Interview mit Mathias Fischer "Das Herausragende ist das Team"
Bonn · Am Sonntag starten die Telekom Baskets gegen die Crailsheim Merlins (17 Uhr, Telekom Dome) in die Rückrunde. Zeit für eine Halbzeitbilanz. Bonn ist Tabellensechster, der Trainer entspannt. Mit Mathias Fischer sprachen Tanja Schneider und Gerhard Mertens.
Wie zufrieden sind Sie denn mit der Hinrunde?
Mathias Fischer: Sehr. Wir haben uns eine gute Ausgangsposition geschaffen und nur ein Spiel mehr verloren als im vergangenen Jahr zu diesem Zeitpunkt.
Stellen Sie vor der Saison einen Plan auf, bis wann die Mannschaft wie weit sein muss oder soll?
Fischer: Es kommt immer darauf an, wie viele Spieler man dazubekommt. Dieses Jahr waren es vier. Die Neuen einzubauen, dauert zwei bis drei Monate. Es kommt aber immer wieder auf den Charakter, die Spielintelligenz und die Erfahrung des jeweiligen Spielers an.
Sehen Sie sich auf einem guten Weg?
Fischer: Ziel war, dass Ende des Jahres jeder Spieler seine Rolle kennt, dass er weiß, was er zu tun hat auf dem Feld, und dass die Mannschaft als Team funktioniert. Aus meiner Sicht ist dieses Ziel sogar früher erreicht worden.
Manche waren skeptisch, zwei Spielmacher zu haben, die nahezu gleichwertig sind und sich möglicherweise ins Gehege kommen.
Fischer: Es gab und gibt überhaupt keine Probleme. Geno Lawrence und Mickey McConnell sind - jeder auf seine Art - wichtig fürs Team. Und wenn beide auf dem Feld sind, sind sie in der Lage, miteinander zu harmonieren und Akzente zu setzen. Da sind wir in einer glücklichen Lage.
Dass kein Bonner Spieler beim Allstar Game war, kann man doch auch positiv sehen - für die mannschaftliche Geschlossenheit, oder?
Fischer: Das ist eine Erklärung. Das Herausragende ist das Team. Es ist schwierig, jemanden herauszuheben, obwohl Tadas Klimavicius es sicher verdient gehabt hätte, in Ulm dabei zu sein.
Sie scheinen dennoch ganz gut damit zu leben.
Fischer: Ich ärgere mich nicht, dass es keinen Bonner Allstar gab. Ich freue mich lieber, dass wir ein paar Tage trainieren konnten und die Spieler an einem freien Wochenende ihre verdiente Pause bekommen haben. Denn wichtiger ist, dass wir mit neuem Elan ins Jahr starten. Die Rückrunde wird härter.
Wie sehen da ihre Etappenziele aus?
Fischer: Ein Wunsch wurde schon bei der Pokalauslosung erfüllt: Wir haben ein Heimspiel - allerdings gegen einen schwierigen Gegner, auch wenn das mancher nicht so sieht. Jetzt wünsche ich mir eine volle Halle mit Fans in Top-Form, dann spielen wir meistens gut.
Ein Pokalspiel ist eine besondere Situation...
Fischer: ... eine, die wir bisher nicht hatten. Ein Spiel entscheidet über Weiterkommen oder Aus. Da kann man, wenn man gut drauf ist, jeden schlagen. Deshalb ist der Pokal so reizvoll. Man kann in nur drei Spielen etwas erreichen.
Noch einmal zurück zu den Neuzugängen: Wie sehen Sie zum Beispiel die Entwicklung von Dirk Mädrich, der ja trotz seiner Erfahrung Anpassungsprobleme hatte?
Fischer: Erfahrung ja, aber auf einem anderen Level. Er hat zudem in Vechta eine völlig andere Rolle gehabt. Dort hat er viel länger gespielt, hat viel mehr aus der Distanz agiert und musste nicht so viel unter dem Korb arbeiten wie bei uns. Diese Umstellung hat etwas gedauert. Wir können nicht alle an der Dreipunktelinie stehen. Dirk hat seinen Schwerpunkt unter dem Korb.
Da scheint er angekommen zu sein...
Fischer: Richtig. Er reboundet besser, und seine Bewegungen haben sich stabilisiert. Ich bin sehr zufrieden mit seiner Entwicklung. Er hat schon ein paar richtig gute Spiele abgeliefert.
Angelo Caloiaro tut sich weiter schwer. Liegt das ebenfalls am geänderten Rollenbild?
Fischer: Definitiv. Er hat beim MBC viel länger gespielt. Da hatte er 33 Minuten, bei uns hat er 25 bis 26.
Trotzdem spielt er mit wenig Selbstvertrauen. Ist das Resultat der reduzierten Spielzeit?
Fischer: Ich sehe das nicht so problematisch. Vergleicht man Angelos Statistiken mit denen beim MBC, hat er auf die Minuten umgerechnet bei uns nur unwesentlich schlechtere Werte.
Also keine Beanstandungen?
Fischer: Natürlich hat er nicht immer sein ganzes Können abgerufen, aber das schafft kein Spieler im Saisonverlauf. Angelo ist unser zweitbester Rebounder und fünftbester Schütze. Wir brauchen keinen, der regelmäßig über 20 Punkte macht, sondern einen, der sich gut in die Mannschaft einfügt. Das macht er.
Andere haben da mehr Probleme.
Fischer: Richtig. Es gibt Teams, die unter uns stehen, die bessere Zocker haben, aber bisher als Mannschaft nicht so funktionieren.
Bei den Baskets belegen die Zahlen anderes.
Fischer: Wir sind bei den erzielten Punkten, es sind 87 im Schnitt, die drittbeste Mannschaft der Liga, das ist auch für die Fans schön. Und, was mich sehr freut ist, dass wir bei den Assists Zweitbester sind. Das Team funktioniert also.
Aber da ist immer noch die Reboundschwäche?
Fischer: Da liegen wir nur auf Rang 16. Aber wir haben uns verbessert und zuletzt stabilisiert.
Bei wie viel Prozent ihres Leistungsvermögens sehen Sie Ihre Mannschaft derzeit?
Fischer: Bei 80 Prozent, vielleicht etwas mehr. Wir hatten ein paar tolle Spiele hier, in denen die Mannschaft wirklich den Sack zugemacht hat. Das hat mir besonders gut gefallen. Spiele, in denen das Team den Gang dringelassen und sich nicht auf seinen Vorsprung verlassen, sondern die Intensität hochgehalten hat.
Wenn es jetzt schon so gut läuft, wo soll das denn hinführen, wenn noch etwas mehr von Caloiaro und anderen Spielern dazu kommt?
Fischer: So kann man das nicht sehen. Da ist ja immer auch noch ein Gegner. Zuletzt hatten wir in Oldenburg Phasen, in denen wir als Mannschaft nicht mehr funktioniert und uns in Einzelaktionen verloren haben. Wir müssen daran arbeiten, dass wir auch dann Lösungsmöglichkeiten finden, wenn der Gegner uns einiges von dem wegnimmt, was uns stark macht. Das haben wir in der Verlängerung nicht geschafft.
Warum?
Fischer: Das hat mit Druck zu tun. Wenn in solchen Phasen mal ein, zwei Aktionen daneben gehen, muss man cool bleiben. Vier Punkte Rückstand in einer Verlängerung, wenn noch drei Minuten zu spielen sind, sind immer noch aufzuholen.
Eigentlich reagiert Ihr Team bisher ganz gut in solchen Situationen.
Fischer: In Oldenburg leider nicht. Wir haben zu viele Freiwürfe liegen lassen. Wir lagen am Ende bei einer Quote von 70 Prozent. Da müssen wir uns verbessern. Ich möchte, dass wir auf deutlich über 80 Prozent kommen. Gerade gegen gute Mannschaften entscheiden solche Kleinigkeiten. Zehn Punkte in einem Spitzenspiel an der Freiwurflinie vergeben, geht einfach nicht. Punkt.
Im vergangenen Jahr haben Sie noch stark im Fahrwasser Ihres Vorgängers Michael Koch gearbeitet. Identifizieren Sie sich mit dem Erfolg des aktuellen Teams mehr, weil es auch mehr Ihr Team ist?
Fischer: Die Frage hat sich mir nie gestellt. Egal, welche Mannschaft man hat, man muss sie führen, damit sie guten Basketball spielt.
Geholt haben Sie auch Mickey McConnell. Da sind die Baskets ja ein wenig zu Ihrem Glück gezwungen worden, weil man sich nicht mit David McCray einigen konnte.
Fischer: Ich bin sehr glücklich, dass er zu uns gekommen ist. Er hat sich super entwickelt. Er gibt uns eine andere Qualität. Dadurch haben wir zwei Pointguards, die das Spiel lenken können, jeder auf seine Art.
McConnell erinnert auf dem Court ein bisschen an Jared Jordan...
Fischer: Ja, er macht manchmal sehr überraschende Dinge. Man fragt sich nachher, wie der Ball denn da hingekommen ist. Mickey ist aber körperlich stabiler als Jared und zieht aggressiver zum Korb. In der Verteidigung hatte er Defizite, aber auch da hat er sich verbessert.
Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung von Florian Koch, dem Jüngsten im Team?
Fischer: Seine Spielzeit hat sich im Vergleich zur vergangenen Saison fast verdoppelt. Das ist schon mal ein großer Schritt. Tatsache ist aber auch, dass er besser trainiert als er spielt. Wir arbeiten daran, dass er seine sehr guten Trainingsleistungen, er ist einer der Fleißigsten, auch auf dem Spielfeld umsetzt.
Wo liegen die Probleme?
Fischer: Florian ist 1,98 Meter groß. Die BBL ist aber eine Guard-lastige Liga. Für "Flo" ist es schwierig, in der Verteidigung gegen die kleinen, schnellen Amerikaner zu bestehen. Das wird er irgendwann besser können, aber nur, weil er ihr Spiel aufgrund von Erfahrung besser antizipieren kann. Er hat aber sehr gute Voraussetzungen. Eine Super-Athletik, einen guten Wurf und für einen großen Spieler eine gute Grundschnelligkeit. Daraus macht er noch zu wenig.
Was erwarten Sie für die Rückrunde?
Fischer: Wie schon gesagt, sie wird schwerer als die Hinrunde. Alles ist sehr dicht beisammen. Auch unsere Gegner werden sich noch verbessern. Wenn man mal drei, vier Spiele verliert, kann man schnell den Anschluss verlieren. In Richtung Playoffs wird es immer härter zugehen. Dafür müssen wir bereit sein.
Die Baskets haben zwei Siege Vorsprung auf die direkten Verfolger, dazu bisher gewonnene direkte Vergleiche: Was die Playoffs angeht, ist die Situation derzeit doch recht komfortabel, oder?
Fischer: Das sehe ich anders. Was sind zwei Siege Abstand bei 17 ausstehenden Spielen? Nicht viel.
Wann gäbe es denn einen Anlass für Sie, Ziele umzuformulieren, etwa Platz vier und das Heimrecht im Viertelfinale anzuvisieren?
Fischer: Darüber wird bei uns nicht gesprochen. Auch wenn es sich nach einer Phrase anhört, wir denken nur von Spiel zu Spiel. Wenn wir dann als Vierter in die Playoffs ziehen, wäre das riesig, wenn wir irgendwo darunter stehen, müssen wir auch damit klarkommen. Wichtig ist, dass wir unser Spiel verbessern. Rebounds und Freiwürfe sind unsere Hauptbaustellen.
Was wünschen Sie sich für das Heimspiel gegen Crailsheim am Sonntag?
Fischer: Dass wir uns mit einem Sieg einen guten Start ins neue Jahr verschaffen.