Konstantin Klein im Portrait "Ich kann mich nicht verstellen"

Bonn · Arrogant oder Kämpfer mit Herz? Im Mittelfeld der Beliebtheitsskala ist kein Platz für Konstantin Klein. Er hat sich daran gewöhnt.

Konstantin Klein polarisiert. Und er weiß das. „Ich gebe auf dem Feld alles, ich bin emotional – und ich kann mich nicht verstellen. Will ich auch nicht“, sagt er. Das ist der eine Erklärungsansatz. Er hat auch noch einen weiteren. Denn es ist nicht so, als hätte es ihn nicht beschäftigt, dass manche ihn nicht mögen, beschimpfen, anfeinden. Es ist auch nicht so, dass es ihn nicht stört. Aber ändern kann er es nicht.

Denn, und das ist der zweite Erklärungsansatz, der neue Aufbauspieler der Telekom Baskets hat etwas, das er selbst „gesunde Arroganz“ nennt. Das kommt nicht bei jedem gut an, erst recht nicht, wenn er nicht die selben Farben vertritt wie der 25-Jährige, zu dessen Attitüde der verniedlichende Spitzname Konsti nicht so recht passen will.

„Du musst eine gewisse Arroganz haben, sonst wirst du auf dem Feld von den anderen Spielern aufgefressen. Jeder erfolgreiche Spieler ist maximal selbstbewusst.“ Er sagt all das so verblüffend offen und ehrlich, dass es schon wieder sympathisch ist. Und dann bekennt der maximal selbstbewusste Klein: „Ich war nie der talentierteste Spieler. Über mich hat nie jemand gesagt, 'der kann tolle Sachen mit dem Ball'. Weiß ich alles selber.“ Und er fährt fort: „Ich habe nicht so viel, aber ich habe Defense, Kampfgeist, Selbstbewusstsein, Stolz. Wenn man alles, was man hat, in die Waagschale wirft, dann hat man immer eine Chance. Das hat mir das Leben bisher gezeigt.“ Wer also würde sich schon selbst seiner größten Stärke berauben? Daher bleibt er, wie er ist, und kann inzwischen auch mit dem nicht immer positiven Echo leben.

Gefragt, was man über ihn wissen sollte, ist er zunächst sprachlos. Das könnte nach erster Einschätzung eine Seltenheit sein. Er nimmt die Baseballkappe vom Kopf und wühlt sich überlegend durch die dunklen Locken ehe er sagt: „Ich bin ehrgeizig.“ Die Kappe sitzt wieder und zähmt das unsortierte Haupthaar. „Das habe ich von meinem Vater“, erzählt er, „ der war auch Sportler und ist mal beim Ironman auf Hawaii gestartet.“ Der Vater hat „eine kleine Schlüsselfirma: Schlüssel anfertigen, Schlüsseldienst, wenn man sich ausgesperrt hat; so was. Er arbeitet viel.“ Auch unausgesprochen ist klar: Er ist seinem Sohn ein Vorbild. Die Mutter ist Pädagogin. Klein hat eine ältere Schwester.

„Ich bin ein Berliner Junge“, sagt er und fasst wie im Zeitraffer zusammen: „Aufgewachsen in Kreuzberg und Tempelhof, zur Schule gegangen in Schöneberg, Basketball gespielt in Lichterfelde, später bei Alba Berlin. Und dann bin ich nach Gotha gegangen. In den Osten.“ Seine Heimat Berlin trägt er immer bei sich: Eines seiner vielen Tattoos stellt die Gold-Else dar – die römische Siegesgöttin Viktoria. In Berlin auf der Siegessäule, bei Klein auf dem linken Unterarm.

Bis er neun oder zehn Jahre alt war, hatte er Fußball gespielt. Gar nicht schlecht sogar. Er sollte zur Talentschmiede von Tennis Borussia. Aber seine Freunde spielten Streetball. Außerdem hatte der Fußball in seinem Milieu auch abschreckende Wirkung: „Viele Eltern standen da schon am Tag mit Bierflaschen am Spielfeldrand und pöbelten rum.“ Also: Basketball.

Klein war ein durchschnittlicher Schüler mit Faible für Kunst, Geschichte und Geografie. Auch ohne große Affinität zur Mathematik machte er sein Abitur. Da war der Weg in den Sport schon vorgezeichnet. Was er machen würde, wenn er nicht Basketball-Profi geworden wäre, weiß der 1,87-Meter-Mann nicht. Aber auf jeden Fall, so sagt er, hätte er „mehr Scheiße gebaut als ich gebaut hab. Der Basketball hat mir Disziplin beigebracht.“

Nach der Zweitligazeit in Gotha wechselte er nach Frankfurt. Der größte Erfolg in den vier Jahren bei den Skyliners war der Gewinn des Fiba Europe Cup in der vergangenen Saison. Eine Saison, die Klein als „lehrreich“ bezeichnet, ohne darauf detailliert eingehen zu wollen. Nur so viel: „Ich muss mich wohlfühlen und selbstbewusst sein. Wenn man mir das nimmt . . . Ich habe angefangen zu viel nachzudenken. Das ist in unserem Job nicht unbedingt hilfreich.“

Was er in der Vorbereitung im Magenta-Trikot spielte, sah so aus, als sei das Kleinsche Selbstbewusstsein auf dem Weg der Besserung. Wenn sich einer schon in Testspielen nach jedem Ball wirft, hat er das Potenzial, Bonner Fanherzen zu erobern. Auch wenn einige bei der Pressemitteilung, dass Bonn den Guard verpflichtet, vermutlich in einen ähnlichen Zwiespalt gerieten wie zuletzt wohl nur bei Chris Ensminger. Da wollten Fans ihre Dauerkarte zurückgeben. Verlassen hat der Center Bonn dann als einer der Großen in der Clubhistorie. Sympathie ist halt auch eine Frage der Perspektive.

Im Prinzip blickt Klein der Saison optimistisch entgegen. Er mag es bloß nicht so laut sagen. Denn gerade erst hat ihn seine Gesundheit noch einmal darauf hingewiesen, dass Erfolg von vielen Faktoren abhängig ist. Mit einer Angina lag er in Bonn im Bett, während sein Team das abschließende Vorbereitungsturnier im polnischen Torun gewann. „Es gibt immer Unwägbarkeiten. Dann muss sich beweisen, wie gut man als Team ist und ob man zusammenhält“, sagt Klein und trinkt seinen schwarzen Kaffee aus. „Das Team harmoniert, auf dem Feld und abseits des Feldes. Ich glaube, wenn wir es schaffen, unseren Basketball zu spielen, kann das eine sehr, sehr schöne Saison werden.“

Er und seine Kollegen wollen einen guten Start. Ohnehin selbstverständlich. Aber die Umstände forcieren diesen Willen. „Der Coach hat gesagt, dass wir mit dem Zug zurückfahren. Ich find's ne coole Idee. Es ist halt schon etwas Besonderes: das 1000. Spiel des Clubs. Dann kommst du dahin – das habe ich noch nie erlebt – mit so vielen Auswärtsfans. Bonn, das ist Riesen-Tradition. Und das merkt man auch“, erklärt Klein, der sich ganz offensichtlich auf das Erlebnis freut und die Aktion sehr feinsinnig einzuordnen weiß: „Es motiviert uns Spieler, dass uns die Fans nach der verkorksten letzten Saison als neuem Team diesen Vertrauensvorschub geben. Wenn Du das merkst, musst du es doch zurückzahlen.“

Konstantin Klein ist kein Spieler fürs Mittelfeld der Beliebtheitsskala. Entweder . . . oder. Das erste verkaufte Baskets-Trikot dieser Saison hatte übrigens die Nummer fünf. Wer die trägt? Raten Sie.

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