American Football Laufende Zielscheibe
BONN · American Football ist ein harter, aber vielseitiger Sport. Ein Selbstversuch bei den Gamecocks: Der Ball ist rund. Von wegen. Schon die Form des Spielgeräts beim American Football, fachmännisch als verlängerter Rotationsellipsoid, umgangssprachlich als Ei bezeichnet, sorgt bei der für mich noch ungewohnten Handhabung für ungeahnte Schwierigkeiten.
Erste Wurf- und Fangversuche, elementare Grundfertigkeiten der wohl amerikanischsten aller Ballsportarten, scheinen mich als Grobmotoriker zu entlarven. Aber Robert Mager, Chefcoach des Football-Zweitligisten Bonn Gamecocks, bei dessen Training ich meine ersten Football-Gehversuche wage, beruhigt mich. "Das geht den meisten Anfängern so. Nach ein paar Versuchen wird es gehen."
Zuspruch, den ich bitter nötig habe. Denn in Ermangelung geeigneter Teamkleidung drückt mir Mager eine lilafarbene Hose in die Hand. Für mich ist die Vollkontaktsportart American Football schon respekteinflößend genug. Jetzt laufe ich auch noch mit einer Hose des Lokalrivalen Troisdorf Jets herum. Mir ist mulmig, während die Blicke meiner inzwischen mit Schulter-Panzer und Helm ausgerüsteten Trainingspartner auf mein Beinkleid gerichtet sind. Klar, dass da der Flachs blüht. "Die Hose gibt ein gutes Ziel ab", höre ich aus der Menge.
Meine Sorgen, gleich heftig getackelt zu werden, sind allerdings unbegründet. "Journalisten genießen Artenschutz", klärt mich Mager auf. Mit Rookies, die erstmals bei den Gamecocks trainieren, ist das nicht immer so. Da gibt's schon mal was auf den Helm. Dennoch wird American Football hierzulande immer beliebter. Grund dafür sei die Vielseitigkeit dieses Sports, sagen die Footballer. Ob klein oder groß, dick oder dünn, muskulös oder schmächtig, diese körperbetonte Mannschaftssportart bietet jedem die Möglichkeit, sich ins Team einzubringen und zum Erfolg beizutragen.
Die explosive Verbindung von Strategie und Fitness, Disziplin und Teamgeist, Technik und Spaß, machten Football so einzigartig unter den Sportarten. Rasenschach, im Fußball eher eine abschätzige Titulierung, trifft den Kern der in Amerika derzeit beliebtesten Sportart. In der NFL, der nordamerikanischen Profiliga, bleibt nichts dem Zufall überlassen. Die Spielzüge sind in einem Playbook zusammengefasst. Vor jedem Lauf- oder Passspiel sagt der Quarterback, der Spielmacher, den jeweiligen Spielzug an. Allerdings muss der wichtigste Spieler beim Football genauso so in der Lage sein, zu improvisieren.
Nur vier Versuche haben die elf Angreifer gegen elf Verteidiger zur Verfügung, um mindestens zehn Yards auf dem knapp 110 Meter langen Spielfeld zu überwinden und das Angriffsrecht zu behalten. Mit einem neuen ersten Versuch (first down) startet der nächste Spielzug. Das Ziel ist die Endzone. Wird der Ball dort gefangen oder hineingetragen heißt das Touchdown. Die sechs Punkte lassen sich mit einem Extrakick durch die Torstangen auf sieben aufstocken. Ein Fieldgoal bringt drei Zähler. Oberstes Gebot ist Disziplin und Teamplay. Bei Strafen erwischt es nicht den Einzelnen, sondern die gesamte Mannschaft.
In Deutschland wird American Football immer populärer. Der AFVD, der American Football Verband Deutschland, verzeichnet als einer der wenigen Sportverbände im Deutschen Olympischen Sportbund Zuwachsraten. Anfang 2013 waren knapp 46 000 Mitglieder im AFVD registriert. Bei den Gamecocks, die, 1988 gegründet, in der German Football League II in dieser Saison derzeit als Tabellenvierter eine respektable Rolle spielen, zählen die Funktionäre rund 400 aktive Mitglieder - Tendenz ebenfalls steigend. Rund 500 Zuschauer verfolgen in der Regel die Spiele der Gamecocks im Stadion Pennenfeld. Die Übertragungen der NFL-Spiele, inklusive des Super Bowls, das als wichtigstes TV-Event der USA und als weltweit populärste jährliche Sportveranstaltung gilt, erreichen hierzulande vorwiegend junges Publikum, zu dem ich definitiv nicht mehr zähle.
War Borussia Dortmunds einstiger Stürmerstar Manni Burgsmüller (213 Tore in der Bundesliga) 2002 als Kicker für Düsseldorf Rheinfire in der NFL Europe noch als 52-jähriger aktiv und damit ältester Football-Profi der Welt, scheint der Zug American Football für mich abgefahren. Spaß macht der Selbstversuch trotzdem. Mager, der als Austausch-Schüler in den USA mit dem Football-Virus infiziert wurde, bittet mich zur Passübung. Kurzer Sprint, dann Richtung Ball drehen. Nach anfänglichen Fehlversuchen packe ich endlich zu. Das Ei ist gefangen. Anerkennender Applaus der Gamecocks-Mannschaft. Fast gelingt mir sogar ein Catch nach einem 50-Yard-Pass gegen einen mitlaufenden Cornerback. "Fahr doch mit nach Rostock", rufen einige Spieler. Dort absolvieren die ersatzgeschwächten Gamecocks das nächste Punktspiel.
Ich werde übermütig. Beim sogenannten Persuade-Drill steht mit die gesamte Defense gegenüber. Ich habe den Ball. Auf Kommando renne ich los, versuche den Angreifern auszuweichen. Meine Gegenüber sind lammfromm, klopfen mir bei meinem Slalomlauf auf die Schulterpolster, statt mich von den Beinen zu holen. In Natura ist American Football ganz schön schwierig. Vor allem, weil der Ball nicht rund ist.
Vereinsinfo
Verein: Bonn Gamecocks
Ansprechpartner: Robert Mager (Headcoach, 0170-5418784), Nils Wöhler (Geschäftsführer, 0179-4704840).
Aktive: rund 400
Trainingszeiten: findet man unter www.gamecocks.de
Ab: neun Jahren
Besonderheiten: bilinguales Training (wie bei den Baseballern der Bonn Capitals)