Liebhaberstücke mit Stil Die hölzernen Räder von Stefan Röhr

Fürstenwalde · Wer mit einem Rad von Stefan Röhr fährt, fällt unweigerlich auf. Seit neun Jahren konstruiert der Fürstenwalder Künstler hölzerne Lauf- sowie Fahrräder im besonderen Design. Den großen Durchbruch hat er mit seinen handgefertigten Unikaten noch nicht.

 Wer mit einem Rad von Stefan Röhr fährt, fällt unweigerlich auf. Seit neun Jahren konstruiert der Künstler hölzerne Lauf- sowie Fahrräder im besonderen Design. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Wer mit einem Rad von Stefan Röhr fährt, fällt unweigerlich auf. Seit neun Jahren konstruiert der Künstler hölzerne Lauf- sowie Fahrräder im besonderen Design. Foto: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Foto: Patrick Pleul

Stefan Röhr fällt gewissermaßen aus dem Rahmen. Seine hölzernen Konstruktionen auf zwei Rädern sind in erster Linie ein Hingucker, künstlerische Liebhaberstücke für das rollende Vergnügen, nicht aber für sportliche Höchstleistungen.

Auf den ersten Blick glaubt der Betrachter ein Motorrad vor sich zu haben - mit einem langgezogenen Radstand, dem gabelförmigen Lenker und dem sportlichen Sitz.

Seine handgefertigten Unikate entstehen in einer kleinen Werkstatt in Fürstenwalde (Oder-Spree). Neudeutsch heißen sie „Custom Bikes“, als nach Kundenwunsch gebaute „Maschinen“. Keine Massenproduktion, sondern Kunst. Denn Röhr ist eigentlich Maler mit einer kleinen Galerie, sowie Air-Brusher und Möbelbauer. Aktuell arbeitet er als Vertretungslehrer Kunst für die 10. Klassen an einer Oberschule seiner Heimatstadt. In einer Grundschule malt und sprayt er gemeinsam mit Kindern. „Angefangen vom Keller mit Tiefseemotiven bis hinauf unters Dach mit dem Weltall gestalten wir die Wände im Treppenhaus“, erzählt er stolz.

Zum Rad-Bau kam der 42-Jährige vor neun Jahren durch einen Zufall. Sein damals zweijähriger Sohn lernte gerade laufen. Der Vater fand im Sperrmüll das bunt bemalte Vorderteil eines Kinder-Laufrades und wollte es reparieren. „Dann aber begann ich ganz von vorn, zeichnete unzählige Entwürfe.“ Und da der Sohn etwas „Cooles“ wollte, kam Röhr die Idee für den Motorrad-Stil. „Laufräder schulen das Gleichgewicht bei Kindern. Der Übergang zum richtigen Fahrrad fällt ihnen dann nicht so schwer“, erklärt er, was ihn damals anspornte. Vater und Sohn wurden anschließend auf der Straße immer wieder angesprochen, woher sie denn das tolle Spielzeug-Rad hätten.

Aus bis zu 15 Einzelteilen

„Also fing ich an, meinen Prototyp weiter zu entwickeln“, erzählt der gelernte Maurer, dessen Laufräder je nach Kundenwunsch aus 12 bis 15 Einzelteilen bestehen. Auf seiner Internetseite, die gerade überarbeitet wird, sollen sich Interessenten ihr Rad künftig individuell zusammenstellen können. 16 Exemplare hat der Fürstenwalder bisher verkauft. Als er seinen hölzernen „Fuhrpark“ auf Messen vorstellte, war er auf großes Interesse gestoßen. Allerdings: „Die meisten wollten große Stückzahlen. Massenproduktion mache ich jedoch nicht. Meine Räder bleiben individuell“, sagt der Künstler, der hauptsächlich mit Stichsäge, Bohrmaschine und Akkuschrauber arbeitet.

Vor ein paar Jahren tüftelte er an seinem ersten „Custom Bike“ für Erwachsene, einem Fahrrad mit Acht-Gang-Nabenschaltung ohne weitere technische Raffinessen. Röhr blieb bei Birkenholz als Grundmaterial seiner Kreationen; und zwar ganz bewusst. „Das hat ganz viel mit Nachhaltigkeit zu tun. In dieser Wegwerf-Gesellschaft will ich damit ein Zeichen setzen. Meine Räder können von Generation zu Generation weiter vererbt werden“, sagt er.

Wenn unter Werkstoff und Ausgestaltung der Nutzwert leide, stehe so ein Rad mehr herum, als es genutzt werde, gibt Gunnar Fehlau, Herausgeber des „Radkulturmagazins“ und des Internetportals „Pressedienst Fahrrad“, zu bedenken. „Und das ist keinesfalls nachhaltig“, meint er. Das bestätigt Unternehmer Stefan Zirnsack aus Bad Saarow (Oder-Spree), Besitzer eines Röhr-Fahrrades.

Die meiste Zeit habe die hölzerne Konstruktion bei ihm im heimischen Wohnzimmer ihren Platz. „Es ist dekorativ, ein Unikat und sieht einfach toll aus“, sagt Zirnsack. Wenn er im Sommer mit seinem Roehr-Rad über die Seepromenade zum Bäcker fahre, sei er damit „schon ein Hingucker“, beschreibt er. Längere Strecken damit zu fahren, sei allerdings anstrengend, denn das Rad allein wiege ja 25 bis 27 Kilogramm.

Es muss nicht immer schön sein

„Generell müssen Räder gut zu fahren sein, leicht ist dabei der große Trend“, sagt Rebecka Hoch, Sprecherin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC). Ewas differenzierter sieht das Fahrrad-Experte Fehlau. „Für die einen muss sich das Rad in jedem Detail an der Funktion ausrichten und darf im Zweifel auch hässlich sein, wenn es dem Zweck dient“, erklärt er. Umgekehrt aber gebe es Stylisten, die auch mit unpraktischen Dingen radeln, solange es cool oder hübsch anzuschauen sei.

Röhr hat bereits vor gut drei Jahren den Beweis angetreten, dass sich mit seiner hölzernen Konstruktion durchaus gut Rad fahren lässt. Anlässlich des 200. Geburtstages des Fahrrads strampelte er nach eigenen Angaben sechs Wochen lang insgesamt 2488 Kilometer durch alle 16 Bundesländer. Er ist überzeugt davon, dass es einen Markt für seine Räder gibt, auch wenn er dafür einen langen Atem braucht.

Auf Kundenwunsch hin könne er seine Räder auch zu E-Bikes umrüsten, sagt der Künstler, der gerade an seiner ersten Konstruktion werkelt, bei der der Fahrer in einem Liegesitz in die Pedalen tritt. Und auch sein Sohn bekommt ein neues „Custom Bike“ vom Vater. Denn aus der Laufrad-Zeit ist der Junge längst herausgewachsen.

© dpa-infocom, dpa:210204-99-298344/2

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