Auf die harte Tour Unterwegs mit einem Hardtail-E-Mountainbike

Berlin · Neue E-Mountainbikes sieht man oft als Fully - vollgefedert mit Dämpfern an Vor- und Hinterbau. Sogenannte Hardtails sind weniger komfortabel, bilden preislich aber auch den Einstieg.

 Hardtail mit Motor: Das Canyon Grand Canyon:ON AL 8.0 ist ein E-Mountainbike, das gegenüber den so genannten Fullys am Hinterbau keine Dämpfung besitzt. Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Hardtail mit Motor: Das Canyon Grand Canyon:ON AL 8.0 ist ein E-Mountainbike, das gegenüber den so genannten Fullys am Hinterbau keine Dämpfung besitzt. Foto: Stefan Weißenborn/dpa-tmn

Foto: Stefan Weißenborn

Mittlerweile sind elektrische Mountainbikes bei vielen Fahrern beliebter als ihre nicht elektrifizierten Vorfahren - am Berg aus nahe liegenden Gründen.

Und längst haben sich die Mountainbikes - ob mit oder ohne Motor - in viele Untergattungen aufgesplittet: Von All-Mountain-Rädern als den Allroundern über Enduro-Bikes bis zu den kompromisslosen Downhill-Bikes mit flachem Lenkwinkel und Gabeln mit viel Federweg.

Während Fullys, also die zusätzlich zur Federgabel mit Rahmendämpfung ausgestatteten Mountainbikes, ein Plus an Komfort und Traktion im Gelände bieten, sind die Hardtails günstiger in der Anschaffung. Da E-Bikes ohnehin kein Schnäppchen sind, kann das den entscheidenden Ausschlag für preissensiblere Kunden geben. Wir waren unterwegs mit dem neuen Grand Canyon:ON AL 8 der Versandmarke Canyon.

Der Einsatzzweck: „Die Charakteristik des Rades kommt Anfängern entgegen“, sagt Thorsten Lewandowski von Canyon. Hardtails gebe es grundsätzlich in zwei Ausprägungen: mit Carbonrahmen „als möglichst leichte Sportraketen“ im Highend-Bereich oder als Räder wie das Grand Canyon:ON AL 8 mit Alu-Rahmen, die einen günstigen Einstieg in den Sport böten. Das Gewicht von 23,15 Kilo ist für ein E-Hardtail kein Top-Wert, geht aber mit Blick auf den üppigen Akku in Ordnung.

Das Modell sei ein Alltagsvehikel, mit dem man auch mal sportlich unterwegs sein könne - auf Schotterwegen, während der Feierabendrunde oder auf nicht zu anspruchsvollen Trails durch den Wald. Allerdings sei das Grand Canyon:ON nicht das geeignete Rad, um Biker mit viel Trailerfahrung zufrieden zu stellen, die bei Jumps damit auch „in die Luft gehen wollen“. Für extreme Spitzkehren und verblockte Pisten mit großen Steinen und Stufen sei das Rad nicht konzipiert.

Die Technik: Das Grand Canyon:ON fährt mit einem Mittelmotor, dem bevorzugten Konzept bei E-Mountainbikes. Im Tretlagerbereich recht unauffällig verbaut ist der neue Shimano-Motor Steps EP8. Leiser als zuvor, ist er nicht nur in der Bauform kleiner und um 200 Gramm leichter geworden als der zuvor integrierte E8000-Motor und wiegt jetzt 2,6 Kilo. Auch stärker ist er geworden. Gegenüber dem älteren Aggregat wurde das Drehmoment von 70 Nm auf 85 Nm angehoben.

Gespeist wird der 250-Watt-Motor EP8 von einem im Unterrohr versteckten und entnehmbaren In-Tube-Akku mit 630 Wattstunden, vollständig geladen zeigt das Display 180 Kilometer Reichweite an. Shimano verspricht, mit einer Schnellladung sei der Akku in 2,5 Stunden wieder zu 50 Prozent aufgeladen.

In der Preisklasse keine Selbstverständlichkeit, verzögern die Fahrt Hydraulik-Scheibenbremsen mit vier statt zwei Kolben, die mehr Bremskraft versprechen. Für wenig Kraftaufwand in den Fingern sind 203-Millimeter-Bremsscheiben montiert. Die Rockshox-Gabel bietet einen Federweg von 120 Millimetern, ein üblicher Wert in der Klasse. Für Fahrten in der Ebene oder bergauf lässt sie sich sperren, das Pedalieren wird dann effizienter.

Der Einfachantrieb mit Zwölffach-Kassette (10 bis 51 Zähne) ist mit Komponenten aus der Deore-Gruppe von Shimano bestückt, dazu zählen auch Schaltwerk und -hebel und Kette. Das Bike rollt auf 29-Zoll-Rädern, bei Rahmengröße S sind es 27,5 Zoll. In allen Ausführungen zieht Canyon 2,6 Zoll breite Profilreifen von Schwalbe auf.

Der Fahreindruck: Ein Hardtail fährt sich härter als ein Mountainbike mit Rahmendämpfung, das zeigt auch das Canyon. Der Hinterbau fühlt sich konzeptbedingt unkomfortabel an. Sobald gröbere Hindernisse wie Wurzeln überfahren werden, nimmt die Gabel ihnen zwar an Schrecken, doch man tut gut daran, den Po prophylaktisch etwas anzuheben, sonst setzt es Schläge ins Kreuz. Weil sich das ganze Bike in solchen Situationen vom Boden abhebeln kann, wird der Fahrer spätestens dann sowieso aus dem Sattel gedrückt.

Vom harten Rahmenmaterial Aluminium ist ebenfalls kein Komfort zu erwarten, auch der Alu-Lenker fühlt sich unnachgiebig an. Aber ein Lenker aus Carbon oder besser dämpfende Griffe würden das Canyon für die Zielgruppe wohl empfindlich teurer machen. Kostenloses Gegenmittel für mehr Dämpfung: den Reifendruck senken. Um die 2,5 Bar sind kein Problem für einen 80-Kilo-Menschen im Sattel.

Der Motor indes bietet kaum Anlass zu Kritik. Vielleicht ist er nicht ganz so leise, wie Shimano verspricht, verglichen mit Mittelmotoren von vor vier oder fünf Jahren ist er das allemal. Wichtiger ist seine Kraftabgabe. Die Drehmoment-Entfaltung fühlt sich natürlich an. Vor allem im überarbeiteten Trail-Modus gilt das: Je mehr man in die Pedale tritt, desto mehr Power gibt der Shimano ab - und umgekehrt. Damit entfallen viele Situationen, in denen man die Unterstützungsstufe wechseln müsste.

Das Rad kraxelt dank seiner 85 Nm auch steile Trails mühelos empor. Ab einer gewissen Steigung wird das Vorderrad leichtfüßig, so weit erwartbar. Man kann das aber gut ausgleichen, indem man etwas aus dem Sattel geht - ohne dass gleich der Grip verloren geht, weil weniger Körpergewicht auf dem Hinterbau lastet. Die Rahmengeometrie gibt das genauso her wie eine gewisse Laufruhe; auf ausgeprägte Wendigkeit ist das Bike nicht ausgelegt. Und sollte der Akku unterwegs mal schlapp machen, lässt sich das Canyon auch dann noch gut fahren, der Motor besitzt kaum Tretwiderstand.

Ausstattung, Zubehör, Peripherie: Über die E Tube Project App lassen sich die drei Unterstützungsmodi (Eco, Trail, Boost) individuell anpassen. Die Verbindung zum Fahrrad wird per Bluetooth hergestellt. So kann das maximale Drehmoment per Handy gedeckelt werden, falls man es sportlicher angehen lassen will. Das spart auch an Akkukraft. Die Einstellungen lassen sich in zwei verschiedenen Profilen speichern.

Praktisch im Oberrohr integriert ist neben dem An- und Aus-Knopf auch eine USB-C-Buchse, über die sich Gadgets laden lassen. Zudem hat die linke Kettenstrebe zwei Bohrungen; hier kann ein Fahrradständer angebracht werden. Wer das Hardtail doch mal einen Trail hinab jagen möchte, dem könnte eine versenkbare Vario-Sattelstütze fehlen, die aber nachrüstbar ist.

Der Preis: Das Canyon Grand Canyon:ON AL 8 kostet in den gängigen Größen M und L 3299 Euro, in Rahmengröße S 3099 Euro.

Das Fazit: Das Hardtail hält, was es verspricht. Der Dämpfungskomfort ist konzeptbedingt eingeschränkt, so dass man es nicht über Hindernis-Pisten oder steile Downhill-Passagen schicken sollte. Wer moderate Trail-Runden mit dem ein oder anderen Alltagseinsatz verbinden möchte, findet einen passenden, nicht überteuerten Begleiter.

© dpa-infocom, dpa:210222-99-545546/3

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