Trainingswissenschaftlerin "Schon fast krank": Ärger über die hohe Handball-Belastung

Stuttgart · Etwas mehr als eine Woche ist die Handball-WM gerade alt. Erholen konnten sich die Nationalspieler von den Strapazen aber nicht. Diese Woche geht es bereits in der Bundesliga und im Europapokal weiter. Das sorgt längst nur noch für Kopfschütteln.

 Das Trainingsvolumen muss den Überlastungssituationen im Wettkampf angepasst werden.

Das Trainingsvolumen muss den Überlastungssituationen im Wettkampf angepasst werden.

Foto: Axel Heimken

Zumindest der Bundestrainer bekommt ein paar Tage Urlaub. Während Christian Prokop nach der Heim-WM im Kreis seiner Familie den Akku wieder auflädt, stehen die deutschen Handballer längst schon wieder auf dem Parkett.

Bereits in dieser Woche geht der Alltag mit Europapokal und Bundesliga weiter. "Das ist eigentlich schon fast krank", sagt Rechtsaußen Patrick Groetzki von den Rhein-Neckar Löwen. "Es ist deutlich zu viel."

Der 29-Jährige macht eine Rechnung auf. Bei der Weltmeisterschaft habe die deutsche Nationalmannschaft zehn Spiele in 18 Tagen gehabt, "andere Teams sogar an 17 Tagen", ergänzt er. "Das macht durchschnittlich pro Spiel 1,8 beziehungsweise 1,7 Tage an Erholung." Am Mittwoch steht Groetzki bereits wieder mit den Löwen in der Champions League auf der Platte. Das stößt auch beim Bundestrainer auf wenig Verständnis.

"Das ist ein Thema, was definitiv ernsthaft in den wichtigsten Verbänden und Gremien diskutiert und für das nach Lösungen für die Spieler gesucht werden muss", sagt Prokop. Der Weltverband IHF scheint das Problem zumindest erkannt zu haben. Kurz vor dem Finale der WM verkündete IHF-Boss Hassan Moustafa, "die Anzahl der Ruhetage für die Spieler" während der nächsten Weltmeisterschaft 2021 in Ägypten erhöhen zu wollen. Wie das funktionieren soll, bleibt vorerst sein Geheimnis - das WM-Turnier in Moustafas Heimat wird das erste mit 32 statt 24 Teams sein.

Die stark belasteten Spieler werden die Suche nach Lösungen aufmerksam verfolgen, denn sie wollen raus aus dem Teufelskreis. "Es ist ja jedes Jahr das gleiche, dass wir die WM oder EM spielen und danach die Bundesliga schon wieder weitergeht", sagt Patrick Wiencek. Der Kreisläufer vom THW Kiel weiß nur zu gut, welche schwerwiegenden Auswirkungen das haben kann. 2016 hatte er die EM wegen eines Kreuzbandrisses verpasst. Während der WM erwischte es zuletzt Spielmacher Martin Strobel. Er zog sich einen Kreuz- und Innenbandriss im linken Knie zu und fällt monatelang aus.

Das dichte Trainings- und Spielprogramm auch nach der WM kann nach Ansicht der Trainingswissenschaftlerin Astrid Zech von der Friedrich-Schiller-Universität Jena eine der Ursachen für ein erhöhtes Verletzungsrisiko sein. "Im Prinzip kommen sie in eine Überlastungssituation hinein und müssen tatsächlich danach das Trainingsvolumen rapide reduzieren", sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. Eine spürbare Reduzierung ist angesichts des engen Terminkalenders aber kaum möglich. "Wenn sie das nicht tun, dann drohen Schäden. Zum einen sinkt die Leistungsfähigkeit und die Gefahr steigt für weitere Verletzungen."

Groetzki weiß das. Wiencek natürlich auch. "Da liegt Vieles in den individuellen Händen des Trainers, die Belastung zu steuern", sagt Groetzki. Bei den Löwen wird er von Nikolaj Jacobsen trainiert, der gerade Dänemark zum ersten WM-Titel geführt hat. "Eigentlich ist es schade. Die Dänen sind gerade Weltmeister geworden und stehen kurz danach schon wieder in der Trainingshalle", sagt Wiencek. "Da kann man so einen WM-Titel gar nicht richtig genießen."

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