Interview mit RTV-Coach Dietmar Schwolow "Wenn ich keine Perspektive sehe, höre ich auf"

Bonn · Dietmar Schwolow trainiert seit 24 Jahre seinem Heimatclub TV Rheinbach. Über seinen Heimatverein, die anstehende Europameisterschaft und vor allem über Torhüter Andreas Wolff sprach mit ihm Hartmut Eickenberg.

 HSG Rheinbach - Köln-Wahn trainer Dietmar Schwolow

HSG Rheinbach - Köln-Wahn trainer Dietmar Schwolow

Foto: Wolfgang Henry

Herr Schwolow, was löst das in Ihnen aus, wenn Sie mit Andreas Wolff einen Ihrer ehemaligen Spieler im Nationaltor sehen?

Dietmar Schwolow: Das ist immer noch ein komisches Gefühl, zumal er aus gemeinsamen Rheinbacher Tagen der beste Kumpel meines ältesten Sohnes Tobias ist. Von daher gibt es da weiterhin eine Beziehung. Sie besuchen sich gegenseitig, soweit das ihre Spielpläne erlauben und tauschen sich ansonsten über die Netzwerke aus.

Schwolow: Er hatte außergewöhnliche Fähigkeiten. Er war mit 15 Jahren sehr groß, reaktionsschnell und hyperehrgeizig. Dazu diese Körpersprache, er ist ja sehr extrovertiert. Das brachte die Gegner schon damals zum Kochen. Dass er aber eine solche Karriere hinlegen würde, hätte ich nicht gedacht.

Schwolow: Verlieren. Ich kann mich noch an ein Halbfinale mit der C-Jugend um die westdeutsche Meisterschaft erinnern, als wir wegen eines zu wenig erzielten Tores ausgeschieden sind und dieser Riesenkerl nach der Niederlage wie ein Häufchen Elend knatschend in der Halle stand.

Schwolow: Das glaube ich nicht, die Voraussetzungen waren andere. Der Wechsel war schon vor dem EM-Triumph fixiert worden, ich denke mal, auch zu anderen Konditionen. Niemand konnte ahnen, welch steile Entwicklung Andy bei der EM nehmen würde. Er war als Nummer zwei hinter Landin geholt worden. Hätte er den Vertrag drei Monate später abgeschlossen, wäre sein Marktwert natürlich ein anderer gewesen.

Schwolow: Ja. Andy ist keiner, der sich auf die Bank setzt. Schon in der Jugend war das so.

Hätten Sie ihm geraten zu bleiben?

Schwolow: Auf jeden Fall. Kiel ist in Deutschland immer noch eine Riesenhausnummer. Auch da kann man als Handballer ordentlich verdienen. Ich finde es schade, dass die wenigen Deutschen, die zur Weltspitze zählen, die beste Handball-Liga der Welt verlassen und ins Ausland gehen, wie Uwe Gensheimer, vorher Christian Zeitz oder jetzt Andy Wolff. Sie sind die Gesichter des Handballs.

Schwolow: Ganz entspannt. Zu Hause auf dem Sofa, mit einem Bier.

Schwolow: Ich war überrascht. Er war beim EM-Triumph 2016 der emotionale Leader und bildete mit Andy Wolff das Abwehr-Bollwerk. Aber wir haben jetzt 2018 und einen anderen Bundestrainer. Prokop wird die Entscheidung voller Überzeugung getroffen haben, er hat sich damit aber auch erheblich unter Druck gesetzt.

Schwolow: Nein, die Spielabläufe lassen sich nicht auf die unteren Ligen projizieren. Athletik, spielerische Qualität, aber auch die Handlungsschnelligkeit sind nicht vergleichbar.

Schwolow: Das ist mein Heimatclub, in dem ich mit neun Jahren mit dem Handball begonnen habe. Mit 24 bin ich Spielertrainer geworden. Ich habe hier viele Bekannte, ich kann in Ruhe arbeiten. Der RTV ist ein Teil meines Lebens. Im nächsten Jahr würden wir Silberhochzeit feiern.

Schwolow: Ich überlege mir, ob es noch Sinn macht. Die Nachwuchsarbeit hat hier immer eine zentrale Rolle gespielt. Dadurch ist es uns Jahr für Jahr gelungen, Spieler aus der eigenen Jugend in den Leistungsbereich zu bringen. Das hat dazu beigetragen, dass wir es im Rahmen unserer Möglichkeiten immer geschafft haben, das Maximale mit unserer ersten Mannschaft zu erreichen. Jetzt aber bin ich ins Grübeln gekommen.

Schwolow: Das Harz-Verbot in unserer Halle ist ein Aspekt. Schwerwiegender ist, dass der Kader seit zwei, drei Jahren extrem schmal ist. Ich habe zurzeit acht Feldspieler, die hat unser Nachbar TSV Bonn allein für den Rückraum. Dass wir trotzdem auf Platz sieben stehen, ist überragend. Dazu kommt, dass wir im Nachwuchsbereich nicht mehr die Rolle spielen wie früher. Die Jahrgänge 1991, 1992, 1993 und 1996 sind Mittelrheinmeister mit der C-Jugend geworden, der Jahrgang 1998 stand im Halbfinale – von diesen 60 bis 80 Spielern spielen noch vier.

Schwolow: Die Einstellung ist eine völlig andere, und es gibt zu viele andere Interessen. Wenn wir früher in der Halle das Licht angemacht haben, um mit der Ersten zu trainieren, stand die A-Jugend schon bereit, um mitzutrainieren. Das gibt es heute nicht mehr. Es wird immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. Und wer mit zwölf oder 13 den Ball einigermaßen geradeaus werfen kann, den werben die Großvereine wie Gummersbach und Dormagen sofort ab. Alles das zehrt an mir.

Schwolow: Ja. Wenn ich keine Perspektive sehe, höre ich auf.

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