Stadtsportbund in Bonn Michael Scharf zieht Bilanz zu seiner Amtszeit
Bonn · Nach sechs Jahren an der Spitze des Stadtsportbundes hört Michael Scharf auf. Im Bilanz-Interview spricht er über die Anfänge, Sportstättennutzungsgebühr, Fake News, das Projekt Wasserland – und seine Nachfolgerin.
Der Termin fürs Interview ist vage: „Zwischen 16.30 und 17 Uhr“, hat Michael Scharf gesagt, „je nach Verkehr.“ Der Spitzenfunktionär verbringt viel Zeit auf der Autobahn, seit er im September die neu geschaffene Position als Direktor Leistungssport beim Landessportbund NRW in Duisburg übernommen hat. Das ist ein Grund, warum er am Mittwoch den Vorsitz des Bonner Stadtsportbundes (SSB) abgegeben hat. Ein anderer ist das entspannte Wissen, dass der SSB bei seinem bewährten Team und der neuen Vorsitzenden Ute Pilger in guten Händen ist. Mit Scharf sprachen Tanja Schneider, Matthias Kirch und Rüdiger Franz.
Herr Scharf, Abschied ist auch Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Wie fällt Ihre nach sechs Jahren als Vorsitzender des Stadtsportbundes aus?
Michael Scharf: Eigentlich sind es ja acht Jahre. Wir haben uns an einem kalten Dezembertag 2011 erstmals getroffen. Damals war den Vereinen gerade von der Stadt mitgeteilt worden, dass es gar keine Sportförderung geben würde. Deshalb haben wir erkannt: Wenn wir jetzt nichts unternehmen, geht gar nichts mehr. Das war die Geburtsstunde von Pro Sportstadt Bonn. Nach zwei Jahren haben wir dann gesagt, dass wir in die offizielle Verantwortung eines Stadtsportbundes müssen. Das war 2013.
In der Öffentlichkeit nimmt man den Stadtsportbund oft eher als Verteidigungsbündnis wahr…
Scharf: Ach, da müssen Sie mal die Freunde der Oper und der Hochkultur fragen. Wir haben hier stets eindringlich auf die ungleiche Verteilung von öffentlichen Geldern verwiesen. Wir waren hier schon sehr stark in der Offensivbewegung, denken Sie beispielsweise an unsere große Demonstration.
Sind Sie in letzter Zeit etwas ruhiger geworden, oder täuscht der Eindruck?
Scharf: Wir sind tatsächlich ruhiger geworden, weil wir als Sport nicht ständig immer mehr fordern wollen. Wir haben eine auskömmliche Finanzierung über den Sportvertrag und eine Sportförderung bekommen, zudem sind die Fußballplätze saniert worden. Es ist uns aber auch klar, dass die Sanierung von Schulen und die Verkehrsinfrastruktur Vorrang haben.
Ein wichtiges Thema aus Sicht des Sports war der angestrebte Bau des Wasserlandbads…
Scharf: Da haben wir eine große Niederlage erlitten.
War der Stadtsportbund da im Vorfeld zu zurückhaltend?
Scharf: Nein, beide Entscheidungen waren knapp. Wir haben sicher darunter gelitten, dass viele Fake News verbreitet worden sind.
Fake News? Haben Sie ein Beispiel?
Scharf: Es war ein sehr emotional geführter Lagerkampf. Den Beuelern ist gesagt worden, dass ihr Schwimmbad geschlossen würde, wenn das Wasserlandbad gebaut wird. Viele haben das bis zuletzt geglaubt. Insgesamt schmerzt die Niederlage sehr, weil die Prognosen zeigen, dass wir im Bäderbereich in Bonn nichts hinkriegen. Und egal, was kommt: Vielleicht gibt es das nächste Bürgerbegehren dagegen.
Das klingt frustriert…
Scharf: Über die Bäder-Thematik bin ich frustriert, ja. Ich habe lange Leistungssport bei den SSF gemacht und war dann lange geschäftsführender Vorsitzender des Vereins. Auch daher weiß ich, wie schwierig das Thema ist. Für mich war das Konzept mit dem Wasserlandbad, der Sanierung der Beueler Bütt und des Hardtbergbades vernünftig. Wir hätten ein ganz großes Bad mit großen Flächen für alle Bereiche gehabt und in den gegenüberliegenden Stadtteilen noch zwei weitere Bäder. Außerdem die Freibäder, die man auf dem aktuellen Stand hätte erhalten können. Vieles hätte dafür gesprochen. Aber in den nächsten Jahren sehe ich keine Lösung. Allein die Sanierung des Hardtbergbades wird hier die Spielräume verengen. Deshalb bin ich frustriert.
Aber da war auch viel Positives. Sind Sie auch auf etwas stolz – wenn Sie mit dem Wort etwas anfangen können?
Scharf: Ja. Unsere klare und unmissverständliche Position zum Thema Sportstättennutzungsgebühren. Das ist sicher auch ein großer Erfolg unserer Amtszeit, dass das Thema in Bonn im positiven Sinn geregelt ist und nicht wie in anderen Städten zu zusätzlichen Belastungen der Vereine führt. Außerdem bin ich zufrieden, dass wir einen Sportvertrag erreicht haben, durch den der Sport feste Zuschüsse erhält. Wir haben die Sportentwicklungsplanung lange gefordert, bis sie dann endlich gekommen ist. Auch bei der Kultur haben wir dazu beigetragen, ein neues Denken zu bewirken. Dass sich das Beethovenorchester in eine Veranstaltung im Telekom Dome integriert – wer hätte das vor acht Jahren für möglich gehalten?
Sie haben gerade den Sportentwicklungsplan angesprochen. Was sind die Eckpunkte?
Scharf: Ich beschreibe das mal als Dreiklang: Punkt eins ist die entsprechende Infrastruktur bei Sportstätten, um den Leuten etwas bieten zu können. Der Oberbürgermeister hat ja selbst gesagt, dass es da schlecht aussieht. Und jeder, der in einer städtischen Halle steht, sieht das. Punkt zwei ist, dass sich die Vereine selbst auf veränderte Bedürfnisse einstellen und professionalisieren müssen. Punkt drei sind Bewegungsräume in der Stadt für Menschen, die bis jetzt noch keinen großen Sportbezug haben. In diesem Punkt sind wir mit unserer Aktion „Sport im Park“ Vorreiter in NRW. Unsere große Bitte an die Politik ist nun, diese Punkte auch wirklich umzusetzen.
Zumindest haben fast alle Fußballplätze inzwischen einen Kunstrasenbelag.
Scharf: Dass wir das flächendeckend geschafft haben, ist wirklich ein Erfolg. Das Thema war lange hart umkämpft. Ein weinendes Auge bleibt, weil die städtischen Verantwortlichen diese Plätze nicht richtig pflegen. Deshalb hat die erste Generation der Plätze nach acht Jahren deutliche Verschleißerscheinungen, während wir eigentlich mit 15 Jahren Lebensdauer gerechnet haben. Unsere Vereine waren immer bereit, sich beim Betrieb der Plätze zu engagieren. Die Stadt ist darauf nicht eingegangen. Und ein Sportstättenkataster, wie wir es seit Jahren fordern, gibt es immer noch nicht.
Wie hoch schätzen Sie den Sanierungsstau bei den Hallen ein?
Scharf: Ich bin da ganz defensiv und sage 500 Millionen Euro. Wir haben 100 größere Sportstätten, von denen mindestens die Hälfte – eher zwei Drittel – sanierungsbedürftig sind.
Dennoch definiert sich Bonn als Sportstadt. Stimmen Sie dem zu?
Scharf: Nein. Für mich ist das nicht richtig, weil noch immer ein Gesamtkonzept fehlt. Ich habe mich vergangenes Jahr gefreut, als die Deutschland-Tour in Bonn war. Medial war die ein Glücksfall für Bonn. Aber es gibt kein Konzept für Veranstaltungen hier. Man müsste sich mal fragen, welche Veranstaltungen zur Stadt passen. Im Moment aber ist Bonn für mich nur eine sportorientierte Stadt.
Wie stellen Sie sich den Bonner Sport im Jahr 2030 vor?
Scharf: Ich wünsche mir sehr, dass wir auch dann einen Basketball-Bundesligisten haben. Das wird sehr stark davon abhängen, ob der Sponsor nach wie vor starkes Standort-Sponsoring macht. Ich kann mir auch vorstellen, dass der Bonner SC mit einem sanierten Sportpark Nord eine Heimspielstätte hat, um im Optimalfall in der 3. Liga zu spielen. Bei beiden Clubs hoffe ich auch auf einen klaren Lokalbezug der Spieler. Außerdem wünsche ich mir, dass wir unsere Hallen zukunftstauglich gemacht haben. Aber ich rechne auch mit etwas Negativem: Ich bin mir sicher, dass wir die Schwimmbad-Diskussion dann immer noch nicht beendet haben.
Jetzt übergeben Sie den Vorsitz des Stadtsportbundes an Ute Pilger. Wie ist ihre Gefühlslage dabei?
Scharf: Ich bin da tiefenentspannt. Etwas ähnliches habe ich bei den SSF ja schon mal erlebt. Erleichtert bin ich darüber, dass der restliche Vorstand unverändert weitermacht. Und als unser Geschäftsführer Bernd Seibert auf mich zugekommen ist und Ute Pilger als meine Nachfolgerin vorgeschlagen hat, habe ich gesagt: „Das finde ich super“.
Wie würden Sie Ute Pilger beschreiben?
Scharf: Ute war 400-Meter-Lagen-Schwimmerin, das gehört zu den härtesten Strecken überhaupt. Sie war also eine sehr fleißige Sportlerin, und das ist sie als Mensch immer geblieben.
Eine Frau mit Ausdauer…
Scharf: Absolut. Totale Ausdauer, totale Hingabe für den Sport. Das sind schon einmal zwei gute Voraussetzungen. Als Vorsitzende des Stadtschwimmverbandes ist sie in alle Richtungen politisch sehr gut vernetzt. Das ist sehr wichtig. Und sie ist eine absolute Teamworkerin. Deshalb bin ich überzeugt: Das kann nur gut werden.