Leichtathletik-WM Konstanze Klosterhalfen blickt nach der WM positiv in die Zukunft

LONDON · Konstanze Klosterhalfens Mut zur Tempoverschärfung im 1500-Meter-Halbfinale wird nicht belohnt. Sie zieht dennoch ein positives WM-Fazit.

Es war kein erzwungenes Lächeln, das Konstanze Klosterhalfen nur wenige Minuten nach ihrem Ausscheiden bei der Leichtathletik-WM auf den Lippen trug. Trotz des verpassten Finales hielt sich die Enttäuschung der deutschen 1500-Meter-Meisterin in Grenzen. „Schade, dass ich nicht im Endlauf bin“, sagte die 20-Jährige aus Königswinter-Bockeroth, um einen Atemzug später eine positive Bilanz zu ziehen: „Ich habe weitere wichtige Erfahrungen gesammelt. Dieses Halbfinale ist für mich ein Schritt nach vorne.“

Abstand vom Geschehen des Vorabends gewann Deutschlands große Laufhoffnung für die Olympischen Spiele 2020 am Sonntag als Zuschauerin beim Marathon. Klosterhalfen feuerte Katharina Heinig und Fate Geleto an der Strecke durch die City von London an. Ihr Trainer Sebastian Weiß reichte den beiden deutschen Teilnehmerinnen an den Verpflegungspunkten Wasser. „Wir sind ein Team, da versteht sich das von selbst“, sagte Weiß. Die Ablenkung tat gut, denn zu analysieren gibt es einiges.

Geplantes Überraschungsmoment

Klosterhalfen hatte am Vorabend versucht, die Konkurrenz mit einer Überrumpelungstaktik zu schocken. „Weil Spurtentscheidungen nicht Konstanzes Lieblingsrennen sind“, erklärte der Trainer. Nach 700 Metern, also zwei Runden vor Schluss, überraschte seine für den TSV Bayer 04 Leverkusen startende Musterschülerin durch eine atemberaubende Tempoverschärfung und enteilte dem Feld zeitweise um 20 Meter. 200 Meter vor dem Ziel aber wurde sie eingeholt, auf den letzten 20 Metern gar bis auf Platz acht durchgereicht. Ihr Mut war nicht belohnt worden, die Zeit (4:06,58 Minuten) spielte keine Rolle mehr.

„Der Plan war, ein Überraschungsmoment zu setzen“, erklärte die U23-Europameisterin. Und ergänzte selbstkritisch: „Vielleicht habe ich doch ein wenig zu stark beschleunigt.“ In der Analyse tags darauf untermauerte Weiß diese Einschätzung: „Sie muss noch stärker das Gefühl entwickeln, wie hart sie antritt.“ Die Folge ihres couragierten Zwischenspurts, den 65 000 Zuschauer im Olympiastadion von 2012 und Millionen weltweit an den Fernsehbildschirmen staunend verfolgten: Ein Kräfteeinbruch auf den letzten 300 Metern. Für die stoppte Trainer Weiß 51 Sekunden, in Bydgoszcz beim Gewinn ihres EM-Titels hatte sie 48 gebraucht. Das sind drei Sekunden Unterschied. Zum Finaleinzug in London fehlten gerade mal 83 Hundertstel.

Das Fachmedium „laufen.de“ konstatierte auf Facebook: „Das war ein taktischer Fehler, der dich die Finalteilnahme gekostet hat.“ Was Athletin und Trainer anders einschätzen. „Man kann im Nachhinein immer sagen, die Tempoverschärfung kam 100 Meter zu früh“, sagte Weiß. „Ich bin froh, dass sie attackiert hat und nicht rumgedaddelt wie in Rio.“ Und Klosterhalfen? „Ich bin zufrieden, weil ich alles gegeben habe.“ Anders als für die spurtstarke Schorndorferin Hanna Klein (4:04,45), die im anderen Halbfinallauf als Fünfte überraschend den Endlauf buchte, seien für sie „auf den letzten 800 Metern die Chancen sicher größer als auf den letzten 100 Metern gegen alle“.

Enttäuschung und der Blick nach vorne

„Ob es die mentale Kraft war, die hinten heraus gefehlt hat, müssen wir noch analysieren“, sagte Weiß. Denkbar auch, dass Klosterhalfen der für sie an Höhepunkten bereits reichen Saison Tribut zollte. Deutliche Steigerungen über alle Strecken von 800 bis 5000 Meter sowie die Titel bei DM und U23-EM stehen zu Buche. Der zarte Körper des Laufflohs aus dem Siebengebirge hat 2017 schon so viel geleistet, dass er irgendwann an seine Grenzen stoßen musste. Zum Abschluss noch ein 1500-Meter-Rennen beim Istaf in Berlin (27. August), dann ist die Saison vorbei.

Klosterhalfen wirkte irgendwie sogar erleichtert. Befreit von dem Druck, der von ihr als „eher von außen zurechtgelegt“ empfunden worden war. So plötzlich, wie der sich durch ihre überragenden Leistungen in dieser Saison aufgebaut hatte, war er nach dem Londoner Halbfinale wieder weg. „Ich habe nie gesagt, dass ich das Finale erreichen muss. Ich habe immer gesagt: wir müssen von Runde zu Runde schauen“, erklärte sie: „Das ist hier einfach ein anderer Wettbewerb, alle sind superstark auf einem ähnlichen Niveau.“

Ein bisschen enttäuscht sei sie. Aber von Stagnation seit Rio, wo sie bei Olympia ebenfalls im Halbfinale ausgeschieden war, könne keine Rede sein. „Jetzt bin ich halt etwas gestorben, hatte es aber mehr in der Hand als noch bei Olympia. Deshalb hat es sich besser angefühlt als dort.“ Ihr Fazit: „Ich weiß jetzt, dass ich vorne mitlaufen kann – auch wenn es hier in London noch nicht gereicht hat.“ Ihre Stimme klingt fest bei diesem Satz. Die 20-Jährige ist spürbar gereift seit den Spielen von 2016. Sie ist kein Sternchen mehr, sondern angekommen im Kreis der Weltbesten. „Es fühlt sich gut an, dass die mich jetzt kennen“, sagt sie. Die Zukunft hat begonnen.

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