Neue Hoffnung für Wladimir Kramnik

Herausforderer feiert bei Schach-WM in Bonn gegen Titelverteidiger Viswanathan Anand seinen ersten Sieg

Neue Hoffnung für Wladimir Kramnik
Foto: Horst Müller

Bonn. Weltmeister Viswanathan Anand hat bei der Schach-WM in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle auch seinen zweiten Matchball vergeben. Dennoch bleibt der indische Titelverteidiger auch nach der zehnten Partie, die sein Herausforderer Wladimir Kramnik am Montag nach 29 Zügen unter der Rubrik "Gewonnen" abhaken durfte, haushoher Favorit auf den Gewinn der Schach-Krone.

Schließlich führt der 38-Jährige immer noch komfortabel mit 6,0:4:0 Zählern und benötigt in den letzten beiden der zwölf Partien nur noch ein Remis zum Gesamtsieg. Weltmeister ist, wer zuerst 6,5 Punkte auf seinem Konto hat. Ein weiterer Vorteil, der für Anand spricht: Kramnik hat zwar nun bereits sieben Mal bei Aufeinandertreffen der beiden besten Schachspieler gegen den Inder gewonnen - aber in allen Gewinnpartien führte er wie am Montag die weißen Steine.

Genau die hat in der 11. Partie, die nach einem Ruhetag am Mittwoch (15 Uhr) ausgetragen wird, der in der Schach-Szene nur "Vishi" genannte Anand. Dementsprechend vorsichtig beurteilte der 33-jährige Russe seine Chancen, als er gefragt wurde, ob dieser Sieg sein Comeback bei dieser Weltmeisterschaft einläuten würde. "Ich bin erst einmal froh, überhaupt eine Partie gewonnen zu haben. Über meine Chancen im Gesamtergebnis denke ich besser gar nicht erst nach. Die liegen sicher deutlich unter 50 Prozent", lächelte Kramnik bei der obligatorischen Pressekonferenz im Analysesaal der Kunsthalle.

Seine ganze Konzentration gelte der nächsten Partie. "Jetzt haben wir erst einmal noch ein Match. Ich werde versuchen, auch da gut zu spielen. Mal sehen, was dann heraus kommt." Optimistischer beurteilt Robert von Weizsäcker, der Präsident des deutschen Schachbundes. "Das Ergebnis war doch bislang viel zu krass. Das sah ja nach Außen so aus, als herrsche hier ein Klassenunterschied zwischen den Beiden. Ich habe Kramnik jedenfalls kräftig die Daumen gedrückt", meinte der Sohn von Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker, der selbst Großmeister und Fernschach-Olympiasieger mit der deutschen Mannschaft ist.

Kramnik eröffnete die Partie am Montag, wie bislang immer in diesen Tagen von Bonn, mit einem Damengambit. Der Weltmeister wählte für seine Verteidigung die so genannte Nimzowitsch-Indische Verteidigung. Bei dem "abstrakten, zweckfreien Tun am Brett", wie Robert von Weizsäcker Schach schon mal definiert, lief lange alles nach Plan. "Wir bewegen uns hier auf verdammt ausgetretenen Pfaden", kommentierte Großmeister Klaus Bischoff im Analyseraum launig, als ihm sein Computerprogramm verriet, dass nach 17 Zügen exakt diese Stellung noch acht Mal in seiner Datenbank vertreten war.

Neuland betrat der Herausforderer mit dem 18. Zug. Turm e1 gehört an dieser Stelle nicht zur Eröffnungstheorie ist vorher noch nie gespielt worden. "Diese Neuigkeit war zwar nicht krass, hat ihn aber anscheinend doch etwas überrascht", freute sich der Russe über den gelungenen Coup. Zum ersten Mal bei dieser WM ließ Anand danach seine sonst so präzise Verteidigung im Stich.

Kramnik gelang es, seinen Stellungsvorteil zu nutzen und immer mehr Druck auf Schwarz aufzubauen. Er setzte konsequent nach und brach schließlich mit seinen Scherfiguren in die gegnerische Stellung ein. "Da gab es dann nicht mehr viele Möglichkeiten zu einer vernünftigen Verteidigung", freute sich Kramnik. Nach drei Stunden Spielzeit hatte auch Anand ein Einsehen und gab auf. "Entscheidend war, dass es Kramnik jetzt zum zweiten Mal in Folge gelungen ist, seinen Gegenüber in seine vorbereitete Eröffnung zu locken.

Und dann hatte Anand den Turmzug nicht auf seinem Plan", erläuterte Bischoff. Die zahlreichen Zuschauer im Spielsaal spendeten Kramnik nach dessen erstem Sieg sehr viel Beifall. "Die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir werden hier bis zur letzten Patrone kämpfen", kündigte Kramniks Manager Carsten Hensel an, bevor er mit seinem Schützling per Taxi in der Bonner Nacht verschwand. Den "Tiger aus Madras", wie Anand genannt wird, wird dies wenig beeindruckt haben.

Notation

10. Partie (Nimzowitsch-Indisch)

Weiß: Wladimir Kramnik (Russland) - Schwarz: Viswanathan Anand (Indien) 1:0 1.d4 Sf6; 2.c4 e6; 3.Sc3 Lb4; 4.Sf3 c5; 5.g3 cxd4; 6.Sxd4 00; 7.Lg2 d5; 8.cxd5 Sxd5; 9.Db3 Da5; 10.Ld2 Sc6; 11.Sxc6 bxc6; 12.00 Lxc3 13.bxc3 La6; 14.Tfd1 Dc5; 15.e4 Lc4; 16.Da4 Sb6; 17.Db4 Dh5; 18.Te1 c5; 19.Da5 Tfc8; 20.Le3 Le2; 21.Lf4 e5; 22.Le3 Lg4; 23.Da6 f6; 24.a4 Df7; 25.Lf1 Le6; 26.Tab1 c4; 27.a5 Sa4; 28.Tb7 De8; 29.Dd6

Stand: Anand - Kramnik 6,0:4,0

Lesen Sie auch den Kommentar " Ein Palast für den WM-Titel"

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort