Baskets erwarten den Tabellendritten Zurück zu mehr Freiheit

BONN · Es war wenig Zeit zur Vorbereitung, das erste Spiel für Baskets-Trainer Will Voigt ist gleich ein Härtetest: Der Tabellendritte Crailsheim tritt in Telekom Dome an.

 Sie sollen die Baskets aus dem Tabellenkeller holen: Co-Trainer Chris O‘Shea (links) und Headcoach Will Voigt.

Sie sollen die Baskets aus dem Tabellenkeller holen: Co-Trainer Chris O‘Shea (links) und Headcoach Will Voigt.

Foto: Baskets/Volkmann/Telekom Baskets

Was ist Mentalität? Ist sie trainierbar? Ansteckend? Auf jeden Fall ist sie notwendig, will man Erfolge verbuchen. Diese psychische Persönlichkeitseigenschaft schien den Telekom Baskets zuletzt zu fehlen. Mangelnden Willen konnte man ihnen nicht vorwerfen, aber immer, wenn der Gegner die Zähne zeigte, wichen die Baskets zurück. Dabei, so betont Baskets-Sportchef Michael Wichterich vor der Partie gegen Crailsheim (Sonntag, 15 Uhr, live auf MagentaSport), fehle es dem Team keineswegs an Mentalität: „Das ist eine Gruppe, die gewinnen will und die nach Niederlagen wie zuletzt in Chemnitz enttäuscht und frustriert in der Kabine sitzt. Dieser Mannschaft ist das nicht egal. Und das sehe ich prinzipiell als gutes Zeichen.“

Igor Jovovic war nicht in der Lage gewesen, die durchaus vorhandenen PS der Mannschaft am Spieltag aufs Parkett zu bringen. „Es waren noch nie so viele Spieler so früh vor dem Training und so lange danach noch in der Halle“, erzählt Wichterich und ergänzt: „Aber was wir trainieren, bildet sich nicht in den Spielen ab.“ Einer der Gründe, warum der zu Saisonbeginn verpflichtete Jovovic nun gehen musste.

Seit Freitag steht nun wieder Will Voigt in der Verantwortung. Der Trainer, der schon vergangene Saison geholt worden war, um die Baskets nach einer Niederlagenserie unter dem jungen Cheftrainer Thomas Päch vor dem Abstieg zu retten. Ein kurzes Gastspiel, denn die Saison wurde wegen der Pandemie abgebrochen.

Seit Mittwochvormittag ist Voigt auf dem Hardtberg, hat inzwischen vier negative Corona-Tests absolviert und mit Co-Trainer Chris O’Shea, der das Team in der Zwischenzeit übernommen hatte, abgesprochen, wie die Mannschaft aus dem Tabellenkeller herauskommen soll. „Es ist natürlich schwer, in nur zwei Trainingstagen viel Einfluss zu nehmen“, sagt der 44-Jährige. „Ich will in erster Linie ein Grundverständnis schaffen, wie wir in Zukunft spielen wollen. Daher geht es für uns am Sonntag nicht nur um den Sieg, sondern auch darum, gemeinsam den ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen.“

Nicht ganz einfach – ausgerechnet gegen den Tabellenzweiten. Die Merlins Crailsheim haben unter dem finnischen Trainer Tuomas Iisalo eine rasante Entwicklung genommen. „In den ersten ein/zwei Jahren hatte ich das Gefühl, er sucht seinen Weg“, sagt Wichterich. „Er hat ihn gefunden. Und er findet die Spieler dafür. Die letzten beiden Teams hat er geformt aus Akteuren, die bereit sind zu kämpfen. Auch dieses Jahr dachte man zuerst ‚Ach ja: Solide.’ Aber sie sind in der Lage, jeden zu überrennen.“

Vorneweg rennt Trae Bell-Haynes. Der kanadische Merlins-Spielmacher steht ganz oben in den Statistiken der Liga und ist mit 8,2 Korbvorlagen pro Spiel der beste Assistgeber der BBL, mit durchschnittlich 19,2 Punkten rangiert er auf Rang drei. Der einzige Bonner übrigens, der es auf diese Seite der jeweils 15 Top-Performer in den Kategorien Punkte, Rebounds, Assists und Blocks geschafft hat, ist Strahinja Micovic als 13. mit 14,6 Punkten.

Bell-Haynes alleine „stillzulegen“ wird nicht reichen, glaubt Wichterich. „Und es ist wahrscheinlich auch nicht möglich, denn er hat einen enormen Sprung gemacht. Er attackiert bedingungslos, da hatten wir auch schon mit dem ähnlichen Spielertyp TJ Shorts von den Hamburg Towers unsere Probleme. Punkten kann Bell-Haynes, aber wir müssen seine Kreativität unterbinden.“

Wichterich hofft, dass die Baskets unter dem US-Amerikaner Voigt wieder freier spielen, so wie zu Saisonbeginn, als ihr Spiele noch weniger strukturiert waren, es weniger Einstudiertes gab. „Da haben wir andere Lösungen gefunden“, sagt der in letzter Zeit ebenfalls reichlich kritisierte Sportmanager. „Wir müssen die entscheidenden Spieler früher in die Offense einbauen, nicht erst, wenn uns nur noch ein Notwurf übrig bleibt.“ Die Ansage geht sicher hauptsächlich an die Aufbauspieler, dennoch ist die Suche nach einem Neuzugang auf dieser Position vorerst auf Eis gelegt. „Wir wären in der Lage nachzubessern, wenn es nötig ist, aber erstmal soll Will das Ganze nach seinen Vorstellungen sortieren und Impulse setzen. Dann sehen wir weiter.“

Für Sonntag ist Wichterich jedenfalls zuversichtlich: „Wir sind keine Mannschaft für die Tabellenspitze, aber wir sind sicher nicht so schlecht, wie wir momentan dastehen. Wir sind gut genug, Spiele zu gewinnen – auch gegen Crailsheim.“

Wahrscheinlich ist Mentalität ein bisschen sensibel und verträgt ständige Nackenschläge nicht besonders gut. Es ist ein bisschen wie die Frage nach Henne oder Ei: Was war zuerst da? Kommt mit dem Erfolg die Mentalität oder mit der Mentalität der Erfolg? Will Voigt startet mit den Baskets gegen Crailsheim in die Versuchsreihe.

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