Paralympics in Rio Rehm und Co. feiern unerwarteten Gold-Triumph

Rio de Janeiro · Paralympics-Star Markus Rehm hat in Rio seine erste Goldmedaille gewonnen. Diesen Abend mit der deutschen Sprintstaffel wird er so schnell nicht vergessen.

 Die deutsche 4x100-Meter-Staffel holte in Rio Gold.

Die deutsche 4x100-Meter-Staffel holte in Rio Gold.

Foto: Jens Büttner

Die große Feier fiel einfach aus. Auf denkwürdige Weise hatte die deutsche 4 x 100-Meter-Staffel um Markus Rehm die Goldmedaille bei den Paralympics gewonnen, doch nach und nach verschwanden die vier Sprinter am späten Montagabend freiwillig auf ihre Zimmer.

Felix Streng hatte Fieber, Johannes Floors schmerzte das verletzte Knie. Markus Rehm will am Samstag im Weitsprung noch einmal Gold holen. Und so feierte der vierte Mann David Behre nach eigenen Angaben "ganz gedämpft" in seinen 30. Geburtstag hinein.

Trotzdem: Es war für alle Beteiligten ein "megamäßiger" Abend (Behre) im Olympiastadion von Rio. Die große Erschöpfung erklärte sich auch dadurch, dass drei der vier Leichtathleten kurz nach ihrem Staffel- Triumph auch noch das 200-Meter-Finale liefen und Behre dabei sogar Bronze gewann. "Nach deutscher Zeit war ich da schon 30", meinte er.

Zwei Stunden vorher war die deutsche Staffel gerade auf einer Ehrenrunde unterwegs und feierte ihren zweiten Platz über 4 x 100 Meter. Die Amerikaner waren Rehm und Co. gerade weggelaufen in diesem irrsinnig schnellen Finale, sie hatten in 40,61 Sekunden sogar einen vermeintlichen Weltrekord aufgestellt, aber sie hatten auch den gleichen Fehler gemacht wie schon bei den Paralympics 2012 in London: Der zweite Läufer berührte den dritten schon vor der Wechselzone. Das ist verboten, das bedeutet: Disqualifikation.

Die Deutschen gewannen dadurch Gold statt Silber - sie waren allerdings auch die Letzten im Stadion, die davon erfuhren. "Wir kamen gerade auf die Zielgerade zurück und sahen, wie auf der Tribüne alle ausflippten", erzählte Rehm. "Wir haben uns gedacht: Ja, wir haben Silber geholt, das ist toll. Aber warum rastet ihr deshalb so aus? Dann habe ich auf die Anzeigetafel geguckt. Das ist krass!"

Platz 1 Germany, 40,82 Sekunden, Paralympischer Rekord und auch Europarekord. Das war auf einmal auf der Anzeigetafel zu lesen. Ob es sich anders anfühlt, einen Titel nachträglich zugesprochen zu bekommen, als ihn auch tatsächlich auf der Laufbahn zu gewinnen? "Nein", meinte Rehm dazu. Sie alle seien auch über Silber glücklich gewesen. Aber es gebe nun mal Regeln. Die Amerikaner "sind das bessere Rennen gelaufen. Sie hatten die bessere Zeit. Aber sie haben einen Fehler gemacht. Und wir sind das bessere Team!"

Für Rehm war es das erste Gold bei diesen Paralympics. Wenigstens er konnte sich danach ein wenig ausruhen. Für die drei anderen, die genau wie der 28-Jährige auf Unterschenkelprothesen laufen, war dieser verrückte Abend aber noch längst nicht vorbei.

Behre lief im 200-Meter-Finale noch einen Europarekord (21,41 Sekunden). "Einmal Gold und einmal Bronze an nur einem Abend - ich kann sehr zufrieden sein", sagte er.

Streng brach diesen Lauf von einer schweren Erkältung geschwächt schon nach wenigen Metern wieder ab. Floors dagegen hielt bis zum Ziel durch und schrieb damit gleich die nächste Geschichte.

Beim Jubeln hatte er sich nach dem Staffel-Erfolg am Knie verletzt. Er war auf seinen Prothesen zu ungestüm herumgesprungen. Dass er trotzdem noch über 200 Meter antrat und dort mit persönlichem Rekord sogar Vierter wurde (21,81 Sekunden), erklärte der 21-Jährige später so: "Physiotherapie, ein Tapeverband und ganz viel Adrenalin!" Ob er am Mittwoch über 400 Meter antritt, will er erst am Wettkampftag entscheiden.

Solche Geschichten zeigen: Es stimmt in dieser Staffel. Das ist eine eingeschworene Truppe. Welt- und Europameister war sie bereits. Jetzt kam auch noch der ersehnte Paralympics-Sieg dazu. "Wir haben intern einfach nur Spaß und richtig Bock auf die Sache", bestätigte Rehm.

Der Star des deutschen Teams will jetzt in Rio auch noch in seiner Paradedisziplin gewinnen: dem Weitsprung. Ein ausländischer Journalist fragte ihn am Montagabend, ob er nun der neue Oscar Pistorius der Paralympics sei. Der Südafrikaner war über Jahre der alles überstrahlende Star des Behindertensports, bis er seine Freundin erschoss und dafür zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. "Nein", sagte Rehm dazu. "Er hat viel für unseren Sport getan, keine Frage. Aber wir müssen jetzt neue Helden kreieren."

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