Lancia Ypsilon: Mehr als schöner Schein

In keinem anderen Land gibt es so viel geballte Schönheit auf der Straße wie in Italien. Denn hier haben die größten Architekten aller Zeiten gewirkt, und hier zählt auch in Sachen Mode und Automobil stets der schöne Schein.

Selbst im kleinsten Fahrzeugsegment dürfen Glanz und Gloria nicht fehlen, wie der nagelneue Lancia Ypsilon unter Beweis stellen will. Ab 2. Juli lädt der Kleinstwagen zum ersten Mal seit dem Marktstart der Modellreihe im Jahr 1985 mit fünf Türen zur schicken Shoppingtour ein. Kostenpunkt: mindestens 12 500 Euro.

Rein äußerlich gibt sich der Neue im Vergleich zum Vorgänger deutlich flotter, um nicht zu sagen: beinahe elegant. Für die modische Optik sorgt die um rund sechs Zentimeter auf 3,84 Meter gewachsene Länge mit dem etwas niedrigeren Dach und dem nach hinten schmaler werdenden Fensterband an der Seite. Der Kühlergrill mit den glanzvollen und jetzt quer gelagerten Chromstreben ist nach wie vor recht groß für ein Auto dieses Formats, wirkt aber nicht mehr ganz so hoheitlich wie beim Vorgänger.

Dass der Kleine ein Fünftürer ist, sieht man ihm auf den ersten Blick nicht an, denn ähnlich wie beim Alfa Romeo Giulietta verschwinden die hinteren Türgriffe in den Fensterrahmen. Wer einen Blick von hinten riskiert, findet die vom Delta bekannte Heckscheibe, die nach unten hin offen zu sein scheint und die ebenfalls an den großen Bruder erinnernden Heckleuchten.

Auch im Inneren des Ypsilon hat sich etwas verändert, leider nicht nur zum Guten. Das Lancia-typisch zentral angeordnete Kombiinstrument ist jetzt nicht mehr unter einem integrierten Bogen zu finden, sondern wirkt wie ein etwas lieblos aufgesetzter Klotz, der von einem dünnen Dächlein überragt wird. Das hätte man sicherlich eleganter lösen können. Überhaupt hält das Interieur nicht ganz das, was die äußere Hülle und der Markenanspruch versprechen.

Das genau wie beim Vorgänger etwas zu groß geratene Lenkrad versprüht in der Kunststoffversion nicht gerade Luxus-Flair, und auch die anderen Materialien, die sich zwar weich und hochwertig anfühlen, sehen je nach Dekor auf den ersten Blick nach Sparsamkeit aus. Doch das kann man mit dem richtigen Griff in die Ausstattungskiste des Ypsilon vermeiden, denn vor allem die optional mit Stoff bezogene Armatur sieht hochwertig und peppig aus.

Die Motorenpalette umfasst zwei Benziner und einen Dieselantrieb. Der wohl spannendste Ottomotor ist der 0,9-Liter-Zweizylinder TwinAir, der bereits beim Fiat 500 im Einsatz ist. Mit seinem minimalen Hubraum und der variablen Ventilsteuerungstechnik Multiair soll er für sehr geringen Benzinverbrauch sorgen.

Der Hersteller gibt 4,2 Liter je 100 Kilometer an, was in der Praxis jedoch nur schwer zu erreichen ist. Denn der temperamentvolle Zwillingszylinder mit dem Fünfgang-Schaltgetriebe dürstet nach hohen Touren und dreht erst jenseits der 3 000er-Grenze so richtig auf. Das wird zwar von stetig lauter und höher werdenden Motorengeräuschen begleitet, die jedoch trotz ihrer hohen Präsenz einen gewissen Charme haben.

Im unteren Drehzahlbereich, in den einen die serienmäßige Schaltpunktanzeige immer wieder hinein bugsieren will, fängt der Motor schnell an zu stottern und gibt sich schlaff und kraftlos, so dass man rasch zum griffgünstig positionierten Schalthebel greift und das Fünfganggetriebe einen Gang zurückschaltet.

Gut, dass wenigstens beim Ampelstopp die für alle Motoren serienmäßige Start-Stopp-Automatik für ein wenig Sparsamkeit sorgt. Zwar ruckelt der "Pausenaufseher" beim Abschalten des Motors ein wenig, dafür lässt er beim nächsten Tritt auf die Kupplung den Motor problemlos und recht flott wieder starten.

Selbst bei angesichts sommerlicher Temperaturen aufgedrehter Klimaanlage hat die Batterie genug Saft, um den Motor zwischenzeitlich ruhen zu lassen - das ist bei vielen Konkurrenzprodukten nicht selbstverständlich. Während das Fahrwerk des Flitzers einen guten Eindruck macht und die Schlaglöcher der italienischen Straßen mit viel Engagement ausbügelt, wirkt die Lenkung recht schwammig. Sie dürfte die Fahrerbefehle ruhig etwas direkter ausführen.

Aber "scusi", das sind Details. Das eigentlich Schöne am Lancia ist die große Auswahl an bunten Farben und Materialien, mit denen sich der kleine Italiener in ein echtes Schmuckstück verwandeln lässt. Dank der vielen Farbtöne, der Bi-Color-Lackierungen, den verschiedenen Bezügen für den Innenraum, den Leichtmetallrädern und anderen Optionen sollen laut Lancia 600 Kombinationen möglich sein.

Und wer schon im Restaurant zeigen will, wie viel Stil und Extravaganz sein Kleinwagen hat, sollte sich für den mit Glitzersteinen besetzten Swarowski-Schlüssel entscheiden, der unter Umständen für ähnlich viel Aufsehen sorgt wie ein Porsche-Schlüssel.

Doch der Ypsilon setzt nicht nur auf Äußerlichkeiten, auch praktische Dinge sind dem Italiener nicht fremd. So kann gegen Aufpreis ein Einparkassistent geordert werden, der nach passenden Lücken sucht und den Lancia selbstständig hineinsteuert. Nur Gas geben und bremsen muss der Fahrer selbst.

Außerdem gibt es einen fünften Sitz, einen Tempomat, ein Glasschiebedach und Xenon-Scheinwerfer. Zur Serienausstattung gehören unter anderem ESP mit Berganfahrhilfe, aber keine Klimaanlage. Fahrersitz und Lenksäule sind höhenverstellbar.

Alles in allem ist der Lancia Ypsilon ein eher ungewöhnlicher Kleinstwagen. Bislang war die teure Designer-Shoppingtasche zumindest in Deutschland jedoch nicht sonderlich erfolgreich. Das könnte sich durch die fünf Türen, den gewachsenen Kofferraum, die neue Blechhülle und die hinzugekommenen Sparmaßnahmen in Zukunft ändern.

In Großbritannien und Irland geht der kleine Italiener ab September übrigens unter dem Logo von Chrysler auf Kundenfang. mid

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort