Schlepper ohne Hightech Einen Oldie-Traktor gebraucht kaufen

Willich/Bochum · Historische Traktoren sind seit Jahren beliebt. Was ist dran an diesem Kult? Und wie finden Einsteiger das passende Modell?

 Duff-Duff-Duff-Duff-Duff: Wer Traktoren wie den Lanz Bulldog sieht, kann sie auch fast schon hören. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Duff-Duff-Duff-Duff-Duff: Wer Traktoren wie den Lanz Bulldog sieht, kann sie auch fast schon hören. Foto: Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa-tmn

Foto: Jens Büttner

Autos, Motorräder oder E-Bikes werden immer schneller, digitaler und mitunter komplizierter. Historische Traktoren zeichnen den kompletten Gegenentwurf: Die Agrarfahrzeuge fürs Feld sind langsam, analog und einfach zu verstehen. Grobstollige Reifen, ein luftiger Sitzplatz und ein vibrierender Dieselmotor.

„Viele Besitzer kaufen sich mit Schlepper ein Stück Erinnerung, ein Stück Vergangenheit“, sagt Alexander Bank. Im Gegensatz zu historischen Autos werden Schlepper weiterhin als Arbeitsgerät benutzt. Zudem sei die Technik überschaubar, so dass jeder halbwegs versierte Schrauber einen Traktor warten und reparieren kann, sagt Alexander Bank, der Journalist und Experte ist bei „Schlepper Post“, einer Zeitschrift für historische Agrarfahrzeuge.

Einen richtigen Boom auf Traktoren kann Aleksandra Lippert von Classic Analytics allerdings nicht feststellen. „Eigentlich wurden historische Traktoren schon in den 1980er Jahren wiederentdeckt. Viele Besitzer, meist Landwirte, haben ihre alten Maschinen nur abgestellt und erst Jahre später wieder hervorgeholt und nahtlos in die Brauchtumspflege gelenkt“, sagt die Expertin des Unternehmens zur Marktbeobachtung und Bewertung von Oldtimern. Viele Besitzer nutzen die historischen Trekker für Ausfahrten oder setzen sie für leichte Aufgaben im Betrieb ein.

Porsche und Lamborghini fürs Feld

Vor 15 bis 20 Jahren stiegen die Preise für Traktoren, seitdem befinden sie sich auf hohem Niveau. „Normale Bauernschlepper mit 20 PS gibt es günstig, dagegen kosten Fahrzeuge mit Allrad, Sechs- oder Achtzylindermotoren und mit viel Leistung deutlich mehr“, sagt Alexander Bank. Dazu zählt er unter anderem Unimog-Modelle und den IHC 1455 XL. Auch Traktoren von Porsche und Lamborghini stiegen in den vergangenen Jahren im Wert, was aber eher am Firmennamen liege als an der Qualität der Fahrzeuge.

Derzeit bietet der Gebrauchtwagenmarkt laut Alexander Bank eine große Auswahl von Schleppern der 1940er, 1950er und 1960er Jahre mit stagnierenden Preisen, wie der Lanz Bulldog. „Das sind tolle, aber archaische Fahrzeuge, die in Sachen Fahrkomfort und Start-Technik gewisse Ansprüche stellen“, sagt er.

Was kostet die Entschleunigung?

Aleksandra Lippert sieht den Markt zweigeteilt. Zu den bekannten Marken zählen unter anderem Deutz, Fendt, John Deere, Hanomag, Steyr, Hatz, MAN oder Lanz. „Die Nachfrage und Preise von kleinen Traktoren bis 20 PS hat sich in den vergangenen Jahren kaum verändert. Bei stärkeren Schleppern mit mehr Leistung haben die Preise hingegen stark angezogen“, sagt die Expertin. Beliebte Modelle wie Mercedes MB-trac mit ihren starken Sechszylindermotoren, große Schlepper von Eicher wie der 3002 Mammut, IHC 1455 oder Schlüter Profi-Trac haben eine große Fangemeinde. In perfektem Zustand kann ein Porsche Master 429 mit Vierzylinder etwa 85.000 Euro kosten, ein vergleichbarer Deutz D50 hingegen nur 15.000 Euro. Auch Importmodelle von großen Marken wie Massey Ferguson kosten weniger.

Wozu ein Oldie-Schlepper taugt

Generell rät Alexander Bank, sich vor dem Kauf über einige Punkte im Klaren zu sein: „Was will der Nutzer mit dem Schlepper?“. Für Holzarbeiten eigneten sich Mittelklassetraktoren wie Fendt Farmer und Favorit, Deutz D-Serie der 1960er und 1970er-Jahre oder IHC 523 und 624. „Allradantrieb ist da natürlich auch sinnvoll“, sagt der Traktor-Experte. Besitzern, die das Fahrzeug für entschleunigte Tagestouren einsetzen möchten, reicht ein Traktor mit Hinterradantrieb, dafür aber mit Schnellgang, damit er bis zu 40 km/h schnell fährt.

Wer darf eigentlich was mit dem Traktor machen?

Auch der eigene Führerschein kann die Auswahl begrenzen. „Bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 3,5 Tonnen reicht die Führerscheinklasse B. Für schwere Zugmaschinen benötigen private Fahrzeugführer die Klassen C oder C1“, so Thorsten Rechtien vom Tüv Rheinland. Beim „kleinen“ Traktorführerschein T dürfen Fahrer ab 16 Jahren land- oder forstwirtschaftliche Arbeiten erledigen, die Traktoren dürfen nicht schneller als 40 km/h fahren, mit Anhänger maximal 25 km/h. Für größere und schnellere Schlepper bis 60 km/h und einer maximalen Gesamtmasse von 40 Tonnen wird der T-Führerschein notwendig. Das gilt aber nur für eine landwirtschaftliche Nutzung. Wer als Privatmann mit einem großen Schlepper unterwegs ist, fährt unter Umständen ohne gültige Fahrerlaubnis.

Traktoren können auch mit 30 zum Oldtimer werden

Außerdem müssen schwere Traktoren über 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht alle zwölf Monate zur Hauptuntersuchung (HU), ebenso wie Fahrzeuge, die schneller als 40 km/h fahren. Bei Traktoren über 7,5 Tonnen kommt eine Sicherheitsüberprüfung nach sechs Monaten hinzu. Für Schlepper, die langsamer als 6 km/h fahren, entfällt dagegen die HU, auch wenn die Fahrzeuge den Bau- und Betriebsvorschriften unterliegen und in technisch einwandfreiem Zustand sein müssen.

Keine Probleme gibt es bei älteren Fahrzeugen mit der Einfahrt in Umweltzonen. Landwirtschaftliche Zugmaschinen dürfen ebenso einfahren wie Traktoren, die älter als 30 Jahre sind und als Oldtimer anerkannt sind. Für die gilt wie bei Autos: Sie müssen in einem möglichst originalen Zustand und erhaltenswert sein. „Bei ehemaligen Arbeitsgeräten gehört aber eine gewisse Patina dazu“, sagt Rechtien.

Auf dem Dorffest kann man eine neue Liebe finden

Viele Inserate finden sich nicht nur online auf Seiten wie „traktorpool.de“ oder „landwirt.com“, sondern auch in analogen Kleinanzeigen von Zeitschriften wie „Schlepper Post“ oder „Oldtimer Traktor“. „Aber auch auf Dorffesten fahren im Sommer häufig historische Traktoren, manche stehen auch zum Verkauf“, sagt Aleksandra Lippert. Den einen richtigen Tipp für Käufer kann sie nicht geben. „Es gibt kein klassisches Einsteigermodell. Meist entsteht eine Zuneigung zu einer Marke oder zu einem Modell durch Familie und Freunde“, sagt sie. Wichtig sei, dass der Traktor möglichst original und wenig verbastelt auf den Rädern stehe. Eine umfangreiche Dokumentation wertet jedes Fahrzeug auf.

Beim Kauf auf die Ersatzteilversorgung achten

Gängige Marken wie Fendt, Deutz oder IHC bieten eine gute Ersatzteilversorgung. Bei nicht mehr existierenden Marken wie Eicher, Kramer oder Hela sei diese schlechter, so Alexander Bank. „Wer nicht selbst schrauben kann, sollte sich vorher um Kontakte und Adresse kümmern, am besten von Besitzern. Die finden sich häufig in regionalen Clubs oder auf Traktortreffen“, sagt er.

Bei einer Besichtigung sollte der Gesamteindruck laut Thorsten Rechtien ebenso stimmen wie ein guter Zustand. Kontrolliert werden sollten unter anderem die elektrische Anlage, Lager, Wellen, hydraulische Anschlüsse, Gängigkeit der Lenkung, Öl-Undichtigkeiten, Lenkstangen und Bremse. „Da sich Traktoren anders fahren und sich anders bedienen lassen als Autos, sollten Interessenten sich Zeit für eine Probefahrt nehmen und sich die Technik genau erklären lassen“, sagt Rechtien. Sonst artet die beste Entschleunigung in Stress aus.

So fährt sich ein Oldie-Trecker

Klar, landwirtschaftliche Nutzfahrzeuge fahren sich ganz anders als Autos oder Motorräder. Aber wie genau fühlt es sich an, in der Fahrerkabine eines Traktors zu sitzen? Traktorexperte Dieter Lauffs vom Tüv Rheinland schildert es.

Wer Trecker fährt, sitzt weit oben über dem „Normalnull“ der meisten Auto- und selbst der SUV-Fahrer. Wie kommt man da hoch?

Dieter Lauffs: Der Aufstieg erfolgt in den meisten Fällen von hinten. Nach einem Geturne über Hebel, Pedale und das unter dem Fahrersitz befindliche Getriebe kann Platz genommen werden. Der Fahrer thront hoch über der Fahrbahn, häufig völlig frei sitzend auf einer Blechschale, die manche Menschen vielleicht nicht mal als Sitz erkennen würden. Vor sich sieht er eine schmale Motorhaube, links und rechts davon die mehr oder weniger frei stehenden Vorderräder.

Und oben angekommen kann's gleich losgehen?

Lauffs: Nach dem Einschalten der Zündung kommt in vielen Fällen zuerst das Vorglühen, bevor der Anlasserknopf gedrückt werden kann. Mit deftigen Vibrationen erwacht der Diesel dann zum Leben. Der Automatik verwöhnte Pkw-Fahrer entdeckt ein recht schwergängiges Kupplungspedal...und meist ein doppeltes Bremspedal.

Weil: Doppelt hält besser?

Lauffs: Bei alten Traktoren wirkt die Bremse nur auf die riesigen Hinterräder, die meist viel kleineren Vorderräder sind ungebremst. Durch zwei unabhängig voneinander bedienbare Bremspedale lässt sich ein Rad gezielt abbremsen, um die Lenkung zu unterstützen. Das hilft etwa auf schwerem Ackerboden, um besser mit den Vorderrädern aus einer Furche zu kommen. Auch lässt sich durch das Abbremsen eines der angetriebenen Hinterräder eine Differentialsperre simulieren. Zum Beispiel wenn ein Antriebsrad auf schwerem, weichem Boden trotz Ackerschaufelbereifung durchzudrehen beginnt und nicht mehr den erforderlichen Vortrieb liefern kann. Die Betätigung der Bremse dieses Rades lenkt quasi die Vortriebskraft auf das andere Antriebsrad um, welches noch genügend Grip besitzt.

Klingt für Neulinge kompliziert.

Lauffs: Ja vielleicht, aber für die Straßenfahrt müssen die Pedale unbedingt mechanisch miteinander gekoppelt werden, um ein Ausbrechen des Fahrzeugs bei einer Vollbremsung zu verhindern. Zu tun bleibt genug, denn nicht nur die Pedale sind natürlich schwer zu treten. Als historische Traktoren gebaut wurden, war nicht nur Automatikgetriebe ein Fremdwort. Auch Servolenkung und Servobremse - Dinge über die wir heute gar nicht mehr nachdenken - fanden sich in diesen Fahrzeugen noch nicht.

Aber nun kann's endlich losgehen?

Lauffs: Fast, da wären noch zwei Schalthebel. Neben den zumeist vier Gangstufen muss auch die Übersetzungsgruppe gewählt werden: Langsamfahrgruppe für den Ackereinsatz, oder Schnellfahrgruppe für High-Speed. Letzteres wären je nach Traktormodell vielleicht 20 km/h. Nachdem dann diese Hürde überwunden wurde, kann die Fahrt beginnen - ohne Federung und auf grobstolligen Reifen. Mit kurzem Radstand und äußerst indirekter Lenkung.

Eine Tortur? Oder macht das Fahren einfach nur Spaß?

Lauffs: Mit dem Trecker rollen Sie mit 20 km/h zwischen viel schnelleren Autos. Hier ist Fahren noch ein Erlebnis, der Mensch bezwingt die Maschine, auf Du und Du mit der Mechanik. Frei auf dem Sitz hört, sieht und spürt der Treckerfahrer seine Umwelt unmittelbar. Dieses direkte Erleben der Umgebung und die Auseinandersetzung mit der doch recht übersichtlichen Technik machen für viele Menschen den Reiz dieser historischen Landarbeitsmaschinen aus.

Jeder Spaß muss mal enden: Wie gut können Traktoren eigentlich bremsen?

Lauffs: Da nur die Hinterräder gebremst werden, ist die Bremsleistung nicht mit der moderner Fahrzeuge vergleichbar. Bei den geringen Geschwindigkeiten dieser Fahrzeuge ist dies allerdings nicht wirklich tragisch.

Dieter Lauffs ist seit 30 Jahren Prüfingenieur und Sachverständiger beim Tüv Rheinland. Zudem hat er viele Jahre Hauptuntersuchungen bei Treckern durchgeführt.

© dpa-infocom, dpa:210506-99-494872/2

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort