Telekom Baskets „Ich wollte endlich wieder Stabilität“

Bonn · Baskets-Spieler Ryan Thompson spricht im GA-Interview über Bonn, seine Höhen und Tiefen sowie Team und Trainer. Nach der aktiven Karriere will er dem Basketball treu bleiben.

 Ryan Thompson gehört zu den Leistungsträgern im Team der Telekom Baskets Bonn.

Ryan Thompson gehört zu den Leistungsträgern im Team der Telekom Baskets Bonn.

Foto: Jörn Wolter / wolterfoto.de

Haben Sie sich jemals vorgestellt, dass Sie in Deutschland Basketball spielen würden – oder zuvor schon mal was von Bonn gehört?

Thompson: Nein, anfangs kommt dir nicht in den Sinn, in Europa zu spielen – bis du dann älter wirst. Im College denkst du dann drüber nach. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mal landen würde. Jeder träumt von der NBA, aber Europa war gut für mich. Ich kann mich nicht beschweren.

Was denkt Ihre Familie darüber, dass Sie hier sind?

Thompson: Familie ist uns sehr wichtig; es war hart, als das Baby das Nest verließ.

Sie sind der Jüngste?

Thompson: Bin ich. Aber nach ein paar Jahren haben sie sich daran gewöhnt. Sie reisen jetzt halt ein bisschen mehr. Bevor ich wegging, war keiner von uns je in Europa gewesen. Also wusste niemand so recht, was mich erwartete.

Ihr Bruder ist in China. Ist es schwer, Kontakt zu halten?

Thompson: Wir stehen uns wirklich sehr nah. Wir telefonieren jeden Tag. Nach acht Jahren in der NBA war China ein Kulturschock für ihn. Auch er hatte die USA zuvor nicht allzu oft verlassen. Aber es gefällt ihm in China; er spielt das Spiel, das er liebt.

Wie alt waren Sie, als Sie begonnen haben, Basketball zu spielen?

Thompson: Ich war, glaube ich, drei, mein Bruder fünf. Er hat gespielt, ich habe zugesehen und wollte tun, was er tat.

Das ist jung. Sie konnten dribbeln, ehe Sie laufen konnten.

Thompson: Fast. Es war eher ein Dabeisein, wenn die anderen spielten. Aber sobald ich dribbeln konnte, haben sie mir auch den Ball gegeben und mich mitspielen lassen.

Was ist für Sie das Beste am Basketball?

Thompson: Der Wettbewerb, dieses Sich-Vergleichen. Das machst du doch permanent, wenn du einen großen Bruder hast. Basketball, Videospiele oder: Wer ist zuerst mit dem Essen fertig?

Was waren die größten Herausforderungen des täglichen Lebens, als Sie nach Europa kamen?

Thompson: So lange von der Familie getrennt zu sein. Und als ich im ersten Jahr nach Italien kam, stieg ich aus dem Flugzeug und konnte kein einziges Schild lesen. Das war mein Kulturschock.

Trainiert man hier anders als in den USA?

Thompson: Hier wird deutlich mehr trainiert. In den Staaten trainiert man einmal am Tag. Hier eher zwei Mal, manchmal auch drei Mal mit Fitness, Wurftraining oder Videoanalyse.

Was finden Sie besser?

Thompson: Da muss ich jetzt wohl clever antworten...

Die Frage war schwierig, das sehen wir ein...

Thompson: Ich sag mal: beides funktioniert.

Wie viele Stunden hat der Arbeitstag dann hier?

Thompson: Im Durchschnitt ist es wohl ein ganz normaler Arbeitstag, wenn man zu dem reinen Training noch Behandlungen, Pressetermine und so weiter dazuzählt.

Hat es Menschen gegeben auf dem Weg, die Sie unter Ihre Fittiche genommen haben, oder waren das immer Ihre Teamkollegen?

Thompson: Aus meinem ersten Jahr in Belgien beispielsweise habe ich immer noch gute Freunde, mit denen ich oft spreche. Die Profis haben mich damals so ein bisschen an die Hand genommen und mir geholfen, in Europa nicht nur zurechtzukommen, sondern es auch genießen zu können. Gerade im Sommer war ich zur zu Ihrer Hochzeit eingeladen.

Und in Bonn?

Thompson: Da ist das Team meine Familie.

Wie kam es eigentlich zur Entscheidung für Bonn?

Thompson: Ich hatte ein schreckliches letztes Jahr. Zwei Teams, bei denen die Situation nie so richtig passte. Ich wollte endlich wieder Stabilität. Deutschland kannte ich ja aus der Zeit in Bamberg. Und ich habe Freunde, die in Bonn gespielt hatten und die mit nur Gutes über den Standort erzählt haben.

Zum Beispiel?

Thompson: Ryan Brooks. Er lebt im Sommer in Philadelphia in meiner Nachbarschaft. Da war es leicht, an Informationen zu kommen. Ich wollte eine sichere Situation. Hier kannst du dich darauf verlassen, dass du dein Geld bekommst – das ist nicht überall so. Außerdem wurde da ein gutes Team in einem guten Club zusammengestellt. Ich war der Meinung, dass es das Richtige ist, um wieder in die Spur zu kommen. Ich wollte wieder Spaß am Basketball haben. In der Türkei war ich kurz davor, die Schuhe an den Nagel zu hängen.

So schlimm war's?

Thompson: Ja. Furchtbar.

Vermutlich waren Trainer Poropat und die Gespräche mit ihm auch ein Grund, nach Bonn zu wechseln.

Thompson: Klar. Wir haben im Sommer ein paar Mal gesprochen. Er war befreundet mit Coaches, für die ich arbeiten durfte in meiner Laufbahn – und auch die berichteten Gutes. Das war für mich der richtige Club in meiner Situation.

Zwei Tage vor Saisonstart war dann alles anders. Silvano Poropat konnte aus gesundheitlichen Gründen nicht weitermachen. Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Thompson: Okay, also wieder Tag eins. Ich war wirklich glücklich gewesen mit allem. Gutes Team, super Coach, es lief besser als ich gehofft hatte. Dann kamen wir an diesem Tag zum Training – und Bäm! Nichts war wie vorher.

Können Sie die Situation ein bisschen beschreiben?

Thompson: Wir saßen alle in der Kabine, und du weißt, hier stimmt was nicht, wenn jeder, wirklich jeder, der für das Team arbeitet, in der Kabine ist. Wir alle dachten, verdammt, was ist los? Und dann sagten sie: Der Coach muss aufhören, Predrag Krunic übernimmt sofort. Das war ein Schock.

Und dann war es still?

Thompson: Ja. Jeder wusste: Jetzt fängt alles von vorne an. Jeder muss seine Rolle neu finden. Was kommt da auf uns zu? Wie komme ich mit dem neuen Trainer klar? Kompletter Neustart.

Und der Neue wurde auch gleich vorgestellt?

Thompson: Ja, und er sah nicht aus, als sei er der freundlichste Mensch auf der Welt – das war's, was ich zuerst dachte. Aber ganz ehrlich? Er ist einfach großartig. Ich habe total daneben gelegen.

Hatte das Team danach Kontakt mit Silvano Poropat oder hat er eine Nachricht für seine Mannschaft übermitteln lassen?

Thompson: Einzelne haben ihm geschrieben, obwohl niemand wirklich wusste, was er in dieser Situation sagen sollte. Das kam alles so schnell und so überraschend, dass es entsprechend schwer war, die richtigen Worte zu finden – zumal wir nicht wussten und wissen, woran Coach Poropat konkret erkrankt ist. Das macht den Umgang damit für uns nicht einfacher, aber es geht vornehmlich eh zunächst darum, dass er wieder gesund wird.

Predrag Krunic hat kürzlich – vor dem Hintergrund, dass er die Mannschaft nicht selbst zusammengestellt hat – gesagt: Das ist mein Team! Wie sieht es beim Team aus?

Thompson: Genauso. Vom ersten Tag an hat er die Richtung vorgegeben. Er hat einiges verändert. Zuerst haben wir gedacht: Um Himmels willen, ein Drill-Sergeant. Aber er geht einfach mit gutem Beispiel voran. Er versteht Basketball. Er ist positiv. Er merkt, was mit uns los ist, ob es jemandem schlecht geht. Er steht immer hinter uns – auch wenn wir Fehler machen. Und er ist ein großer Motivator. Manchmal rennt er im Training schneller hin und her als wir. Da gibt man dann wieder mehr Gas.

Denken Sie – trotz Trainerwechsels – dass es eine gute Entscheidung war, nach Bonn und hier wieder in die Spur zu kommen?

Thompson: Ganz sicher. Hundert Prozent. Ich bin glücklich mit der Entscheidung.

Die Baskets liegen momentan auf Platz fünf in der Tabelle, haben aber noch nicht gegen die dicken Brocken Bamberg und München gespielt. Ist Platz fünf die Abbildung des Potenzials dieser Mannschaft?

Thompson: Jede Mannschaft hat Aufs und Abs. Auch wir. Das ist normal und zieht sich durch eine Saison, mal mehr, mal weniger. Wir schauen nicht auf die Bambergs und Münchens. Wir kümmern uns um uns. Du kannst doch nur das kontrollieren, was in deiner eigenen Hand liegt.

Aber glauben Sie, Platz fünf könnte auch am Ende der regulären Saison rausspringen?

Thompson: Sicher. Wir haben doch schon gezeigt, dass wir ein Team mit Playoff-Potenzial sind. Gute Siege und miese Niederlagen hat jeder – es ist die Frage, wie du auf die Niederlagen oder Schwierigkeiten wie zum Beispiel Verletzungen als Team reagierst.

Ist die Partie in Oldenburg am Samstag so etwas wie eine Standortbestimmung gegen eine Mannschaft auf Augenhöhe?

Thompson: Irgendwie schon. Aber andererseits kann ein einziges Spiel nie für eine ganze Saison stehen. Dafür spielen zu viele Faktoren mit: Heim, auswärts, Tagesform und so weiter. Die Erfahrung sagt dir: Alles kann passieren. Das ist doch auch das Gute daran.

Wir haben kürzlich fünf Ihrer Teamkollegen gefragt, wen sie in die Teams für den Allstar Day im Januar in Bonn wählen würden. Bei vieren waren Sie dabei. Hat der Fünfte einen Fehler gemacht?

Thompson: Was ist ein Allstar? Einer der unterhaltsam spielt? Oder jemand, der seinem Team da hilft, wo er gebraucht wird? Ich glaube, ich helfe dem Team, in die richtige Bahn zu kommen. Aber letztlich muss das jeder selbst entscheiden. Wenn ich gerade zu Hause in Bonn dabei wäre, wäre das natürlich toll. Aber auch hier: Was kommt, das kommt.

Und welchen Ihrer Kollegen hätten Sie gewählt?

Thompson: Da fallen mir drei ein, aus verschiedenen Gründen.

Dann bitte.

Thompson: Da wären zum einen unsere Großen: Filip Barovic und Julian Gamble. Die sehen in der Statistik nicht immer wie Allstars aus, aber sind so wichtig fürs Team. Und wenn du einen spektakulären Spieler willst: natürlich Josh Mayo. Das ist mir so richtig aufgegangen, als ich verletzt war und von der Seitenlinie aus zusehen musste.

Aber vor dem Allstar Day kommt Weihnachten. Was werden Sie machen?

Thompson: Leider haben wir ja keine Pause und spielen schon wieder am zweiten Weihnachtstag. Aber meine Freundin kommt zu Besuch und bleibt bis Mitte Januar.

Haben Sie Ihre Wohnung weihnachtlich geschmückt?

Thompson: Na klar. Und wir werden mit den Amerikanern im Team feiern. Und wichteln.

Haben Sie die Wichtel-Lose schon gezogen?

Thompson: Ja, an Thanksgiving. Das haben wir auch zusammen gefeiert.

Und? Wer bekommt was von Ihnen?

Thompson: Sorry, aber das kann ich doch nicht verraten.

Was werden Sie tun, wenn Sie ihre Schuhe dann doch irgendwann an den Nagel hängen?

Thompson: Dann werde ich Trainer. Mein College sagt immer wieder: Wenn du aufhörst, komm zu uns. Das hatte ich schon immer im Hinterkopf. Das ist auch ein bisschen beruhigend zu wissen. Ich liebe dieses Spiel, ohne geht's nicht.

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