Interview mit Mathias Fischer und Michael Wichterich Mit dem X-Faktor in die Playoffs

BONN · Still ruht der Telekom Dome. Da, wo am nächsten Freitag (10. Oktober, Alba Berlin) das erste Heimspiel der Telekom Baskets in der Saison 2014/15 ausgetragen wird, ist jetzt noch reichlich Platz für ein ausgedehntes Interview mit Trainer Mathias Fischer und dem sportlichen Leiter Michael Wichterich.

Sie beide blicken zurück auf die erste gemeinsame Saison als sportliches Führungsduo der Telekom Baskets. Stellen Sie sich doch mal gegenseitig ein Zeugnis aus.
Michael Wichterich: Wenn wir Mathias am sportlichen Erfolg der vergangenen Saison bewerten, dann können wir ihm ein sehr gutes Zeugnis ausstellen.

Begründung?
Wichterich: Die Saison war keinesfalls einfach mit einigen Höhen und einigen schwierigen Klippen, die es zu umschiffen galt. Im Endeffekt haben wir alles ganz gut gemeistert. Leider mussten wir uns in Playoff-Spiel fünf mit unserer vielleicht schlechtesten Leistung in dieser Serie geschlagen geben. Ich denke, auch so etwas gehört zum Reifeprozess dazu. Ich für meinen Teil bin sehr zufrieden mit der Leistung, die Mathias hier abgeliefert hat. Sehr gewissenhaft in der Vorbereitung, sehr engagiert in der Durchführung und durchaus auch emotional beim Coaching mit dem unter dem Strich auch richtigen Ergebnis. Von daher: starke erste Saison. So Mathias, jetzt hattest Du genug Zeit zu überlegen, was Du über mich sagst.
Mathias Fischer: Mitch ist ein zuverlässiger Partner, mit dem ich jederzeit über alle Probleme reden kann. Summa summarum haben wir alles ganz gut gemeistert. Die ganze Organisation der Bundesliga hat etwas mit Mitch zu tun und mit den tausend Fragen, die in diesem Zusammenhang auftauchen. Und er hat immer die Antworten gefunden, auch wenn sie kurzfristig gegeben werden mussten. Er erledigt all die wichtigen Aufgaben, die nötig sind, die aber die 6000 Zuschauer in der Halle nicht mitbekommen. Als Trainer wünscht man sich einen solchen Partner.

Eines der größeren Probleme, die Sie lösen mussten, war der Wechsel von Jared Jordan nach Bamberg. Haben Sie daraus Konsequenzen gezogen, etwa durch anders gestaltete Verträge?
Wichterich: Das erste große Problem war sicherlich schon Tony Gaffney mit seinem Weggang zum Training Camp der Memphis Grizzlies. Das war ein ganz kritischer Zeitpunkt so kurz vor der Saison. Wir wollten einen guten Start hinlegen. Gelingt einem das nicht, entwickelt sich ein ganz anderer Rhythmus. Das war ein dramatischer Eingriff, mit dem wir letztlich durch die Verpflichtung von Donatas Zavackas ganz gut klar gekommen sind.

Und Jared Jordan?
Wichterich: Jared hatte ja einen gültigen Vertrag, aus dem er nicht herausgekommen wäre, wenn wir es nicht zugelassen hätten. Am Ende stand unsere Überzeugung: Wir spielen erfolgreicher, wenn wir das machen. Eigentlich ist es müßig, darüber noch zu diskutieren, denn wir wissen nicht, wie wir mit Jared abgeschlossen hätten. Aber man kann sagen, besser wäre es nicht geworden. Wir waren ziemlich nahe am Optimum.

Da gehört auch Glück dazu ...
Wichterich: Das stimmt, andererseits wussten wir genau, was wir tun. Ob Zavackas oder Lawrence, beide Spieler waren vor der Saison von uns schon gründlich gescoutet worden. Wir wussten, was wir bekommen und dass beide Spieler vom Charakter passten.

Eine Situation, die auch für die Mannschaft nicht leicht war...
Fischer: Natürlich. Aber sie ist zusammengewachsen, hat eine hervorragende Teamchemie entwickelt und war am Ende erfolgreich.

Hat die Art und Weise, wie die Mannschaft mit all den Problemen umgegangen ist, Sie dann bestärkt, möglichst viele Spieler zu behalten?
Fischer: Ja. Es war nicht selbstverständlich, dass die Spieler in dieser kritischen Phase so reagierten. Sie haben sich hoch professionell verhalten. Jeder hat seinen Teil dazu beigetragen, die Probleme zu lösen.
Wichterich: Es sind viele Dinge zusammengekommen, dass aus der Situation etwas richtig Gutes herausgekommen ist. Die Mannschaft war sicherlich ein Faktor. Häufig ist es ja so wie in einem Bahnabteil. Diejenigen, die drin sitzen, lassen keinen mehr rein. Unser Team hat Geno Lawrence reingelassen und ihn mit offenen Armen empfangen. Aber auch Geno hat seinen Teil dazu beigetragen. Er hat nicht gleich den Boss herausgekehrt, sondern hat mit einer natürlichen Point-Guard-Begabung und einer gewissen menschlichen Zurückhaltung den Boden dafür bereitet, dass er gleich akzeptiert wurde. Alles in allem war es eine geschlossene Mannschaftsqualität, die das Ding zum Erfolg hat werden lassen.

War zu einem recht frühen Zeitpunkt auch schon klar, mit wem Sie nicht weiterarbeiten wollten?
Wichterich: Ja. Man hat vor seinem geistigen Auge immer eine Art Prioritätenliste mit Spielern, die man unbedingt halten will, und solchen, bei denen man denkt, dass es nicht funktioniert oder wo man vielleicht auch nicht in ein Bieterverfahren mit anderen Clubs einsteigen will.

Heißt das, wenn Jamel McLean finanzierbar gewesen wäre, hätten Sie ihn behalten?
Fischer: Wir hätten sicherlich überlegt. Ab es war sehr früh klar, dass er sehr gute Angebote bekommen würde.

Es hat viele überrascht, dass die Baskets einen Spieler von der Qualität Angelo Caloiaros verpflichten konnten. Gab es bei ihm kein Bieterverfahren?
Wichterich: Es ist eine andere Konstellation, wenn jemand von Bonn zu einem Topteam wechselt als vom MBC nach Bonn. Das ist nicht despektierlich gegenüber dem MBC gemeint. Aber wer von solch einem Verein kommt, muss sich erst noch auf einer Zwischenstufe beweisen. Sicher wäre Angelo durchaus interessant für einen Club wie Bayern München, sie würden ihn trotzdem nicht vom MBC verpflichten.

[kein Linktext vorhanden]Nach dem, was man bisher gesehen hat, scheinen sich die Baskets personell nicht verschlechtert zu haben...
Fischer: Wir haben eine Mannschaft zusammengestellt, die einen ganz bestimmten Basketball spielen wird. Wir haben nicht mehr diese Athletik, aber wir können den Ball gut bewegen und das Feld gut auseinanderziehen. Generell stelle ich ungern Vergleiche zur vergangenen Saison an. Man muss sich auf die aktuelle Mannschaft konzentrieren und das Beste aus ihr herausholen. Dirk Mädrich mit Kurt Looby zu vergleichen, macht keinen Sinn. Es sind zwei völlig verschiedene Spieler.

Machen Sie sich Sorgen, dass Sie mit Tadas Klimavicius einen verletzungsanfälligen Spieler verpflichtet haben könnten?
Fischer: Nein. Er hat gesagt, dass diese seine erste Zerrung sei. Vor zwei Jahren hatte er eine schlimme Knieverletzung und danach hat er komplett durchgespielt. Er kam topfit hier an, ist einer unserer stärksten Spieler und hatte halt jetzt das Pech, sich zu verletzen.

Also machen Sie sich keine Sorgen?
Fischer: Als Trainer macht man sich immer Sorgen. Man will immer, dass die Mannschaft komplett ist und jeder seinen Rhythmus findet. Auf der anderen Seite ist etwas Positives passiert. Denn die anderen haben jetzt schon gelernt, was während der Saison wichtig sein wird. Wenn Tadas zum Beispiel ein fünftes Foul hat, muss jemand einspringen. Genau das konnten wir schon simulieren und haben das gut gelöst. Deshalb mache mich mir schon weniger Sorgen.

Ist Variabilität der große Pluspunkt des neuen Teams?
Fischer: Mein Ziel ist, dass wir uns nicht auspowern. Wir haben eine Zehner-Rotation, die bisher gut funktioniert. Florian Koch beispielsweise hat im Sommer sehr große Fortschritte gemacht und bisher sehr gut gespielt.

Ist die Mannschaft defensiv so gut aufgestellt wie in der vergangenen Saison?
Fischer: Es fehlt uns ein wenig die Athletik, das müssen wir durch andere Qualitäten wettmachen. Auch da zähle ich auf Variabilität. Wir wollen es dem Gegner mit verschiedenen Verteidigungsformen schwer machen.

Werden Sie an bestimmten taktischen Gewohnheiten festhalten? Kommt also etwa Ryan Brooks von der Bank und steht Andrej Mangold in der Regel in der Startformation?
Fischer: Ja, ich bevorzuge, dass Ryan von der Bank kommt. Er bringt Energie und Qualität aufs Feld.
Wichterich: Viele Spieler seiner Qualität würden damit nicht zurechtkommen. Doch Ryan hat die Rolle angenommen und war letztlich sogar Topscorer der Mannschaft. Das spricht auch für seinen Charakter.

Ist eine Verbesserung, also Platz vier drin?
Wichterich: Dass wir uns nicht verschlechtert, sondern sogar verbessert haben, trifft zwar zu, aber die anderen haben auch nicht geschlafen. Es wird für viele Teams, und da zähle ich uns dazu, großer Anstrengungen bedürfen, um die Playoffs zu erreichen.

Wen sehen Sie als gesetzt für die Playoffs an?
Wichterich: Was Bayern, Bamberg und Berlin auffahren - alle Achtung. Da würde ich sagen, das reicht auf jeden Fall für die Play-offs. Ulm und Artland sind auch schon weit weg von uns. Auch die sehe ich in den Playoffs. Dann kommen fünf Teams, die sich lang machen müssen. Dazu zähle ich auch Oldenburg.

Und die Baskets...
Wichterich: Die Playoff-Teilnahme muss unser Ziel sein. Mehr zu prognostizieren, wäre fast schon vermessen. Natürlich arbeitet man immer für mehr. Wenn wir die Playoffs erreichen, wollen wir da auch weiterkommen. Dann hoffen wir, eine gute Form zu haben. Dann geht es auch darum, gut vorbereitet und möglichst ohne Verletzungen zu sein.

Sind Sie zufrieden mit dem Entwicklungsstand des Teams?
Wichterich: Bisher ist alles nur eine Momentaufnahme. In der Vorbereitung kann alles toll laufen. Das ist aber keine Garantie für die Hauptrunde. Das haben auch die vergangenen Jahre gezeigt.

Anhand der beiden Spiele beim Kameha Cup könnte man doch sagen, dass es in die richtige Richtung läuft?
Wichterich: Mir ist wichtiger, wenn wir am Ende der Saison sagen können: Das haben wir gut gemacht. Es kann so schnell etwas passieren. Im nächsten Augenblick kann die NBA anrufen oder Bamberg oder es verletzt sich jemand gravierend. Wir haben unser Bestes getan, die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Saison zu schaffen. Jetzt müssen wir Tag für Tag daran arbeiten, das weiterzuentwickeln.
Fischer: Und am Ende werden wir sehen, was dabei herauskommt.

Zu den Personen

Mathias Fischer (42) geht in seine zweite Saison als Cheftrainer der Telekom Baskets. Er kam mit seiner Familie 1981 aus Polen nach Bonn, machte am Tannenbusch-Gymnasium Abitur und spielte bei Fortuna Bonn und Post SV Telekom Bonn. Zuletzt arbeitete er als Trainer in Österreich, wo er Gmunden zu einer Meisterschaft, drei Pokal- und zwei Supercupsiegen führte. In der Sommerpause hat er geheiratet.

Michael Wichterich (42) ist seit September 2013 Sportmanager der Baskets - hauptamtlich. Der Diplom-Volkswirt begann seine Basketball-Laufbahn beim Godesberger TV. Nach seiner aktiven Zeit (1993 - 2002) für den Rhöndorfer TV in der 1. und 2. Bundesliga wurde er Geschäftsführer des Baskets-Kooperationspartners Dragons Rhöndorf. Wichterich ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.

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