Interview mit Sportpsychologin Jeannine Ohlert „Verlierer brauchen eine alternative Identität“

Bonn · Jeannine Ohlert ist Sportpsychologin an der Deutschen Sporthochschule Köln. Im Interview klärt sie über den Umgang mit Niederlagen und unterschiedliche Bewältigungsstrategien auf. Mit ihr sprach Joshua Bung.

Jeannine Ohlert: „Über einen längeren Zeitraum zu verlieren, ist für einen Sportler natürlich eine Katastrophe. Wer etwas investiert – also zum Beispiel jedes Wochenende zu Auswärtsspielen fährt und mehrmals die Woche trainiert –, will natürlich auch einmal Grund zur Freude haben. Wenn Erfolgserlebnisse ausbleiben, nagt das an einem.“

Wie kann das verhindert werden?

Ohlert: „Es geht immer darum, aus einer Niederlage zu lernen und keine negativen, sondern konstruktiven Gedanken zu haben. Man sollte klar benennen, was schlecht gelaufen ist und vor allem überlegen, wie man es das nächste Mal besser machen kann. Ebenso sollte man ansprechen, was trotz der Niederlage gut war und daraus positive Energie ziehen.“

Woran liegt es, dass einige Sportler sensibler als andere darauf reagieren, wenn sie verlieren?

Ohlert: „Laut der aktuellen Forschung gehen erfolgreiche Sportler besser mit Niederlagen um als Sportler, die häufiger Misserfolge erleben. Das liegt vor allem an der Persönlichkeit. Während die einen handlungsorientiert denken – wie kann ich mich beim nächsten Mal verbessern –, sind die anderen lageorientiert und beschäftigen sich eher damit, wie schlecht es ihnen gerade geht.“

Also hat Verlieren tatsächlich sehr viel mit Lernen zu tun...

Ohlert: „Genau. Wer nicht mit einer Niederlage abschließen kann und aus den gemachten Fehlern keine Konsequenzen für die Zukunft zieht, der ist beim nächsten Spiel emotionaler und fühlt sich hilflos, weil er nicht weiß, was er verbessern muss. Dadurch sinkt die Chance auf einen Sieg, und die Frustration steigt von Spiel zu Spiel kontinuierlich an.“

Was kann ein Sportler tun, wenn er trotzdem partout immer verliert?

Ohlert: „Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten – zum Beispiel, indem derjenige anerkennt, dass er nicht in die jeweilige Leistungsklasse gehört. Eine andere Option ist, dass eine Mannschaft nach einer alternativen Identität sucht, über die sie sich definiert. 'Wir haben zum Beispiel die besten Fans.' Oder: 'Wir sind das fairste Team'. So nimmt der Leistungsgedanke nicht mehr so viel Raum ein. Dadurch können sich alle wieder besser fühlen und gehen mit Niederlagen entspannter um.“

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