Interview mit Norbert Reinkober "Regionalbahn 23 - Uns ist ein großer Schritt gelungen"

BONN · Der neue Haltepunkt Helmholtzstraße der Regionalbahn 23 ist in Betrieb, und mit dem Fahrplanwechsel am vorigen Sonntag gibt es im Berufsverkehr wieder den 15-Minuten-Takt. Und es gibt weitere Pläne, die Strecke aufzuwerten. Mit dem Geschäftsführer von Nahverkehr Rheinland, Norbert Reinkober, sprach Rolf Kleinfeld.

Die RB 23 ist im Laufe der Jahre eine attraktive Strecke geworden. Was sind die nächsten Schritte?
Norbert Reinkober: Neben dem Haltepunkt Helmholtzstraße wurde zum Fahrplanwechsel auch der Haltepunkt Rheinbach-Römerkanal in Betrieb genommen. In einem Jahr folgen die Haltepunkte Bonn-Endenich Nord und Alfter-Impekoven. Voraussetzung dafür ist der zweigleisige Streckenausbau zwischen Duisdorf und Witterschlick, der in den Sommerferien 2014 geplant ist.

Was bedeutet das?
Reinkober: Damit gelingt es, diese vier zusätzlichen Stationen zu bedienen und trotzdem die Fahrzeit zwischen Euskirchen und Bonn nahezu beizubehalten (plus eine Minute). Üblicherweise kostet jeder neue Halt etwa 90 Sekunden, was bei vier zusätzlichen Stopps eine Verlängerung um fünf bis sechs Minuten ausmachen würde. Nun aber können alle bisherigen Anschlüsse in Euskirchen und Bonn beibehalten werden. Mit diesen Neuerungen ist uns für die RB 23 ein großer Schritt nach vorne gelungen.

Die neuen Fahrzeuge Coradia Lint werden bald ausgeliefert. Welchen Vorteil bringen sie?
Reinkober: Wie bereits damals bei den Talent-Fahrzeugen profitieren unsere Kunden auf der Voreifelbahn erneut von fabrikneuen Fahrzeugen. Sobald die RB 23 komplett auf Neufahrzeuge umgestellt ist, können in den Hauptverkehrszeiten die im Konzept hinterlegten Kapazitätsverbesserungen - also bis zu 50 Prozent mehr Sitzplätze bei den nachfragestärksten HVZ-Zügen - vollständig umgesetzt werden.

Mehr Sitzplätze, gut: Und sonst?
Reinkober: Wir können auch die Mitnahmemöglichkeiten für Fahrräder deutlich ausweiten, was insbesondere am Wochenende wichtig ist. Die neuen Fahrzeuge erfüllen die neuesten Umweltnormen im Bezug auf Schadstoffemissionen, sind 140 Stundenkilometer schnell (bisher 120 km/h, d.Red.) und gewährleisten einen behindertengerechten Ein- und Ausstieg. Außerdem sind in den Fahrzeugen Priority-Sitze mit vergrößerten Knieabständen in Türnähe vorhanden, um Behinderte, Schwangere oder Mütter mit Kinderwagen einen erleichterten Zugang zu gewährleisten. Hinzu kommen Klimaanlage, Videoüberwachung, Fahrgastzählsysteme und ein Fahrgastinformationssystem, das die nächsten Halte, Anschlüsse und Verspätungen jeweils aktuell anzeigt.

Was bedeutet das für die Anzahl der Sitzplätze?
Reinkober: Die neuen Fahrzeuge werden als zwei- und dreiteilige Fahrzeugen eingesetzt und bieten als Dreiteiler LINT 81.300 Sitzplätze, als Zweiteiler LINT 54 180 Sitzplätze. Die Kapazitäten werden nachfrageabhängig gesteuert, und in den Hauptverkehrszeiten können durch Kombination von LINT 81 und LINT 54 insgesamt bis zu 480 Sitzplätze angeboten werden. Außerhalb der Hauptverkehrszeiten reicht dann der LINT 81 mit 300 Sitzplätzen aus. Bei Sonderveranstaltungen kann die Kapazität durch eine LINT 81-Doppeltraktion auf bis zu 600 Sitzplätze gesteigert werden. Zum Vergleich: Die bisherige Kapazität war auf 320 Sitzplätze beschränkt gewesen.

Sie haben bei der Eröffnung des Haltepunkts Helmholtzstraße gesagt, man könne die Strecke auch S-Bahn nennen? Was hätte das für einen praktischen Vorteil?
Reinkober: Die Strecke Bonn-Eus-kirchen weist mit ihrem dichten Taktverkehr insbesondere während der Hauptverkehrszeit zwischen Rheinbach und Bonn, der dichten Haltestellenfolge und der höchsten Pünktlichkeit im NVR alle Merkmale auf, die üblicherweise im elektrischen S-Bahn-Verkehr bestehen. Daher ist diese Strecke im Zielkonzept des NVR auch als künftig zu elektrifizierende S-Bahn-Strecke enthalten. Aus dem politischen Raum gibt es ebenfalls erste Anstöße für eine Umbenennung.

In Duisdorf ist am Bahnhof noch der Bau einer Wendeanlage geplant. Warum?
Reinkober: Ursächlich hierfür ist es, künftig die aus dem Ahrtal kommende Linie RB 30 nicht mehr in Bonn Hauptbahnhof enden zu lassen, sondern bis nach Duisdorf zu verlängern, um umsteigefrei und direkt Duisdorf und den künftigen Haltepunkt "Bonn UN-Campus" zu verbinden, aber auch nach Bad Godesberg und nach Mehlem, sobald die Betriebssituation entlang der stark belasteten linken Rheinstrecke dies erlaubt. Dies ist derzeit jedoch nicht erkennbar.

Langfristig ist geplant, eine umsteigefreie Verbindung der RB23-Strecke mit der RB30 (Bonn-Ahrbrück) hinzukriegen. Warum ist das so schwierig?
Reinkober: Dieses Ziel wollten wir bereits mit der jetzigen Dieselnetzvergabe erreichen, allerdings ließ - wie sich durch umfangreiche gutachterliche Untersuchungen gezeigt hat - die stark angespannte Betriebssituation auf der linken Rheinstrecke aktuell noch keine Durchbindung zu. Hierzu bedarf es weiterer Infrastrukturausbauten, um die Fahrpläne beider Linien so konstruieren zu können, dass ein pünktlicher Betrieb gewährleistet werden kann. Wir hoffen aber, dass dies zukünftig einmal möglich sein sollte.

Von Euskirchen direkt an die Ahr und zurück, wäre das vor allem für Pendler eine sinnvolle Verbindung?
Reinkober: Umsteigefreie Direktverbindungen sind immer besser und bequemer, als Umsteigevorgänge in Kauf nehmen zu müssen. Verkehrlich interessant ist insbesondere die Direktverbindung aus dem Raum Rheinbach/Meckenheim/Alfter-Witterschlick in die Bereiche UN-Campus, Bad Godesberg und Mehlem. Natürlich ist für den Ausflugsverkehr an Wochenenden auch die Durchbindung von der Ahr nach Euskirchen und Bad Münstereifel sowie in Gegenrichtung interessant.

Wie steht es mit der Elektrifizierung der Voreifelbahn-Strecke, so dass keine Dieselloks mehr fahren müssten?
Reinkober: Genau das ist unsere Zielvorstellung. Deshalb wollen wir bis zum Ende dieses Dieselnetzvertrages elektrifiziert haben, damit wir dann einen elektrischen S-Bahn-Verkehr ausschreiben können. Nicht nur aus ökologischen Gründen spricht alles für den elektrischen S-Bahn-Betrieb. Auch die dichte Haltestellenfolge mit vielen Beschleunigungs- und Bremsvorgängen spricht dafür, denn Elektrofahrzeuge können die Bremsenergie wieder in das Netz zurückspeisen. Die aktuellen Dieselfahrzeuge sind eigens für das Kölner Dieselnetz hochgerüstet worden, weil standardmäßig nirgendwo sonst in Deutschland derartige Anforderungen bestehen. Dies ist natürlich teuer, aber da eine Elektrifizierung einer derartigen Strecke einen mindestens zehnjährigen Vorlauf hat, leider alternativlos gewesen.

Was würde das kosten und welchen Vorteil brächte es?
Reinkober: Die angenommenen Kosten dürften bei 50 Millionen Euro liegen. Die Betriebskosten elektrischer Fahrzeuge sind niedriger, weil der Unterhaltungsaufwand geringer und die Fahrzeuge langlebiger sind. Darüber hinaus reduzieren sich die Abgas- und Lärmbeeinträchtigungen für die Anwohner.

Zur Person

Norbert Reinkober ist 51 Jahre alt und Ingenieur für Verkehrswesen. Er ist seit November 2003 Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Rhein-Sieg GmbH und seit Januar 2008 auch Geschäftsführer der Nahverkehr Rheinland GmbH. Ab 1994 war er sieben Jahre lang für den Rhein-Sieg-Kreis als Verwaltungsdirektor tätig und für Nahverkehrsplanung und Regionalisierung zuständig. Seit Januar 2012 ist er zudem Vorsitzender des Netzbeirates der DB Netz AG.

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