Steigende Bahnpreise Ist klimafreundlicher Nahverkehr zu teuer?

Berlin · Die Corona-Krise droht die von vielen geforderte Verkehrswende auszubremsen. Hinzu kommt, dass nach einer Untersuchung die Kosten für Bahnpendler deutlich gestiegen sind. Beim Radverkehr gilt derweil eine Stadt seit langem als Vorreiter.

 Die Allianz pro Schiene hält Ticketpreise im Bahnverkehr für zu hoch und spricht von einer „Sonderlast für klimafreundliche Pendler“. Foto: picture alliance

Die Allianz pro Schiene hält Ticketpreise im Bahnverkehr für zu hoch und spricht von einer „Sonderlast für klimafreundliche Pendler“. Foto: picture alliance

Foto: Armin Weigel

Für mehr Klimaschutz sollen eigentlich gerade in größeren Städten mehr Menschen vom Auto auf Bahnen und Busse umsteigen. In Corona-Zeiten ist die Lage für den öffentlichen Personennahverkehr aber schwierig, auch finanziell: Im Kampf gegen das Virus nutzen weniger Leute S- und U-Bahnen sowie Busse. Das ist politisch gewollt - die Firmen sollen mehr Homeoffice ermöglichen.

Bund, Länder und Verkehrsunternehmen müssten gemeinsam dafür sorgen, dass die Fahrgäste nach der Pandemie möglichst schnell in Busse und Bahnen zurückkehrten, sagte Oliver Wolff, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Denn nur so lassen sich die Klimaschutzziele im Verkehrssektor erreichen.“

Allianz pro Schiene hält Ticketpreise für zu hoch

Die Kosten der Unternehmen werden aber zu einem Großteil auch über Ticketeinnahmen finanziert. Und in dieser Frage sorgte am Freitag (29. Januar) eine Analyse des Verkehrsbündnisses Allianz pro Schiene für Aufregung.

Demnach sind die Kosten für Bahnpendler in den vergangenen Jahren deutlich stärker gestiegen als die für Autofahrer. Bahnnutzer im Nahverkehr zahlten im vergangenen Jahr im Schnitt 16 Prozent mehr als noch 2015. Autofahren verteuerte sich um 4 Prozent, wie aus der Untersuchung hervorgeht. Grundlage sind Daten des Statistischen Bundesamts. Die Differenz liege vor allem daran, dass die Fahrkartenpreise im Bahnverkehr in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen seien. Das müsse sich ändern.

Die Allianz pro Schiene sprach von einer „Sonderlast für klimafreundliche Pendler“ und forderte Entlastungen. „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Kosten für den klimafreundlichen Nahverkehr auf der Schiene stärker zunehmen als die für den motorisierten Individualverkehr mit seiner hohen Belastung der Umwelt und der Gesellschaft insgesamt“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege. „Wer sich für ein umweltfreundliches Verkehrsmittel entscheidet, darf dafür nicht finanziell bestraft werden.“ So müssten die Bahnen von der Stromsteuer befreit und die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms für elektrisch betriebene Züge deutlich gesenkt werden.

VDV-Hauptgeschäftsführer: ÖPNV kostet weniger als eigenes Auto

Analysen der Allianz pro Schiene zeigten, dass die Mehrwertsteuer-Entlastung im Bahn-Fernverkehr bei den Verbrauchern angekommen sei. So seien die Preise im Fernverkehr auf der Schiene 2020 um 15,4 Prozent gesunken. Die Schiene spielt eine wichtige Rolle im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung, wie auch deutlich mehr Elektroautos.

„Der alleinige Vergleich von prozentualen Preisanstiegen hinkt und sagt nichts über die tatsächlichen Mobilitätskosten aus“, sagte VDV-Hauptgeschäftsführer Wolff. Das Preisniveau für ein ÖPNV-Abo liege insgesamt deutlich unter den Kosten für Betrieb und Unterhalt eines Autos.

Richtig sei, dass die Ticketpreise im Nah- wie auch im Fernverkehr in den vergangenen Jahren „moderat“ gestiegen seien. Im Jahr 2020 habe die durchschnittliche Ticketpreissteigerung im ÖPNV bei 1,3 Prozent gelegen, 2019 im Schnitt bei 1,75 Prozent. Wolff: „Die Verkehrsunternehmen erwirtschaften daraus allerdings keine Gewinne, sondern investieren jeden Euro direkt wieder in den Betrieb. Davon werden also Löhne, Gehälter und weitere Kosten gedeckt. Je mehr ÖPNV angeboten wird, desto mehr Fahrzeuge und Personal wird benötigt.“ Die daraus entstehenden Kosten würden zu einem Großteil auch über Ticketeinnahmen finanziert.

Ziel ist besserer Verkehrsmix

„Bund und Länder haben uns gerade in diesem coronabedingt schwierigen Jahr mit einem Rettungsschirm von bis zu fünf Milliarden Euro im Hinblick auf entgangene Ticketeinnahmen massiv unterstützt und werden dies hoffentlich weiterhin tun“, so Wolff.

Seit längerem gibt es eine verkehrs- und klimapolitische Debatte, wie in staugeplagten Großstädten ein besserer Verkehrsmix erreicht werden kann - und ob dem Auto Raum weggenommen werden muss.

Bundesweit gilt Münster als eine „Fahrradhochburg“ und Vorreiter. Das zeigt nun erneut eine Untersuchung des ADAC zur Mobilität in mittelgroßen Städten: Die Verkehrsteilnehmer in Münster sowie in Rostock sind demnach am zufriedensten. Die beiden Städte erreichten beim Monitor „Mobil in der Stadt“ die insgesamt höchsten Indexwerte. Es folgen demnach Oldenburg und Freiburg. Am Ende des Rankings landen Krefeld und Mönchengladbach.

Untersucht wurde laut ADAC das Verkehrsverhalten in 29 mittleren Großstädten unter 500.000 Einwohnern. Dabei ging es darum, wie zufrieden Autofahrer, Kunden des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie Fahrradfahrer und Fußgänger mit der Verkehrssituation in der jeweiligen Stadt sind. Münster erreichte laut ADAC in den Teilindizes Pkw, Fahrrad und Fußgänger jeweils den ersten Rang. Beim ÖPNV lag Rostock vorne.

© dpa-infocom, dpa:210129-99-225684/3

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