Königswinterin gewinnt bei Leichtathletik-DM Klosterhalfen holt Gold über 1500 Meter
Erfurt · Mission Titelverteidigung geglückt: Konstanze Klosterhalfen aus Königswinter-Bockeroth ist am Sonntag zum zweiten Mal in Folge deutsche Meisterin über 1500 Meter geworden. Die 20-Jährige setzte sich mit großem Vorsprung vor der Konkurrenz durch.
Mal wieder ganz oben auf dem Siegertreppchen: Mit der Goldmedaille für den 1500-Meter-Sieg um den Hals und ihrem jugendlichen Lächeln im Gesicht genoss Konstanze Klosterhalfen den Applaus der 13 600 Zuschauer im Erfurter Steigerwaldstadion. Sie ist gerade mal 20 Jahre alt und bereits zum zweiten Mal in Folge deutsche Meisterin über ihre Lieblingsstrecke - und ein Versprechen auf die Zukunft für die in den Laufdisziplinen nicht gerade erfolgsverwöhnte deutsche Leichtathletik.
Im Siebengebirge wird ihr souveräner Sieg in DM-Rekordzeit von 3:59,58 Minuten am Sonntagabend über viele Bildschirme geflimmert sein. Dort kennt sie inzwischen fast jedes Kind. Die Einwohner von Königswinter-Bockeroth erleben sie als das stets freundliche und fröhliche Mädchen von nebenan. "Viele winken mir zu, wenn ich am Wochenende zu Hause laufen gehe. Dann winke ich zurück", erklärte Klosterhalfen den Medienvertretern, die sich in Erfurt um sie scharten.
Oma ist der größte Fan
In Köln, wo Klosterhalfen die Deutsche Sporthochschule (DSHS) besucht, hat sie eine Studentenbude. In Leverkusen trainiert sie während der Woche beim TSV Bayer 04. Und die Wettkampfreisen nehmen zu. Dennoch zieht es sie bei jeder Gelegenheit zurück in ihr Heimatdorf, auf das sie mächtig stolz ist. Und umgekehrt, was selbstredend auf ihre Großmutter Anneliese besonders zutrifft. "Meine Oma erzählt mir immer alles, was im Dorf los ist - und dass sich alle mit mir freuen", sagt Klosterhalfen, die Geerdete.
In Erfurt war sie völlig eins mit sich und ihrer Welt, der Leichtathletik-Welt. Einer Welt, die ihr inzwischen höchste Beachtung schenkt. Aus gutem Grund, denn in dem Kosmos der messbaren Disziplinen, in dem vor allem Zahlen zählen und sich über die Qualität einer Leistung weniger diskutieren lässt als im Fußball, da hat sie seit Mai Außergewöhnliches vollbracht. 800 Meter unter zwei Minuten, 1500 Meter unter vier Minuten, 5000 Meter unter 15 Minuten - diese Meilensteine muss man immer wieder aufzählen. Denn die hat noch keine Deutsche erreicht. Und weltweit noch keine Frau in diesem zarten Alter.
Klosterhalfen will einfach nur laufen
Die Fachwelt horcht auf. In Europa, ja sogar in Afrikas Laufnationen Kenia und Äthiopien haben sie Notiz genommen von der jungen Deutschen, berichten Bundestrainer. "Ein Jahrhunderttalent" - dieser Begriff machte in Erfurt einmal mehr die Runde unter Experten. "Konstanze Klosterhalfen hat uns in diesem Jahr viel Freude gemacht mit tollen Leistungen zwischen 800 und 5000 Meter", sagte Idriss Gonschinska. Der Leistungssportchef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes wählte bewusst vorsichtige Worte, um das anzudeuten, was die Bayer-Athletin ist: Eine der großen deutschen Hoffnungen für die bevorstehende WM, die EM 2018 in Berlin - und Tokio 2020. Bei den Olympischen Spielen in Japan ist sie erst 23. Zu früh zu viel Druck könnte schaden. Vermeiden aber lässt er sich nicht.
Klosterhalfen zeigt sich bislang unbeeindruckt, will einfach nur laufen wie Lukas Podolski einfach nur Fußball spielen will, kurzum: weiter ihr Ding machen. Unabhängig vom großen Interesse. "Ich habe mich sehr gewundert, dass schon nach dem Vorlauf so viele Journalisten zu mir kamen", sagte sie im Gespräch mit dem General-Anzeiger. Trotz des riesigen Medieninteresses an ihrer Person will sie bleiben wie sie ist. "Wichtig ist, dass sie sich ihre Unbefangenheit bewahrt", findet ihr Vater Bernd.
Laufen ist Leidenschaft
"Koko", wie sie im Verein von allen genannt wird, spricht über das Laufen, das sie so sehr erfüllt und das ihr auf den Leib geschneidert ist, weiterhin als "ein Hobby mit einem großen Stellenwert in meinem Leben". Lässt wissen, dass sie "ab und zu zumindest" auch Querflöte und Klavier übt. "Und zwischendurch gehe ich manchmal auch tanzen und treffe mich natürlich mit Freunden." Was in den nächsten Wochen sicherlich ausfällt. Am Mittwoch reist sie ins polnische Bydgoszcz als Titelfavoritin zur U23-EM. Danach steht die Intensivvorbereitung auf die WM in London (4. bis 13. August) an. "Wahrscheinlich laufe ich dort wieder die 1500 Meter", sagt sie.
Als Elfjährige hatte Klosterhalfen ihre Eltern aufgefordert, sie jede Woche die 35 Kilometer nach Leverkusen ins Training zu fahren. Obwohl gewaltiger Ehrgeiz in der jungen Frau steckt und sie auf dem besten Weg ist, Karriere in den Stadien dieser Welt zu machen, wirkt sie unaufgeregt. "Ich hoffe, dass es so weitergeht. Aber ich laufe immer noch aus Leidenschaft", so Klosterhalfen. Noch probiert sie sich auf vielen Feldern aus. In das Model-Business hat sie reingeschnuppert. Aktuell ist Journalistin Berufswunsch Nummer eins. Kürzlich hat sie eine Schreibwerkstatt im Rahmen ihres DSHS-Studiums absolviert. Ein Job beim Fernsehen, das könnte es sein. Irgendwann. Wer weiß?
Bockerother unter sich
Mit ihrer Popularität steigt das Sponsoreninteresse. Ein gut dotierter Ausrüstervertrag ist unterschriftsreif, ein Getränkekonzern signalisiert Interesse. "Davon will ich am liebsten gar nichts wissen", sagt sie. Und ist dankbar, dass ein ausgewiesener Marketing-Fachmann sie in diesen Fragen berät: Oliver Mintzlaff, Vorstandsvorsitzender des Fußball-Bundesligisten RB Leipzig. Wie das kommt? Mintzlaff war ein sehr guter Langstreckenläufer. Und stammt - welch glücklicher Zufall - ebenfalls aus Bockeroth.
Klosterhalfen konzentriert sich weiterhin auf den Sport. "Ich denke Schritt für Schritt", sagt sie: "Die DM ist abgehakt, jetzt kommt die U23-EM. Danach gehen wir nochmal ins Training. Und dann konzentriere ich mich auf die WM." Sie macht einfach ihr Ding, das war ihr schon eine Stunde vor dem 1500-Meter-Vorlauf in Erfurt anzusehen, als sie ihr Aufwärmprogramm begann: Die Stoppuhr in der Hand, nochmal freundlich winkend, aber dann den Blick konzentriert nach vorne gerichtet, in sich gekehrt. Im Tunnel.