Unwetter des Krieges zieht über die Insel hinweg
Die Franziskanerinnen von Nonnenwerth übernahmen die Pflege verwundeter Soldaten - Die Nonnen brachten weinende Kinder bei Tag und Nacht vor Bombenangriffen in Sicherheit
Bad Honnef. Eigentlich sollten Ruhe und Frieden ausgehen von dem Ort, den Franz Liszt 1841 als "kleines Paradies" bezeichnete. Doch die letzten Kriegsmonate des Jahres 1945 brachten auch über das Haus auf der Insel Nonnenwerth in Remagen Schrecken und Entbehrungen.
Ein Hort des Lebens nach den Regeln des heiligen Franziskus war die Liebfraueninsel seit 1854, eine herausragende Bildungsanstalt für Mädchen wurde sie nach dem Willen der Gründerin, Auguste von Cordier. 202 Franziskanerinnen waren es vor 60 Jahren, und die hatten in den letzten Kriegsmonaten eine neue Aufgabe.
Die Pflege von Menschen wurde ihnen ans Herz gelegt. "Der Plan, auf der Insel ein Lazarett zu errichten, ging im Januar 1942 in Erfüllung", heißt es in der Chronik zum 100-jährigen Bestehen. Wenig später schon trafen die ersten 93 Soldaten ein, die mit Erfrierungen an Händen und Füßen von der Ostfront kamen. Zuhause fühlten sich auch die 33 ungarischen Soldaten, die kein Wort Deutsch verstanden, aber schnell lernten.
Kurze Zeit später wurde das Lazarett aufgelöst. An seine Stelle rückte eine Abteilung der Kölner Universitätskinderklinik ein. Am 2. Januar 1945, dem schwarzen Tag von Remagen, erlitt auch das Krankenhaus Maria Stern einen Treffer. Weitere Schwestern kamen auf die Insel. Neben den Schwestern kümmerten sich sechs Ärzte um 130 Kinder. Mit den Angestellten und den 50 "Braunen Schwestern" wuchs die Zahl der Inselbewohner auf 730 Personen.
60 000 Windeln mussten monatlich gewaschen werden - und über allem immer wieder Bombenangriffe.
Die Brücke von Remagen war ein strategisches Ziel der Alliierten. Die Amerikaner, die am 7. März 1945 die Brücke einnehmen sollten, standen gerade bei Aachen. Tiefflieger überflogen wie Hornissen das Rheintal und versuchten, die Nachschubwege der deutschen Wehrmacht zu zerstören. Die Schwestern auf Nonnenwerth halfen den Pflegerinnen der Kinderklinik, die Kleinen aus den Betten zu holen. Sie hasteten in die Luftschutzkeller.
Der Luftdruck war so stark, dass an einem Tag 900 Fensterscheiben zu Bruch gingen. "Viele Stunden", so heißt es in der Chronik, "verbrachten wir bei Tag und Nacht im Keller, doch nicht müßig. Wenn der Strom einmal nicht unterbrochen war, stopften und strickten wir Strümpfe, schälten Kartoffeln und Kastanien, aus denen Stärke für die Hauben gemacht wurde. In den Luftschutzkellern der Kinderklinik ging es viel lebhafter zu. Dort brauchten Schwestern viel Geduld und starke Nerven, um die Schreie der Kleinen auszuhalten. Wie froh war man, wenn man das kleine Volk nach einem langen Kellertag wieder hinauf in die Betten bringen konnte. Doch vielleicht für nur fünf Minuten."
Ständig waren Schwestern zwischen Remagen und Rolandswerth unterwegs und schleppten bei bitterer Kälte gerettetes Gut. Im hohen Schnee wurden Bittgänge unternommen, um Brennmaterial für die Dampfkessel der Küche zu bekommen. "Manche unserer alten und kranken evakuierten Schwestern starben an den Strapazen und Entbehrungen der Flucht", so die Chronik. Der Schreiner hatte kein Holz mehr für die Särge, darum fertigte er sie aus den Zellenwänden des früheren Kinderschlafsaales.
Zu allem Überfluss, so berichtete Schwester Evodia Wolf in ihren Aufzeichnungen, hatte die deutsche Wehrmacht damit begonnen, eine Drahtseilbahn zur Beförderung von Munition zwischen Honnef und Rolandswerth zu bauen. Zwei Pfeiler sollten auf der Insel stehen. Das Hochwasser durchkreuzte die Planung. Doch am 24. Februar, das Wasser wich, nahmen Kriegsgefangene zum Schrecken der Nonnen die Arbeit wieder auf.
Durch den Bau der Seilbahn wurde die Insel zum Angriffsziel der Alliierten. Am 2. März schlugen zwei Bomben nahe den heutigen Tennisplätzen ein. Sie richteten keinen größeren Schaden an. Am 7. März wurden die Arbeiten an der Seilbahn eingestellt. Am 8. März versank das Inselboot der Schwestern unter amerikanischem Panzerbeschuss in den Fluten des Rheines. Menschen kamen nicht zu Schaden.
Die Schwestern auf Nonnenwerth hatten, wie unzählige andere Menschen, eine schwere Zeit mitgemacht und dachten an Wiederaufbau. Zwei Monate später hieß es in einem Dankgottesdienst: "Das Unwetter des Krieges zog mit Engelsfittichen über uns hinweg, allerdings mit starkem Donner und Blitzen und auch mit einigen leichten Einschlägen."
Heute leben noch 30 Franziskanerinnen auf der Insel. Unterricht im Gymnasium Nonnenwerth hält nur noch Schwester Andrea.