche. Nicht auszudenken, was hätte passieren können, wenn dort ein Meisterschaftsspiel stattgefunden hätte.

Das Werthchen war eine sehr spezielle Sportanlage und hat Sportgeschichte im Kreis geschrieben. Wegen des alljährlich wiederkehrenden Hochwassers des Rheins und der Laach mussten die Umkleidekabinen auf etwa 3,50 Meter hohen Pfeilern errichtet werden. Nach dem verheerenden Hochwasser von 1926 wurde der erste Deich gebaut. 1998 wurde dieser noch einmal verbreitert, verlängert und mit einer Betonmauer verstärkt.

Sportanlagen waren von den Gegnern gefürchtet

Von den Herthanern geliebt und von den Gegnern gefürchtet, waren die Sportplätze – der Rasen wurde 1969 eingeweiht – oft Schauplatz intensiver und kampfbetonter Spiele. Insbesondere die Auseinandersetzungen mit den benachbarten Vereinen aus Mondorf, Niederkassel, Lülsdorf, Bergheim und Müllekoven waren Höhepunkte einer jeden Saison. „Und mehr als einmal landete nach solchen Spielen ein Schiedsrichter oder ein gegnerischer Spieler in der Laach“, heißt es in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen des Clubs 2016.

So manches Talent erlernte auf der Rhein-Halbinsel das Kicken. Profis wie Patrick Weiser (später 1. FC Köln, Stade Rennes, VfL Wolfsburg) oder Sebastian Schoof (später Bayer Leverkusen) unternahmen bei der Hertha ihre ersten fußballerischen Gehversuche. Und auch der aktuelle Fifa-Schiedsrichter Sascha Stegemann gehörte in seiner Jugendzeit vor seinem Wechsel zum 1. FC Niederkassel dem Rheidter Club an. Viele Aktive denken mit Sicherheit auch gern an die große Zeit der Junioren-Pfingstturniere zurück, die auf dem Werthchen veranstaltet wurden. Das Kräftemessen mit den Nachwuchsteams von Werder Bremen, des FC Schalke 04 oder von Borussia Dortmund zählte stets zu den Highlights eines Fußballjahres.

2008 nahm die Hertha Abschied von der legendären Sportanlage und zog in den hochmodernen Sportpark Süd um, den sie sich seither mit dem TuS Mondorf teilt. Das Werthchen ist inzwischen ein Landschaftsschutzgebiet und dient zahlreichen Spaziergängern zur Naherholung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort