Boxprofi aus Niederkassel Mit Ruhe und Respekt zum Europameistertitel

Niederkassel · Der 19-Jährige Leondrit Gashi hat sich an der Seite von Trainer Stefan Krengel zum WBU-Europameister geboxt. Der Erfolg ist auch dem innigen Verhältnis zu verdanken. Dabei war der Coach vor der Zusammenarbeit skeptisch.

„Wir haben noch nie länger als 48 Stunden nicht miteinander gesprochen.“ Trainer und Inhaber Stefan Krengel (links) vom Boxclub Niederkassel und Profiboxer Leondrit Gashi pflegen ein inniges Verhältnis.

„Wir haben noch nie länger als 48 Stunden nicht miteinander gesprochen.“ Trainer und Inhaber Stefan Krengel (links) vom Boxclub Niederkassel und Profiboxer Leondrit Gashi pflegen ein inniges Verhältnis.

Foto: Wolfgang Henry

Große Reden oder provokante Kampfansagen, wie im Boxsport vielerorts üblich, sucht man bei Leondrit Gashi vergebens. Der 19-jährige Boxeuropameister aus Niederkasssel fällt nicht durch seine Worte auf, lässt lieber im Ring seine Taten sprechen. „Für mich ist es wichtig, dass ich nicht arrogant rüberkomme. Ich will als bodenständiger Typ wahrgenommen werden, mit dem jeder reden kann“, sagt der Profikämpfer mit der makellosen Ringbilanz von neun Siegen (fünf durch K.O.) in neun Kämpfen.

Als Gashi sich Ende September zum WBU-Europameister im Supermittelgewicht (bis 76kg) krönte, war er schier überfordert von der Resonanz, die auf seine Person zukam. „Es war schon ein komisches Gefühl, wenn Leute dich nach Autogrammen fragen. Aber es war auch schön, wenn Kinder zu dir kommen und dich als ihr Vorbild sehen.“ Nun gleich zwei Gürtel zu tragen, sei ein „überragendes Gefühl, für das ich drei Monate wie ein Irrer trainiert habe“. In der Vitrine im Boxclub Niederkassel hängt neben der Auszeichnung für die Internationale Deutsche Meisterschaft seitdem auch der aparte Gürtel für den Europameistertitel der World Boxing Union.

Natürlich freue er sich über den Erfolg und die Bekanntheit, die damit einhergeht. „Aber das Hauptziel ist, stärker zu sein, als man früher war. Ich will allen zeigen, was wir uns vorgenommen haben.“ Dass Gashi von einem „Wir“ spricht, hat einen klaren Grund. Denn die Geschichte des jungen Mannes albanischer Wurzeln ist auch eine über tiefe Verbundenheit: Die zwischen ihm und seinem Trainer Stefan Krengel.

Immer respektvoll, immer dankbar

„Es ist eine Art von Liebe. Er ist immer respektvoll, immer dankbar und nie eingeschnappt, wenn er mal Gegenwind bekommt“, erzählt der 52-Jährige. Nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das von Krengels Frau, Gashis Co-Trainerin, ist auf den 19-Jährigen Lülsdorfer abgestimmt. „Mit 14 stand Leondrit mit seinen Eltern in meinem Büro. In gebrochenem Deutsch sagten sie, dass er hier boxen will, NRW-Meister ist und Profi werden möchte“, erinnert sich Krengel.

NRW-Meister seien sie alle in dem Alter, entgegnete der Trainer damals. Auch mit dem Profitum wollte er nichts mehr zu tun haben. Auf Bitten seiner Frau, die das ruhige und liebevolle Gemüt des Teenagers früh erkannte, gab er dem jungen Boxer eine Chance. Wie ein Sohn sei dieser nun für ihn. „Du hast ein gottgegebenes Talent“, sagt Krengel und blickt dabei stolz auf seinen Schützling. „Wenn ich sehe, dass jemand sein Talent vergeuden würde – was er nicht tut – dann würde ich auch nicht mehr mit ihm arbeiten wollen.“

Posieren mit dem Europameistergürtel der World Boxing Union.

Posieren mit dem Europameistergürtel der World Boxing Union.

Foto: Wolfgang Henry

Leichtsinnig mit seinen Fähigkeiten geht der 19-Jährige gewiss nicht um. Wenn Gashi in einen Club geht, ist damit ausschließlich die Boxhalle gemeint. Angestoßen wird, wenn überhaupt, nur zum Geburtstag. „Ich gehe mit meinen Freunden oft raus, spazieren an den Rhein oder zu jemandem nach Hause. Aber wenn ich unterwegs bin, passiert eigentlich nichts“, erzählt der ruhige Athlet. Neben dem Sport arbeitet er in Teilzeit bei einem Folierer, ist außerdem Boxtrainer im Verein und könnte sich nach der aktiven Karriere vorstellen, wie sein Trainer, Jugendlichen von der Straße „etwas zu geben, woran sie sich festhalten können“.

„Nach dem Erfolg kommt der Müßiggang“

Das Einzige, was Krengel seinem Protegé vorzuwerfen hat, bezieht sich dagegen auf die Zeit, nachdem der letzte Gong verhallt ist. „Nach dem Erfolg kommt der Müßiggang“, weiß der Coach. „Das hat er noch nicht ganz verinnerlicht und da wartet er manchmal drauf, dass ich ihn aus dem Loch wieder raushole.“ Nach dem hart erkämpften Erfolg, gesteht der junge Boxer, wisse er manchmal nicht mehr, wofür er aufstehe. „Aber dann kommt mein Trainer, wird auch mal laut, denn das brauche ich in dem Moment. Das pusht mich wieder hoch.“

Auch angesprochen auf seinen Kampfstil blickt Gashi ratsuchend zu seinem Mentor. Im Training haue er alles kurz und klein, sagt Krengel. Gashi müsse deshalb mit Boxern aus anderen Vereinen trainieren, um Paroli geboten zu bekommen und aus den Abreibungen Lehren zu ziehen. „Diese Schlagkraft bekommt er noch nicht ganz in den Ring. Eher die Vielzahl der Schläge macht den Gegner mürbe. Er ist schnell und präzise, aber noch keiner, der mit einem Schlag den Gegner komplett umhaut“, erklärt der Coach.

Denn bei einem Schlag auf die Bretter muss von den Zehenspitzen bis zu den Fingerkuppen alles stimmen, der komplette Körper unter Hochspannung agieren. „Vielleicht kommen wir da auch nie hin“, sagt Krengel, „aber wenn er andere Methoden hat, geht das natürlich auch.“ Am besten im Sommer nächsten Jahres, wenn es um Gashis großen Traum geht: den Weltmeistergürtel.