Kronprinz unter Druck USA und der Fall Khashoggi - warum Trump die Saudis braucht

Washington · Der Fall Khashoggi zwingt US-Präsident Trump zum Handeln. Auch aus den Reihen seiner Republikaner wird die Kritik an der saudischen Führung lauter. Dabei braucht Trump das Königreich - besonders vor der unmittelbar bevorstehenden Eskalation im Konflikt mit dem Iran.

 US-Präsident Donald Trump und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im Weißen Haus.

US-Präsident Donald Trump und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman im Weißen Haus.

Foto:  SPA/dpa

Eigentlich hat US-Präsident Donald Trump gerade einen Lauf: Die Wirtschaftsdaten sind super, im Handelsstreit mit Mexiko und Kanada hat er sich durchgesetzt, seinen Kandidaten für den Supreme Court durchgeboxt.

Trumps Zustimmungswerte steigen, vor den Kongresswahlen am 6. November scheinen die oppositionellen Demokraten wieder an Boden zu verlieren. Ein Thema bereitet Trump derzeit aber gehörige Kopfschmerzen: Der Fall des im saudischen Konsulat in Istanbul getöteten Regimekritikers Jamal Khashoggi, der auch bei Trumps Republikanern für Entsetzen und Wut sorgt.

Trump hat die Tötung des Journalisten, der im US-Exil lebte, scharf verurteilt. Was die mögliche Verantwortung der Führung in Riad angeht, ist sein Kurs weniger klar. Erst verbreitete er die Dementis des saudischen Königshauses, an denen es von Anfang an Zweifel gab. Als die Saudis dann einräumten, dass Khashoggi getötet wurde, verwies Trump zwar auf laufende Untersuchungen, nannte die Angaben aus Riad aber glaubwürdig - demnach kam der Journalist in Folge eines Faustkampfes im Konsulat ums Leben und wurde nicht auf staatliche Anordnung ermordet.

Am Dienstag dann nannte Trump den Fall ein Fiasko und sagte zu der von Saudi-Arabien lange geleugneten Tötung Khashoggis: "Die Vertuschung war eine der schlechtesten in der Geschichte von Vertuschungen." Außenminister Mike Pompeo kündigte erste Strafmaßnahmen gegen 21 saudische Verdächtige etwa im Königshaus und im Außenministerium an - sie dürfen künftig nicht mehr in die USA reisen. Trump und Pompeo ließen aber weiter offen, wer für die Tat verantwortlich ist.

Im Zentrum des Falls steht nun die Frage, was der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman wusste. Jener starke Verbündete also, auf den Trump bislang im Nahen Osten baute. Der Prinz äußerte sich am Mittwoch erstmals zu der Tötung des Journalisten, sprach von einem "abscheulichen Vorfall". Die Tat sei durch nichts zu rechtfertigen und "schmerzhaft" für alle Saudis. Sein Land unternehme alle Schritte, um die Ermittlungen abzuschließen und die "Verbrecher" vor Gericht zu bringen.

Zahlreiche Spuren weisen darauf hin, dass Personen aus dem engeren Umfeld Mohammed bin Salmans an der Tat beteiligt waren. Auch Trump schließt inzwischen eine Verstrickung des Thronfolgers nicht mehr aus. Der Prinz führe derzeit in zunehmendem Maße die Regierungsgeschäfte Saudi-Arabiens, sagte Trump dem "Wall Street Journal". "Er hat das Sagen, und wenn es also irgendjemand gewesen wäre, dann er."

Am Dienstagabend hatte der US-Präsident erklärt, er habe mit dem Kronprinzen telefoniert, und dieser habe ihm "nachdrücklich gesagt, dass er damit nichts zu tun hatte, dass das auf einer niedrigeren Ebene war". Zum wiederholten Male verwies Trump auch darauf, was für ein wichtiger Verbündeter Saudi-Arabien für die USA sei.

Trump setzte schon ein Zeichen damit, als er nach seiner Amtsübernahme im Januar 2017 als erstes Land überhaupt Saudi-Arabien besuchte. Für Trumps Nahost-Strategie ist das Königreich ein zentraler Pfeiler: Er braucht es, um seinen lange angekündigten Friedensplan zwischen Israel und den Palästinensern voranzutreiben. Vor allem aber benötigt Trump die Unterstützung Riads für sein zentrales Ziel: Die Eindämmung des Irans, Saudi-Arabiens regionalem Kontrahenten.

Der Fall Khashoggi kommt für Trump auch deswegen zur Unzeit, weil der Konflikt mit Teheran vor der nächsten Eskalationsstufe steht: Am 5. November treten US-Sanktionen gegen den Iran wieder in Kraft, die vor allem darauf abzielen, die wichtigen Ölexporte des Landes auf Null zu reduzieren - und der Iran führte im vergangenen Jahr täglich mehr als zwei Millionen Barrel Rohöl aus. Wenn sie auf dem Weltmarkt nicht ersetzt werden, steigt der Ölpreis. Bereits im Juni hatte Trump mitgeteilt, er habe den saudischen König Salman um eine Erhöhung der saudi-arabischen Fördermenge um bis zu zwei Millionen Barrel gebeten.

Der saudische Energieminister Chalid al-Falih sagte der russischen Agentur Tass am Montag, Saudi-Arabien wolle sein Öl nicht als politische Waffe einsetzen. Allerdings mochte er nicht ausschließen, dass der Ölpreis wegen der Iran-Sanktionen auf über 100 Dollar pro Barrel steigt - also um etwa ein Drittel. Höhere Ölpreise dürften negative Auswirkungen auf die amerikanische und überhaupt auf die globale Wirtschaft haben. Und auch Trumps Wähler ärgern sich, wenn sie an der Tankstelle tiefer in die Tasche greifen müssen.

Nicht nur ist Saudi-Arabien einer der wichtigsten Ölproduzenten weltweit, das Königreich ist auch der größte Abnehmer von US-Rüstungsgütern und ein wichtiger Investor. Trump wehrt sich zwar nicht prinzipiell gegen Sanktionen gegen Saudi-Arabien, über die er erklärtermaßen mit dem Kongress beraten möchte. Er wendet sich aber gegen lauter werdende Forderungen, Geschäfte mit den Saudis wegen der Tötung Khashoggis auf Eis zu legen.

Insgesamt spricht Trump von saudischen Investitionen im Umfang von 450 Milliarden Dollar, die dann gefährdet werden - 110 Milliarden Dollar davon im Rüstungssektor. Nach den Worten des Präsidenten wären Hunderttausende Arbeitsplätze in den USA betroffen. "Es wäre für uns nicht hilfreich, eine solche Bestellung abzusagen", meinte Trump. "Das schmerzt uns viel mehr als sie."

Noch bevor das Königreich Khashoggis Tod einräumte, hatte der saudische Sender Al-Arabija eine veritable Drohkulisse entworfen: Mit Sanktionen würden die USA "ihre eigene Wirtschaft erdolchen", schrieb Senderchef Turki Al-Dachil. In Riad würden Gegenmaßnahmen diskutiert, "die die US-Wirtschaft viel härter treffen würden als das Wirtschaftsklima in Saudi-Arabien". Al-Dachil deutete an, dass es nicht nur um eine Reduzierung der Ölfördermenge und um Investitionen, sondern auch um die Zusammenarbeit im Kampf gegen Terrorismus gehen könnte.

Der prominente republikanische Senator Lindsey Graham, der sich vom Kritiker zum Verbündeten Trumps gewandelt hat, will sich von Drohungen der Saudis nicht einschüchtern lassen. "Sie brauchen uns mehr als wir sie", sagte Graham Trumps Haussender Fox News. Er sei zwar nicht prinzipiell gegen Waffendeals mit Saudi-Arabien, "aber mit der derzeitigen Führung kann ich keine Geschäfte machen". An eine Unschuld des Kronprinzen glaube er keine Sekunde.

"Ich gehe davon aus, dass er verantwortlich für den Tod von Herrn Khashoggi auf die brutalstmögliche Art ist", sagte Graham. "Sie werden mich nie davon überzeugen, dass er das nicht gemacht hat." Der Senator forderte, gegen den Kronprinzen und seine engsten Mitarbeiter vorzugehen - und das Bündnis mit Saudi-Arabien so zu retten. Graham fügte hinzu, er selber sei es gewesen, der Mohammed bin Salman bei dessen Besuch in Washington eingeführt habe. "Ich habe mich in meinem Leben noch nicht so ausgenutzt gefühlt."

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