Olympischer Stichtag Sapporo 1972: Die DDR wird zur Sportgroßmacht

Sapporo · Die Rodel-Wettkämpfe bei den Olympischen Spielen in Saporro 1972 werden von einer Nation dominiert: Von insgesamt neun Medaillen gehen acht an die Starter der DDR.

Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich. Denn am Abend des 7. Februar 1972 geschieht bei den Olympischen Winterspielen von Sapporo völlig Ungewöhnliches. Bei den beiden feierlichen Siegerehrungen für die Damen- und Herren-Einsitzerkonkurrenzen werden insgesamt sechs Fahnen aufgezogen – doch es sind nicht etwa unterschiedliche, sondern ausschließlich schwarz-rot-goldene mit Hammer und Zirkel im Ährenkranz.

Auf dem Treppchen stehen Anna-Maria Müller, Ute Rührold und Margit Schumann sowie Wolfgang Scheidel, Harald Ehrig und Wolfram Fiedler. Ein paar Tage später gewinnen die Doppelsitzer Hörnlein/Bredow und Bonsack/Fiedler – hier dürfen nur zwei Schlitten pro Land teilnehmen – noch Gold und Bronze. Die Rodler aus dem Thüringer Wald und dem Erzgebirge nehmen acht von acht möglichen Medaillen mit nach Hause.

Klar, sie haben vor Olympia viel trainiert und liegen öfter als die anderen Sportler auf der Ideallinie der Strecke, vielleicht spielt auch Doping eine Rolle, doch ein Geheimnis ihres Erfolgs liegt auch im besseren Material. SID-Reporter Wolfgang Uhrig hat da so eine Ahnung: „Zweifellos hatte man in der DDR nichts unversucht gelassen, um besonders windschnittige und schnelle Schlitten zu bauen. Es wurde von Silberkufen geraunt, von speziell geformten Sitzen und einer aerodynamisch durchkonstruierten Verkleidung“, schreibt er im Bertelsmann-Olympiabuch.

Und in der Tat: Die Rodler sind die ersten Sportler, die bei Olympischen Spielen mit kompletten Wettkampfgeräten der damaligen Forschungs- und Entwicklungsstelle für Sportgeräte (FES) in Berlin-Schöneweide an den Start gehen und auch dank ihres Materials hoch überlegen sind. Vier Jahre zuvor hat die FES – gegründet 1963 – planmäßig mit der Konstruktion von Schlitten begonnen. Nutzen konnte man in dieser Zeit schon die Erfahrungen, die man beim Bau von Ruder-, Kanu- und Segelbooten gesammelt hatte. Da, wo andere Nationen noch Holz verbauten, setzte man nun zum Beispiel auf glasfaserverstärkte Kunststoffe.

Die volle Medaillenausbeute im Eiskanal hat einen großen Anteil daran, dass die DDR mit insgesamt 14 Medaillen hinter der Sowjetunion auf Rang zwei des Medaillenspiels springt. Vier Jahre zuvor in Grenoble war sie noch auf Platz zehn geführt worden. In Innsbruck 1976 und Lake Placid 1980 festigt die DDR Platz zwei und springt 1984 in Sarajevo sogar auf Rang eins im Medaillenspiegel. Die FES hat daran einen nicht geringen Anteil, und auch im wiedervereinigten Deutschland sind die High-Tech-Tüftler aus dem Südosten Berlins maßgeblich an den Erfolgen der nun gesamtdeutschen Sportler beteiligt.

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