Analyse Trump und die Kongresswahlen: Ein "großartiger Erfolg"?

Washington · US-Präsident Donald Trump hat die Kongresswahl zu einer Abstimmung über sich selber erklärt. Dass seine Republikaner zwar den Senat gehalten, das Repräsentantenhaus aber verloren haben, schmälert Trumps Ego überhaupt nicht - auch wenn sein Leben nun schwerer wird.

US-Präsident Donald Trump ist berüchtigt dafür, dass er sich seine Wirklichkeit zurechtbastelt. Seine Beraterin Kellyanne Conway prägte einst den Begriff "alternative Fakten".

Dass die oppositionellen Demokraten bei den Kongresswahlen das Repräsentantenhaus gewannen, hielt Trump nicht davon ab, am Mittwoch einen "großen Sieg" auszurufen. Zwar gelang es seinen Republikanern, den Senat zu halten, vermutlich konnten sie ihre Mehrheit in der zweiten Kammer sogar ausbauen. Dass es für Trump nun unangenehm werden dürfte, machte der Präsident allerdings selber deutlich.

Selten dürfte eine Zwischenwahl in den USA mit mehr Spannung verfolgt worden sein als die am Dienstag. Die sogenannten Midterms waren die erste landesweite Abstimmung seit Trumps Wahlsieg vor zwei Jahren - und Trump hatte sie zu einem Votum über sich selber erklärt.

Trump ist ein Präsident, der die Öffentlichkeit belügt, der politische Gegner beleidigt, der Verbündete verprellt, der alle Normen auf den Kopf stellt. Die Demokraten hatten gehofft, den Republikanern bei den Kongresswahlen die Quittung für diese präsidiale Dampfwalzen-Politik zu präsentieren. Wer aber darauf spekulierte, mit den Kongresswahlen werde Trump die Rote Karte gezeigt, sah sich nach Schließung der Wahllokale getäuscht.

Für Zwischenwahlen - die traditionell zu einer Abrechnung mit der Partei des Präsidenten werden - sind Trump und die Republikaner verhältnismäßig glimpflich davon gekommen. Nach den Midterms vor vier Jahren stand Trumps demokratischer Vorgänger Barack Obama einer republikanischen Mehrheit in beiden Kammern gegenüber, die seine Regierung in den letzten beiden Jahren seiner Amtszeit lähmte.

Schon 2010 hatten die Demokraten zur Mitte von Obamas erster Legislaturperiode das Repräsentantenhaus verloren. Obama übernahm damals die Verantwortung dafür und räumte eine "komplette Niederlage" ein. Bei Trump gehören solche Selbstzweifel nicht zum Repertoire. "Nichts ist von zentralerer Bedeutung für sein Selbstbild, als dass er keine Fehler macht und dass es die Schuld von jemand anderem ist, wenn etwas Schlechtes passiert", schrieb das Magazin "Politico".

Mit der republikanischen Mehrheit im Senat sind zumindest Trumps Personalentscheidungen nicht blockiert, was den Präsidenten, der in hoher Taktung heuert und feuert, erleichtern dürfte. Der Senat ist jene Kammer im Kongress, die Trumps Ernennungen bestätigen muss, seien es Bundesrichter, Minister oder Botschafter.

Eine Gelbe Karte bekam Trump vom Wähler allerdings trotzdem präsentiert. Die von manchen Republikanern befürchtete "blaue Welle" - Blau ist die Farbe der Demokraten - blieb zwar aus. Der von Trump erklärte "großartige Erfolg" bei der Wahl wirkt aber zweifelhaft, wenn man sich vor Augen führt, wie schmerzlich Trump der Verlust des Repräsentantenhauses treffen könnte.

Die Demokraten können mit ihrer Mehrheit künftig Gesetzesvorhaben blockieren. Und sie könnten ein Amtsenthebungsverfahren einleiten. Trump muss nach derzeitigem Stand zwar nicht befürchten, tatsächlich aus dem Amt gejagt zu werden - das müsste der Senat mit einer Zweidrittelmehrheit beschließen. Die Demokraten im Repräsentantenhaus dürften Trump aber mit Untersuchungen das Leben schwer machen.

Trump-Beraterin Conway sagte dem Sender CNN am Mittwoch: "Der Präsident ist wegen gar nichts nervös." Trumps Tweet um 8.04 Uhr am Morgen - es war der neunte seit Mitternacht - sprach allerdings eine andere Sprache. Darin warnte der Präsident die Demokraten davor, mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus Ermittlungen gegen ihn und seine Regierung einzuleiten - und drohte der Opposition seinerseits mit Untersuchungen.

Dass der einstige Baumagnat womöglich einiges zu verbergen haben könnte, darauf deutet zum Beispiel hin, dass er die Veröffentlichung seiner Steuererklärungen verweigert. Nicht ausgeräumt ist auch der Verdacht, sein Wahlkampfteam könnte 2016 geheime Absprachen mit Russland getroffen haben. Vorsichtshalber hatte Trump-Sprecherin Sarah Sanders die Demokraten noch vor Bekanntwerden der Ergebnisse gewarnt: "Wenn die Demokraten das Repräsentantenhaus holen, sollten sie keine Zeit mit Ermittlungen verschwenden. Sie sollten sich auf das konzentrieren, wofür die Leute sie gewählt haben."

Viele Menschen dürften die Demokraten allerdings just dafür gewählt haben, dass sie Trump ausbremsen. In einer Nachwahlbefragung des Senders CNN erklärten 39 Prozent der Befragten, ihre Stimme sei eine gegen Trump gewesen. Nur 26 Prozent sagten, sie wollten Trump mit ihrer Wahl unterstützen. Bezeichnend auch, dass mehr als drei Viertel der Befragten meinten, dass das Land tiefer gespalten sei als früher.

Maßgeblich verantwortlich dafür ist Trumps hitzige Rhetorik. Im Wahlkampf machte er unablässig Stimmung gegen Migranten. Den Demokraten unterstellte er, sie wollten Amerika zu einer Art sozialistischem Venezuela mit offenen Grenzen machen. Dass seine Rhetorik problematisch sein könnte, räumte Trump in einem für ihn seltenen Moment der Einsicht kurz vor den Midterms selber ein.

Der Sinclair-Sendergruppe sagte er am Tag vor der Wahl auf die Frage, ob es etwas gebe, was er in seiner Amtszeit bereue: "Ich hätte gerne einen viel sanfteren Umgangston. Ich habe das Gefühl, dass ich bis zu einem gewissen Grad keine Wahl habe. Aber vielleicht habe ich die." Ein sanfter Donald Trump? Das scheint schwer vorstellbar, und vielleicht war die Aussage für jene Wähler gedacht, die zwar Republikaner sind, sich aber von Trumps Rhetorik abgestoßen fühlen.

Vor diesem Hintergrund war wenig verwunderlich, dass Trump schon am Tag nach der Wahl wieder in seinen alten Duktus zurückfiel. Der Präsident kritisierte die "gemeinen und feindseligen Medien". Experten und TV-Moderatoren, die ihn und die Republikaner "für diese großartigen Midterm-Wahlen" nach seinem Dafürhalten nicht genug würdigten, warf er die Verbreitung von "Fake News" vor. Und Trump wäre nicht Trump, würde er sich nicht selbst am meisten loben.

An seine mehr als 55 Millionen Twitter-Follower verbreitete Trump noch in der Wahlnacht den Tweet des konservativen Kommentators und Schauspielers Ben Stein, der ihm bescheinigte: "Trump is the magic man" (in etwa: Trump ist der Zauberer). Dann twitterte der Präsident Aussagen eines Moderators seines Haussenders Fox, der meinte, siegreiche Kandidaten der Republikaner hätten Trump ihren Erfolg zu verdanken. "Danke, ich stimme zu!", ergänzte der Präsident.

Dass Trump die Wahl als Erfolg deutet, lässt auch darauf schließen, dass er keine Notwendigkeit für eine Änderung seiner Politik sieht. Für Europa sind das schlechte Nachrichten. "Es wäre ein Irrglaube, nun auf Kurskorrekturen von Donald Trump zu setzen", schrieb Bundesaußenminister Heiko Maas am Mittwoch auf Twitter. Dessen Amtsvorgänger Sigmar Gabriel sagte bei einem Besuch in den USA am vergangenen Freitag mit Blick auf Trump und das transatlantische Verhältnis: "Dieses traditionelle westliche Bündnis kommt nicht zurück. Das hat er zerstört."

Auch im Handelskonflikt, den Trump mit der EU vom Zaun gebrochen hat, herrscht lediglich ein Waffenstillstand. Gelöst ist der Streit noch immer nicht. "Die Europäische Union wurde gebildet, um uns beim Handel auszunutzen", sagte Trump dem Sender CBS im Wahlkampf: "Niemand behandelt uns viel schlechter als die Europäische Union."

Was Trump allerdings geschafft hat: Durch seine Polarisierung hat er die Wähler mobilisiert. CNN berichtete am Mittwoch, 113 Millionen Menschen hätten abgestimmt - rund 30 Millionen mehr als bei den Zwischenwahlen vor vier Jahren. "Sie wissen, dass die Midterms langweilig waren", sagte Trump am Montag bei einer Veranstaltung zum Ende des Wahlkampfs. "Jetzt ist es wie die heißeste Sache."

Dieses Momentum wird Trump versuchen beizubehalten. Denn selbst wenn die Midterms vorbei sind: Der Countdown zur nächsten Abstimmung hat bereits begonnen. Mit Stand Mittwoch waren es noch 726 Tage bis zur Präsidentenwahl 2020. Der republikanische Senator und Trump-Vertraute Lindsey Graham sagte am Dienstagabend: "Ich denke, dass Trump auf einem guten Weg ist, wiedergewählt zu werden."

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