Trainer der Telekom Baskets Bonn Das sagt Predrag Krunic vor der neuen Saison

BONN · Vor dem Start der neuen Saison spricht Baskets-Headcoach Predrag Krunic im Interview über sein neues Team, den atypischen Saisonstart und die Zusammenführung seiner Familie.

Wer Predrag Krunic nur aus der Halle kennt, kann sich vermutlich nicht vorstellen, wie entspannt der Mann mit einer Tasse Kaffee dasitzen kann. Er rührt und blickt in den sich drehenden Kaffestrudel, dann schaut er auf und lächelt verschmitzt. Bereit für ein Gespräch mit Tanja Schneider und Gerhard Mertens über seine Neuzugänge, den Kaltstart in der Champions-League-Qualifikation und väterlichen Taxidienst bei Nacht.

Mit Malcolm Hill haben Sie Ihr letztes Puzzlestück bekommen. Und Sie haben lange gepuzzelt.

Predrag Krunic: Das war ein langer Sommer. Wir sind sehr vorsichtig dabei gewesen, gute Spieler zu finden, die zu uns passen – zu unserem Etat und zu unserer Philosophie. Das war harte Arbeit, die im Mai damit begonnen hat, die Profis aus der vergangenen Saison weiterzuverpflichten. Wir haben uns bewusst Zeit gelassen – und mit Hill, glaube ich, haben wir das Team gut komplettiert.

Darunter hat auch die Vorbereitung gelitten...

Krunic: Durchaus. Wir haben phasenweise nur mit zwei oder drei Ausländern gespielt. Nach und nach sind dann die anderen dazugekommen. Das haben wir aber in Kauf genommen, weil wir sicher sein wollten, die richtigen Spieler zu finden. So hat sich das Bild des Teams zwar erst nach und nach ergeben, aber mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden.

Ist denn die Marktsituation derzeit schwierig?

Krunic: Diesen Sommer gab es Veränderungen in der nordamerikanischen Profiliga. Dort ist es jetzt erlaubt, zwei Spieler mehr in den Kader aufzunehmen. Außerdem wurden die Doppelverträge eingeführt, die es den Spielern ermöglichen, sowohl in der NBA als auch in der Entwicklungsliga der NBA zu spielen, wo man zudem mehr Geld verdienen kann als früher. Das Angebot an US-Amerikanern war deshalb in Europa deutlich kleiner.

Wie ist Malcolm Hill denn?

Krunic: Er ist ein sehr junger Spieler, der von einem sehr renommierten College in Illinois kommt. Dort hat er auf der Position drei gespielt. Er ist ein guter Schütze und ein guter Verteidiger, nicht zuletzt weil er ein sehr kräftiger Spieler ist. Aber er hat so gut wie keine professionelle Erfahrung. Wir wollen ihn nicht unter Druck setzen, sondern ihn behutsam aufbauen. Gut ist, dass er in einer guten körperlichen Verfassung zu uns kommt, weil er gerade zwei Monate auf den Philippinen gespielt hat.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Verlauf der Vorbereitung?

Krunic: Angesichts der schwierigen Umstände bin ich sehr zufrieden. Man darf nicht vergessen, dass Nemanja Djurisic noch lange mit dem Nationalteam bei der EM war und Ron Curry mit einer Verletzung drei Wochen ausfiel. Da war es dann auch nicht so einfach, das Training zu organisieren. Doch wir haben dabei von der Zusammenarbeit mit Rhöndorf profitiert, die uns sehr geholfen hat. Es waren in der Regel zwölf Spieler beim Training. Wir haben hart gearbeitet, das gilt auch für die Trainer und die medizinische Abteilung.

Der Start ist anders als in den Vorjahren, denn die Baskets beginnen gleich mit der Champions-League-Qualifikation...

Krunic: Mir kam es deshalb besonders darauf an, uns für diesen atypischen Saisonstart zu wappnen. In den Vorbereitungsspielen und auch im Training habe ich von den Spielern noch mehr Intensität als sonst gefordert, damit wir in einen guten Rhythmus kommen. Es geht gleich um alles oder nichts, und zwischen Hin- und Rückspiel gibt es nur zwei Tage Pause. In den vergangenen zwei Wochen haben wir mit fast allen Spielern an Bord große Fortschritte gemacht.

Sie haben Ron Curry und Nemanja Djurisic erwähnt. Als sie dann spielten, waren sie gleich präsent und hatten richtig gute Statistiken aufzuweisen.

Krunic: Ich bin sehr zufrieden mit Ron, der hart an sich gearbeitet hat, auch während seiner Verletzung im Rahmen der Möglichkeiten. Für Nemanja war es nicht so einfach – wie für das Team –, denn wir mussten ihm viele Minuten geben, damit er sich schnell integriert. Er musste die Systeme kennenlernen und auch seine Mitspieler.

Schauen Sie auch schon auf die anderen Mannschaften in der Liga?

Krunic: Ein bisschen. Ich schaue mir die Kader an und wie die allgemeine Situation bei dem einen oder anderen Verein ist, zum Beispiel ob es Verletzte gibt. Aber mehr nicht, denn ich habe genug Arbeit mit meiner eigenen Mannschaft. Die hat absolute Priorität. Sie muss bereit sein, wenn es losgeht.

Haben Sie alle Karten in der Vorbereitung auf den Tisch gelegt oder haben Sie bestimmte taktische Dinge zurückgehalten, um dann den Gegner damit zu überraschen?

Krunic: Es ist schwierig, etwas zu verheimlichen. Alle Clubs sind ja auch verpflichtet, Videos von ihren Spielen zur Verfügung zu stellen. Im Detail gibt es aber schon das eine oder andere, was erst einmal unter uns bleibt. Aber das sind Kleinigkeiten.

Sie sprachen vom atypischen Saisonstart für die Baskets. Wo sehen Sie die besondere Herausforderung in der Champions-League-Qualifikation?

Krunic: Unser Gegner wird mindestens schon zwei, wenn nicht sogar vier Pflichtspiele absolviert haben und ist im Spielrhythmus. Das ist ein Nachteil für uns. Deshalb haben wir versucht, die Situation durch Simulation nachzustellen. Wir spielen in der Champions League zuerst auswärts, also haben wir unseren letzten Test auch auswärts in Göttingen absolviert und uns darauf wie auf ein normales Ligaspiel vorbereitet.

Im Telekom Dome haben die Fans die Baskets noch nicht gesehen. Das erste Heimspiel ist dann gleich ein ganz entscheidendes.

Krunic: Viele Fans sind ja in Rhöndorf gewesen, um uns zu sehen. Einige waren sogar in Brüssel, in Gießen und auch in Göttingen mit dabei. Alle werden jetzt heiß sein, uns erstmals im Telekom Dome in der Champions-League-Qualifikation zu erleben. Gerade für die neuen Spieler ist das eine besondere Situation mit vielen Emotionen. Es wird wichtig sein, dass sie diese kontrollieren.

Wo haben Sie noch mehr Arbeit – in der Defensive oder in der Offensive?

Krunic: In beiden Bereichen, weil wir erst am Anfang unserer Entwicklung stehen und die Spieler mit ihren Stärken und Schwächen erst noch richtig kennenlernen müssen, um sie entsprechend einzusetzen.

Es war doch ein Glücksfall für Sie, weiter auf Spieler wie Josh Mayo, Julian Gamble oder TJ DiLeo bauen zu können, oder?

Krunic: Kontinuität ist immer wichtig. Sie hilft, dem Team eine Identität zu geben, was auch für die Fanbindung von großer Bedeutung ist. Und es hilft, wenn man Spieler hat, die unsere Philosophie bereits kennen und den Neuzugängen vermitteln können. Wenn man eine Mannschaft komplett neu zusammenstellt, muss man auch viel Glück haben, damit alles zusammenpasst. Das heißt nicht, dass es für uns zwangsläufig einfacher wird, zu einer geschlossenen Einheit zu werden, aber die Wahrscheinlichkeit ist viel höher.

Jordan Parks ist zuletzt wegen Kniebeschwerden geschont worden. Droht er, zum Sorgenkind zu werden?

Krunic: Ich glaube nicht. Er hat kein gravierendes Problem, wir waren einfach nur vorsichtig. Jordan lebt von seiner Athletik, deshalb ist es wichtig, dass er beschwerdefrei spielen kann und die nötige Zeit zur Regeneration bekommt. In Frankfurt habe ich ihn sofort vom Feld genommen, als er leichte Probleme bekam. Er hätte weiterspielen können, doch ich wollte kein Risiko eingehen.

Haben Sie den besten Point Guard der Liga?

Krunic: Josh Mayo ist für mich immer der Beste. Er hat hart an sich gearbeitet. Man darf nicht vergessen, dass in den ersten zwei Monaten der vergangenen Saison viele an ihm gezweifelt haben. Es gab Diskussionen, ob er der richtige Mann für uns ist. Davon hat er sich nicht beeindrucken lassen. Im Gegenteil: Es hat ihn angespornt, noch mehr zu investieren. Das hat mich unheimlich beeindruckt. Und am Ende ist er dafür belohnt worden. Auch jetzt arbeitet er wieder sehr hart für den Erfolg des Teams. Ich habe Riesenrespekt vor dem, was er leistet. Er gibt immer das Maximum, jeden Tag, jedes Training. Das tut er nicht nur für sich, sondern vor allem für die Mannschaft.

War er deshalb auch die beste Wahl als Teamkapitän?

Krunic: Ja, weil er den anderen vorlebt, wie man als Profi arbeiten muss. Er ist die ideale Führungspersönlichkeit, als Basketballer und Mensch. Ich arbeite gerne mit Spielern, die viel Herz haben, Emotionen zeigen und sich für das Team aufopfern. Zu dieser Sorte gehört Josh.

Sie sagten, dass es ein langer Sommer für Sie war. Hatten Sie Urlaub?

Krunic: Nein, jedenfalls nicht viel. Nach der Saison ist vor der Saison. Es gibt immer etwas zu tun. Beispielsweise war Martin Breunig, den wir schon früh verpflichtet haben, bereits im Mai hier in Bonn, um an sich zu arbeiten. Da kann man nicht einfach in Urlaub gehen. Man muss dem Spieler zeigen, dass man mit ihm arbeiten will. Ähnlich war es mit anderen Spielern, zum Beispiel Konstantin Klein, der lange verletzt war, oder viele Jüngere, die sich zeigen wollen. Schließlich mussten wir auch noch nach neuen Spielern suchen, was sehr zeitaufwendig war.

Wie wichtig war es da für Sie, Ihre Familie wieder um sich haben, die im Sommer von Oldenburg nach Bonn gezogen ist?

Krunic: Unglaublich wichtig. In den vergangenen fünf Jahren war ich als Trainer alleine unterwegs, jetzt sind wir endlich wieder zusammen. Das ist aber gar nicht so einfach. Ich muss erst wieder lernen, mit meinen vier Frauen zusammenzuleben. Es macht aber viel Spaß.

Bei den Baskets sind Sie der Chef. Wer ist denn der Chef bei Ihnen zu Hause?

Krunic: Bei vier Frauen kann man nur geschickt sein, aber nicht der Chef. Aber im Ernst: Ich versuche, so gut es geht, für meine Familie da zu sein. Die Situation ist derzeit nicht so einfach. Meine Töchter sind zwar in Bonn geboren, haben aber lange nicht hier gelebt. Neue Stadt, neue Schule, neue Freunde – sie müssen sich noch einleben.

Haben Sie nachts auch schon mal Taxidienst?

Krunic: Der gehört zu den Aufgaben, die Papa hat und gerne übernimmt.

Ist der Umzug Ihrer Familie nach Bonn auch Ausdruck Ihres Plans, länger als Trainer bei den Baskets zu arbeiten?

Krunic: In meinem Job kann man das nicht planen. Tatsächlich ist es so, dass wir schon seit einigen Jahren versucht haben, hier in Bonn ein Haus zu finden, unabhängig davon, wo ich Trainer bin. Bonn ist unsere Stadt. Jetzt ist die Situation ideal für uns.

Dann müssen Sie gerade ein glücklicher Mensch sein?

Krunic: Keine Frage.

Wann gab es zuletzt einen Tag ohne Basketball für Sie?

Krunic: Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nur, dass ich nach der Unterschrift von Malcolm Hill das erste Mal so richtig abschalten konnte. Statt mich mit neuen Spielern zu beschäftigen, habe ich mir vor dem Schlafengehen ein Musical angesehen.

Ist Ihre Mannschaft besser als vergangene Saison?

Krunic: Es ist immer das Ziel, besser zu werden. Aber dieses Ziel hat auch die Konkurrenz. Jetzt müssen wir abwarten, wie sich alles entwickelt.

Besser heißt Einzug ins Halbfinale?

Krunic: Es wäre schön, wenn wir das schafften, doch das würde ich nicht als Ziel ausgeben. Selbst wenn wir besser spielen, kann es immer noch sein, dass andere noch besser sind. Wenn es um Ziele geht, kann ich sagen, dass wir zunächst in die Champions League wollen, uns dann in der Bundesligahinrunde für den Pokal qualifizieren und am Ende der Hauptrunde für die Playoffs. Viel wichtiger ist für mich, die Voraussetzungen zu schaffen, die diese Ziele erst möglich machen. Dass wir als Mannschaft zusammenhalten, die Spieler bereit sind, für sich, das Team und den Verein das Maximum zu geben – und wir von Verletzungen weitgehend verschont bleiben.

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