Griechenland Unterwerfungsvertrag oder Hilfe für Athen?

Kritiker nennen die Liste eine bedingungslose Kapitulation, die Staats- und Regierungschefs sprechen von einem Reform-Fahrplan.

 Nach dem Mammutgipfel von Brüssel: Straßenszene in der griechischen Hauptstadt Athen.

Nach dem Mammutgipfel von Brüssel: Straßenszene in der griechischen Hauptstadt Athen.

Foto: AFP

Die Ergebnisse des Sondergipfels der Euro-Familie sollen die Gegenleistung für ein drittes Hilfspaket über 82 bis 86 Milliarden Euro sein. Hier die wichtigsten Bestimmungen und die nächsten Schritte im Überblick:

  • Bereits am heutigen Dienstag werden die EU-Finanzminister ein Modell zur Soforthilfe für Griechenland beraten, damit die Banken rasch wieder öffnen können.
  • Bis zum morgigen Mittwoch muss das Parlament in Athen eine Mehrwertsteuerreform billigen, die drei Stufen (6, 13, 23 Prozent) einführt. Unterm Strich sollen die Sätze mindestens eine Milliarde Euro Mehreinnahmen im Monat bringen. Außerdem muss eine Rentenreform beschlossen werden. Das Parlament muss darüber hinaus festschreiben, dass Budgetkürzungen greifen, sobald die geplanten Sparziele nicht erreichbar scheinen. Zusätzlich soll Athen die EU-Richtlinie für eine Rekapitalisierung der Banken akzeptieren. Bewertung: Diese Vorschläge gehören schon seit jeher zu den Forderungen der Geldgeber. Athen hat sie immer wieder zurückgewiesen - beim Referendum wurden sie abgelehnt.
  • Erst nach dieser Vorleistung am Mittwoch werden die nationalen Parlamente um einen Verhandlungsauftrag für das dritte Hilfspaket gebeten.
  • Athen verpflichtet sich, bis spätestens Oktober eine umfassende Rentenreform vorzulegen, die Ladenöffnungszeiten zu lockern, die Märkte für Medikamente, Backwaren und Milch zu liberalisieren, Berufe, in denen es bisher keinen Wettbewerb gibt (zum Beispiel Fährdienste), für Konkurrenz zu öffnen, den Stromnetzbetreiber AFDMIE zu privatisieren, den Kündigungsschutz zu lockern, die Aufsicht der Banken zu verschärfen und eine Verwaltungsreform anzugehen. Bewertung: Viele Forderungen finden sich schon in den ersten Auflagen der Geldgeber vor fünf Jahren (beispielsweise die Privatisierungen, die bis 2015 durchgeführt werden und 50 Milliarden Euro einbringen sollten). Eine Rentenreform, mehr Wettbewerb in geschützten Marktbereichen sowie eine Verwaltungsreform waren von Tsipras lange abgelehnt worden, sie gehörten zu dem Katalog, der beim Referendum durchfiel.
  • Athen soll seine Staatsbeteiligungen in einen Treuhandfonds einbringen, der diese unter Aufsicht der Geldgeber verkauft. Der Großteil der Erlöse - erwartet werden 50 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren - dient zur Begleichung von Schulden. Ein Viertel (12,5 Milliarden) verbleibt als Wachstumshilfe im Land. Bewertung: Nach Angaben des griechischen Premiers hält die Regierung lediglich Beteiligungen im Wert von sieben Milliarden Euro. Inzwischen wird überlegt, ob nicht genutzte Mittel des ersten EFSF-Rettungsschirms als Grundstock in den Fonds eingezahlt werden.
  • Bei Durchführung dieser Auflagen wird die Währungsunion gemeinsam mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bis zum Herbst die Vorarbeiten für ein drittes Hilfspaket abschließen. Die notwendigen 82 bis 86 Milliarden Euro dazu stammen aus dem ESM-Rettungsschirm. Eine Rekapitalisierung der Banken kann vorgezogen werden, wenn Athen im Fahrplan liegt. Die bis Mitte August fälligen Raten für die Europäische Zentralbank (EZB) und den IWF in Höhe von zwölf Milliarden Euro sollen durch ein finanzielles Hilfsprogramm aufgefangen werden.
  • Wichtigste Auflage: Die Regierung von Premier Tsipras muss noch in dieser Woche beginnen, alle Vorhaben zu streichen und Gesetze einzukassieren, die seit Januar 2015 erlassen wurden, aber der Sanierung des Landes entgegenstehen: Dabei geht es um Zusatzrenten, Mindestlöhne sowie die Wiedereinstellung von Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Gestoppte Privatisierungen sollen wieder in Gang gebracht werden. Bewertung: Der Euro-Raum will die Uhren zurückdrehen, weil vor dem Tsipras-Amtsantritt Griechenland auf einem guten Weg schien. Allerdings ist ein solcher Eingriff in die Autonomie eines Mitgliedslandes beispiellos.
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