GA-Interview mit Mathias Fischer "Es darf auch mal richtig krachen"

BONN · Die erste Bewährungsprobe in der neuen Saison der Basketball-Bundesliga (BBL) steht für die Telekom Baskets Bonn an diesem Samstag (20.30 Uhr) bei den Crailsheim Merlins an. Gerhard Mertens sprach mit Trainer Mathias Fischer über die Vorbereitung auf den Saisonauftakt, seine Ziele und die Herausforderungen, die auf sein Team zukommen.

Was beschäftigt den Trainer der Telekom Baskets so kurz vor dem Saisonstart am meisten?
Mathias Fischer: Meine Gedanken sind voll und ganz beim ersten Spiel. Wir haben Videos vom Gegner angeschaut und einen Scouting-Bericht zusammengestellt.

Wie sieht die Vorbereitung auf den ersten Gegner konkret aus?
Fischer: Wir haben die Systeme der Crailsheimer analysiert und im Training geübt, wie wir sie verteidigen. Die Merlins sind eine große Unbekannte, weil das Team viele neue Spieler hat. Es gibt über sie nur wenige Statistiken. Insofern wissen wir nicht genau, was uns erwartet. Trotzdem versuchen wir unsere Mannschaft bestmöglich vorzubereiten, damit sie mit einem guten Gefühl in das Spiel geht.

Wo holen Sie sich die Informationen her?
Fischer: Jeder Verein muss zwei Videos von seinen Vorbereitungsspielen auf eine Video-Plattform hochladen. Mein Co-Trainer Chris O'Shea hat sie sich angeschaut und einzelne Clips herausgeschnitten.

Kann der Gegner das nicht manipulieren, beispielsweise, indem er die am wenigsten aussagekräftigen Videos zur Verfügung stellt?
Fischer: Natürlich. Jeder versucht, nicht zu viel zu verraten. Deshalb nutzen wir auch anderes Videomaterial - von Kollegen oder von synergysportstech.com. Diese Internet-Plattform macht Video-Aufnahmen von Basketballern zugänglich, die wir oder unsere Spieler noch nicht kennen. Wir schauen uns die Videos an und erstellen einen Scouting-Bericht mit Informationen und Anweisungen, was wir defensiv und offensiv beachten müssen. Am Ende ist jeder gegnerische Spieler mit seinen Stärken und Schwächen definiert.

Ein Beispiel?
Fischer: Nehmen wir Konrad Wysocki, der auch schon in der BBL unterwegs war. Er hat zuletzt in Polen gespielt, im Schnitt 31 Minuten. Seine Stärke ist der Dreier - 36 Prozent Trefferquote. Er wirft mit der rechten Hand und ist beispielsweise ein sehr guter Spot-up-Schütze. Das heißt, er läuft sich frei, bekommt an einer bestimmten Stelle den Ball und wirft sofort. Unsere Spieler bekommen entsprechend den Scouting-Bericht, müssen ihn studieren und bereit sein.

Was ist in Crailsheim zu erwarten?
Fischer: Ein Gegner, der sehr schnell spielt und sehr gute Distanzschützen hat. Wysocki, Tim Schwartz, Brandon Johnson und Brandon Robinson sind sehr gute Werfer. Wir müssen sie zwingen, den Ball zu dribbeln, und verhindern, dass sie den schnellen Pass bekommen und sofort werfen. Vor allem müssen wir in der Defensive viel schneller umschalten, als wir das zuletzt gegen Göttingen getan haben, und damit die gegnerischen Guards besser kontrollieren.

Welche Vorteile sehen Sie bei Ihrem Team?
Fischer: Wir sind tiefer besetzt, können eine größere Rotation spielen und wir können den Ball besser bewegen. Auch unter dem Korb sind wir besser aufgestellt und haben mehr Erfahrung.

"Mein Wunsch ist, dass wir maximal um die zehn Ballverluste pro Spiel haben"

Die Baskets haben in der Vorbereitung mehr verloren als gewonnen. Was sagt das für Sie aus?
Fischer: Unser Problem war, dass wir oft nicht mit der kompletten Mannschaft trainieren konnten. Wenn ich nur sieben Spieler zu Verfügung habe, müssen sie länger spielen, als das eigentlich geplant ist, und ihre Rolle ist auch eine andere als in einer Neuner- oder Zehner-Rotation. Wir sind ständig durcheinandergewürfelt worden. Unsere Ergänzungsspieler aus der Reserve oder aus Rhöndorf haben uns sehr geholfen und einen guten Job gemacht, aber eben noch nicht auf BBL-Niveau. Jetzt sind wir wieder komplett, haben eine hohe Qualität im Training und spielen auch sehr viel Fünf gegen Fünf, um den Rhythmus zu finden.

Welche Schwachstellen sehen Sie?
Fischer: Da ist in erster Linie das schon angesprochene Umschalten von Angriff auf Verteidigung zu nennen. Und weil in der Offensive die Abstimmung noch nicht so funktioniert, hatten wir zu viele Ballverluste. Das muss besser werden. Mein Wunsch ist, dass wir maximal um die zehn Ballverluste pro Spiel haben und um die 20 Assists. Das wäre ein perfektes Verhältnis.

Center Tadas Klimavicius ist noch nicht wie gewohnt ins Spiel integriert.
Fischer: Tadas ist ein Spieler, der in ganz bestimmten Situationen und ganz bestimmten Momenten den Ball bekommen muss. Er ist kein Spieler, dem man den Ball gibt und sagt: "Geh eins gegen eins und mach Punkte". So funktioniert Tadas nicht. Er braucht exakte Pässe mit perfektem Timing. Viele unserer Spieler haben sich darauf noch nicht richtig eingestellt. Wir haben insgesamt noch keine gute Balance zwischen Innen- und Außenspiel und konzentrieren uns zu sehr auf die Würfe von außen. Die Spieler müssen aber wissen, erst wenn man den Ball nach innen bringt, bekommt man auch wirklich gute Würfe von außen. Wir müssen daran arbeiten, den Ball viel besser zu bewegen und dabei alle Spieler einzubinden. Team-Basketball halt.

Demnächst werden Sie wieder einen Spieler neu integrieren müssen, den derzeit noch verletzten Michal Chylinski. Wann kommt er zurück?
Fischer: Er absolviert sein individuelles Training und ist schmerzfrei. Doch wir geben ihm noch Zeit, die Verletzung auch wirklich auszuheilen. Wenn er dann Mitte Oktober ins Mannschaftstraining einsteigt, braucht er zwei, drei Wochen, um sich einzufügen. Die Feinabstimmung wird aber mehr Zeit in Anspruch nehmen. Wir müssen erst noch lernen, mit Michal zu spielen. Ich bin froh, dass wir Jimmy McKinney verpflichten konnten, der uns mit seiner Erfahrung sehr hilft, den Ausfall von Michal zu kompensieren.

Sie sind ein Trainer, der viel Wert auf Spielintelligenz legt. Skeptiker meinen, die Mannschaft habe zu wenig Athletik.
Fischer: Es stimmt, ein hoher Basketball-IQ ist für mich sehr wichtig. Spieler mit besonderer Athletik und gleichzeitig hoher Spielintelligenz sind sehr teuer. Wir hatten einige auf der Liste, aber wir konnten sie nicht verpflichten. Punkt. Ich bin aber sicher, dass unsere Mannschaft genügend Athletik und vor allem Schnelligkeit besitzt. Aaron White beispielsweise hat bisher zwei Dunkings pro Spiel, auch wenn das vielleicht nicht so spektakulär aussieht. Am Ende zählt das Ergebnis.

Auf eine kurze Formel gebracht: Hoher Basketball-IQ schlägt Athletik.
Fischer: Genauso sehe ich das. Davon bin ich überzeugt.

Welche Baustellen haben Sie im Vergleich zur vergangenen Saison geschlossen?
Fischer: Im Rebound werden wir besser sein. Das ist mir besonders wichtig.

Sie haben zuletzt mit einer Startformation überrascht, in der Florian Koch stand. Können Sie das erklären?
Fischer: Florian hat sich diese Position verdient, weil er mir ein komplettes Paket bietet. Er hat über den Sommer hart an sich gearbeitet, hängt sich im Training richtig rein und ist topfit. Dazu hat er in den Vorbereitungsspielen super performt, teilweise super geworfen und auch super gereboundet.

"Ich brauche acht bis neun Spieler, die mir zehn bis 15 Punkte pro Spiel geben"

Florian Koch ist in der Team-Hierarchie eigentlich eher unten angesiedelt. Ist seine Beförderung als Zeichen des Trainers an die Mitspieler zu werten?
Fischer: So kann man das sehen. Flo ist ein harter Arbeiter und macht sehr viel extra. Das honoriere ich. Das Thema Starter wird aber aus meiner Sicht überbewertet. Die Frage ist doch, wer bringt das Spiel nach Hause? Wichtig ist, wer die letzten und entscheidenden Minuten auf dem Feld steht.

Der Baskets-Kader 2015/2016
17 Bilder

Der Baskets-Kader 2015/2016

17 Bilder

In der vergangenen Saison hat das gut funktioniert. Sind auch Ihre neuen Spieler bereit dazu und kommen ohne Murren von der Bank?
Fischer: Viele müssen sich noch daran gewöhnen. Ich bin kein Trainer, bei dem Spieler eine Position als Starter garantiert bekommen oder auf jeden Fall 35 Minuten spielen dürfen. Ich brauche Spieler, die mir zehn bis 15 Punkte pro Spiel geben. Und davon will ich acht oder neun haben. Das reicht normalerweise, um ein Spiel zu gewinnen.

[kein Linktext vorhanden]Dürfen die Spieler beispielsweise Ihre taktischen Maßnahmen kritisch hinterfragen und eigene Vorschläge machen?
Fischer: Solche Situationen gibt es ständig, und das ist auch gut so. Aber es kommt auf den Zeitpunkt an. Im Training oder im Spiel ist dafür kein Platz. Danach bin ich offen für Diskussionen und Anregungen. Wichtig ist mir, dass auch die Spieler miteinander reden.

Darf es dabei auch laut werden?
Fischer: Es darf auch mal richtig krachen, das gehört dazu. Vorausgesetzt, dass danach wieder zusammengearbeitet wird und wir uns verbessern.

Was dürfen die Fans von den Telekom Baskets Bonn erwarten?
Fischer: Dass sie einen schnellen, attraktiven Basketball spielen werden und ihr Herz auf dem Feld lassen. Ich bitte nur um etwas Geduld. Wir haben viele neue Spieler bekommen. Der Basketball, den ich spielen lasse, braucht ein wenig Zeit. Das Team muss eine Chance haben, sich zu entwickeln. Das dauert zwei, drei Monate.

Welche Ziele haben Sie?
Fischer: Zunächst einmal kurzfristige Ziele: die Verteidigung stabilisieren, Team-Basketball installieren und uns eine gute Ausgangssituation für die Pokal-Teilnahme erarbeiten. Dann wollen wir die Voraussetzungen für die Playoff-Teilnahme schaffen...

... und Platz vier wiederholen?
Fischer: Das bei einer Liga zu sagen, die jedes Jahr besser wird, wäre vermessen. Wenn wir unsere Ziele nach und nach erreichen, ist vieles möglich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Berechtigte Ausgrenzung
Kein Platz für Müller im DFB-Team Berechtigte Ausgrenzung
Aus dem Ressort
Die erste Geige
Porträt über Baskets-Spielmacher Eugene Lawrence Die erste Geige