Mitten in der Wüste steht eine Kneipe

Am Sonntag startet auch ein Königswinterer in Santiago de Chile zu seinem großen Abenteuer auf dem Inkatrail - Bonner Archäologie-Professor begleitet die Läufer auf einem Teil ihres Weges durch Südamerika

Soweit die Füße tragen:  Bereits am Montag geht es für die Inkastaffel durch die Atacama-Wüste.

Soweit die Füße tragen: Bereits am Montag geht es für die Inkastaffel durch die Atacama-Wüste.

Foto: ARTE

Königswinter. Für die Teilnehmer ist ihre Expedition fast so spannend wie die erste Mondlandung. Auch die Inkastaffel betritt Neuland, auch wenn nicht die ganze Welt deshalb nach Südamerika blicken wird. In den nächsten vier Wochen werden die sieben Läufer 4 000 Kilometer auf historischen Wegen durch Chile, Bolivien, Peru und Ecuador zurücklegen.

Mit dem Abflug am Donnerstagabend in Frankfurt beginnt das Abenteuer für Hermann Ulrich aus Heisterbacherrott und seine sechs Mitstreiter Marc und Carsten von Kuk (beide Bergisch Gladbach), Sven Schultz (Heiligenhaus), Frank Hülsemann (Köln), Birgit Bartels (Freiburg) und den Mediziner Markus de Marées (Wuppertal), der seine Laufkollegen - wenn notwendig - ärztlich versorgen wird. Der "Startschuss" fällt am Sonntag in Santiago de Chile. Am 2. April will die Staffel die ecuadorianische Hauptstadt Quito erreichen.

Die Inkastaffel besteht aus sieben Läufern, die in der Regel Strecken zwischen zehn und 30 Kilometer am Stück bewältigen müssen. Die längsten Abschnitte sind dabei allerdings bedeutend anspruchsvoller: Bereits am zweiten Tag, für Hermann Ulrich der "Königstag", geht es durch die Atacama-Wüste, die trockenste Region der Erde, in der die Temperaturspanne zurzeit von minus 20 Grad in den Nächten bis zu 30 Grad am Tag reicht und 4 000 Meter hohe Pässe zu überwinden sind. "Da ist noch kein Mensch durchgelaufen", so der 37-jährige Stadtplaner.

Aus organisatorischen Gründen muss die Ödnis in nur drei Etappen von 55, 60 und 95 Kilometern Länge und ohne Autobegleitung durchquert werden. Dabei wird ein Läufer jeweils von einem Radfahrer begleitet, der Verpflegung, Zelt und Schlafsäcke für ein paar Ruhestunden in der eiskalten Nacht als Gepäck mitführt.

Da könnte es einem schon mulmig werden, wenn man nicht einen so erfahrenen Läufer wie den Kölner Frank Hülsemann an Bord hätte. Der Chemiker wird auch die "Mörderetappe" über 95 km laufen. Er hatte auch die Idee zu dem Projekt, nachdem er bereits am Totem-Shano, einem 4 500 km langen Lauf auf prähistorischen Spuren durch Sibirien und die Mongolei, und dem Silkroad, einer Mountainbike-Tour über 12 800 km auf versunkenen Karawanenwegen durch Asien, teilgenommen hatte.

Einen weiteren "Höhepunkt" im Wortsinn verspricht die 3 500 m hoch gelegene Altiplano-Ebene in Bolivien mit dem Salar de Uyuni, dem größten Salzsee Südamerikas. Für eine Fata Morgana würden die Läufer wohl die einsame Kneipe halten, die sich mitten auf dem See befindet, wenn sie nicht bereits von ihrer Existenz wüssten.

Ab der bolivianischen Hauptstadt La Paz wird die Staffel von dem peruanischen Archäologen Ricardo Espinosa Reyes begleitet. Der Professor für Alt-Amerikanistik an der Uni Bonn gilt als absoluter Inkatrail-Experte und setzt sich dafür ein, dass die historischen Straßen in das Weltkulturerbe der Unesco aufgenommen werden.

"Der Professor ist bereits rund 3 000 bis 4 000 Kilometer der Inkastraßen abgegangen und hat uns bei der Streckenplanung sehr geholfen. Unsere Kartenrecherche vorher war zum Heulen", sagt Hermann Ulrich. Statt einen Teil der Strecke an der Pazifikküste zu laufen, bleibt die Staffel nun auf den Spuren der Inkas in den Anden, wo sie bis zu 4 500 m hohe Pässe zu überwinden hat. Dabei orientieren sich die Läufer mit Karte, Kompass und GPS.

Die einzige Verbindung zur Heimat wird auf dem größten Teil der Strecke ein Satellitentelefon herstellen. Das verdanken die Staffelteilnehmer einer Kölner Produktionsfirma, die den Lauf begleiten und eine 45-minütige Dokumentation für ARTE und den WDR drehen wird. Organisatorische Unterstützung erhalten die Läufer auch von den deutschen Botschaften in Lima, La Paz und Quito, die sie auch empfangen werden.

Wer nicht gerade läuft, muss das Begleitfahrzeug steuern, sich um den Aufbau der Nachtlager und um die Mahlzeiten kümmern. "Wir haben unsere ursprünglichen Pläne, mit zehn Athleten und mehreren Begleitpersonen Tag und Nacht zu laufen, ändern müssen, weil sich das Team auf sieben Läufer reduziert hat", sagt Hülsemann.

Der Testlauf im November, als acht Läufer in 72 Stunden 800 Kilometer entlang des Limes von Regensburg bis nach Bad Hönningen rannten, zeigte, dass ein Nonstop-Lauf über einen Zeitraum von vier Wochen nicht durchzustehen ist. Deshalb wollen sich die Läufer eine Nachtruhe von vier bis fünf Stunden gönnen. Sollte es am Ende auf dem Weg nach Quito allerdings eng werden, ist sich Hermann Ulrich nach den bisherigen Treffen mit seinen Mitstreitern einer Sache ziemlich sicher. "Wenn wir den Zeitplan nicht einhalten, wird durchgelaufen."

Das Projekt "Inkatrail" ist von seiner Idee und Konzeption her als eine Kombination von Kultur, Geschichte und Sport einzigartig: Gelaufen wird - soweit noch vorhanden - auf den Wegen und Straßen, die die Berufsläufer der Inka vor 500 Jahren nutzten, um wichtige Nachrichten quer durch das südamerikanische Reich zu befördern.

Dabei stand ihnen ein Wegenetz von fast 40 000 Kilometern Länge zur Verfügung. Alle drei Kilometer befanden sich kleine Hütten oder Unterstände, in denen sich die Kuriere, die "chasqui" (Läufer) genannt wurden, aufhielten und auf den nächsten Auftrag warteten. Die Post von "Quito" in die 2 000 Kilometer entfernte Hauptstadt Cuzco in den Anden brauchte nur fünf Tage.

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