Nach der Niederlage gegen Frankreich Das muss besser werden beim Nationalteam

München · Nach der Auftaktniederlage gegen Frankreich steht die deutsche Nationalmannschaft bei der Fußball-EM schon mit dem Rücken an der Wand. Will das Team von Joachim Löw ins Achtelfinale, muss einiges besser werden.

 Kaum zu fassen: Robin Goosens kann sich die Leistung gegen Frankreich nicht erklären.

Kaum zu fassen: Robin Goosens kann sich die Leistung gegen Frankreich nicht erklären.

Foto: dpa/Matthias Hangst

Erst gar keine Zweifel aufkommen lassen, den Blick ja nach vorn richten – nach dieser Devise schwor Bundestrainer Joachim Löw seine Spieler schon direkt nach der ersten Auftaktniederlage einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei einer Europameisterschaft ein. „Wir werden uns wieder aufrichten. Wir werden das nächste Spiel dann angehen – und gewinnen“, sagte er nach dem 0:1 gegen Frankreich noch am Dienstagabend.

Es ist ein bemerkenswerter Optimismus, den der Bundestrainer an den Tag legt. Schließlich geht es am Samstag (18 Uhr) gegen den amtierenden Europameister Portugal, der am Dienstagabend Ungarn mit 3:0 schlug und in der Gruppe F aktuell die deutlich bessere Ausgangslage zur Qualifikation für das Achtelfinale gegenüber dem DFB-Team hat. Aber Löw dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass die Südeuropäer um Superstar Cristiano Ronaldo in Budapest auch so ihre Probleme hatten. Es fehlte an Tempo und Kreativität – ähnlich wie dem deutschen Team gegen Frankreich. Der Unterschied: kurz vor Schluss der Partie schlug der Titelverteidiger gnadenlos zu.

Diese Zielstrebigkeit fehlte dem DFB-Team gegen Frankreich über 90 Minuten. Zwar hatte es in der zweiten Halbzeit den Anschein, als würde man den Gegner dominieren, zwingend wurden Thomas Müller, Serge Gnabry und Co. kaum. Vielmehr verteidigte Frankreich die Angriffsbemühungen der Deutschen relativ souverän weg und blieb durch Konter stets selbst gefährlich, was Kylian Mbappé bei seinen beiden Abseitstoren eindrucksvoll unter Beweis stellte.

Ernsthafte Gedanken daran, dass das Spiel nach dem Eigentor von Rückkehrer Mats Hummels doch noch kippen könnte, machten sich wohl die wenigsten Beobachter. Wenngleich die Spieler nach Abpfiff zu einem anderen Fazit kamen. Joshua Kimmich, der auf der rechten Seite eines seiner schwächeren Spiele im Nationaltrikot absolvierte, sah das DFB-Team auf „Augenhöhe“ mit Frankreich und auch Toni Kroos wollte keinen großen Unterschied erkennen.

Dabei war der durchaus gegeben. Die Abstände zwischen den Reihen war über die gesamte Spielzeit zu groß. Das Offensivtrio um Müller hing über weite Strecken verloren zwischen den engen Ketten der Franzosen. Das hochtalentierte Mittelfeld-Duo Toni Kroos und Ilkay Gündogan schaltete sich viel zu selten ins Offensivspiel mit ein, um Überzahlsituationen im Mittelfeld gegen Adrien Rabiot, Paul Pogba und N’Golo Kanté zu produzieren.

Dabei hatte Löw im Vorfeld der EM darauf Wert gelegt, genauso wie auf Standards, die gegen Frankreich allesamt miserabel ausgeführt wurden. Das letzte Testspiel gegen Lettland machte Hoffnung, dass die Mannschaft dies verinnerlicht habe. Dass der Weltmeister allerdings ein anderes Kaliber als die Mannschaft aus dem Baltikum ist, war schon damals klar. Am Dienstag zeigte sich das deutlich, was zur Folge hatte, dass nur Robin Goossens über die linke Seite ab und an gefährlich durchstechen konnte. Die fehlende Strafraumbesetzung der DFB-Offensive machte es dann aber für die Franzosen leicht, diese Angriffe zu klären. Unverständlich, warum Löw bis kurz vor Schluss wartete, bis er mit Kevin Volland den einzigen echten Stoßstürmer im Kader einwechselte – und ihn dann auch noch als Linksverteidiger einsetzte.

„Dass wir spielerisch noch Luft nach oben haben, wissen wir natürlich auch“, sagte Hummels nach der Niederlage gegen Frankreich selbstkritisch. „Aber man hat gesehen, dass wir uns zerreißen wollen bei diesem Turnier, dass wir Euch wieder begeistern und erfolgreich sein wollen.“

Das konnte man dem DFB-Team sicherlich nicht absprechen. Am Samstag gegen Portugal kann die Devise aber nur lauten, „zielstrebiger“ zu spielen, wie es Kimmich ausdrückte. Bedeutet konkret: Deutschland muss vertikaler spielen, den Gegner mehr bewegen, um Freiräume zu generieren, in denen die hochveranlagten Offensivkräfte ihre Technik ausspielen können. Nur ein einziges erfolgreiches Dribbling steht in den Statistiken des Spiels. Und vielleicht sollte Löw dann auch über seine Startelf nachdenken. Neben Kimmich funktionierte auch das Duo Kai Havertz und Müller überhaupt nicht. Zudem wäre er wohl gut beraten, Hummels und Antonio Rüdiger häufiger in das Aufbauspiel mit einzubinden. Auffällig gegen Frankreich war, dass Kroos sich oft weit hinten die Bälle holte und sich somit kaum ins Angriffsspiel einschaltete. Dabei haben die beiden Innenverteidiger in der Spieleröffnung ihre Stärken.

Noch ist natürlich nichts verloren für die deutsche Nationalmannschaft, wenngleich „Druck auf dem Kessel ist“, wie Goosens es formulierte. Die Rechnung ist einfach. „Wir haben null Punkte, trotzdem müssen wir den Kopf oben behalten. Es gibt noch sechs Punkte, die wir holen können“, rechnete Kroos vor. Dann wäre man sicher im Achtelfinale.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zeit für Veränderung
Kommentar zum Bierhoff-Aus Zeit für Veränderung
Zum Thema
Stimmiges Innenleben
Kommentar zur DFB-Auswahl Stimmiges Innenleben
Aus dem Ressort
Spiel nach dem Prinzip Hoffnung
Kommentar zum EM-Auftakt des DFB-Teams Spiel nach dem Prinzip Hoffnung