Verkehr Wege aus dem Verkehrskollaps

Viele Arbeitnehmer müssen pendeln und verstopfen Tag für Tag die Hauptverkehrsadern. Projektentwickler erschließen bevorzugt Wohnraum in Randlagen mit guter ÖPNV-Anbietung

 Kein ungewöhnliches Bild auf Bonner Autobahnen: Nichts geht mehr, der Verkehr staut sich.

Kein ungewöhnliches Bild auf Bonner Autobahnen: Nichts geht mehr, der Verkehr staut sich.

Foto: GA/NICOLAS OTTERSBACH

Die Themen Wohnen, Arbeiten und Verkehr sind eng miteinander verbunden. Tag für Tag pendeln rund 140 000 Menschen aus dem Kreis nach Bonn – 60 000 sind es in der Gegenrichtung. Deshalb fordert Markus Gelderblom (Haus & Grund): „Wir brauchen dringend ein überregionales, überstädtisches, kooperatives Baulandmanagement, das den Wohnungsbau räumlich ausgewogener verteilt.“ Jan-Peter Sattler-Riegel (Immobilienkontor Peter Sattler) bestätigt: „Die Verkehrssituation ist in Bonn eine Katastrophe. Es gibt wenige Hauptverkehrsadern, die zu den Stoßzeiten verstopft sind.“

Für ein Verkehrskonzept in Bonn unter Einschluss von Bahn und Bus gibt es laut Sattler-Riegel viele Lösungsvorschläge, um attraktivere Verbindungen zu realisieren: „Zum Beispiel wäre es überlegenswert, den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei anzubieten, wie es in manchen anderen europäischen Städten bereits praktiziert wird.“ Haus & Grund-Geschäftsführer Gelderblom findet, die Ticketeinnahmen sollten zum weiteren Ausbau des ÖPNV genutzt werden: „Zudem brauchen wir entfernungsabhängige Tarife und Taktverdichtungen.“ Christian Dorn (PSD Bank West eG) erläutert, wie der Wohnraummarkt den Verkehr beeinflusst: „Die Menschen müssen sich zunehmend in Richtung ländliche Regionen orientieren und sind dann oft aufs Auto angewiesen. Das verschärft die ohnehin angespannte Verkehrssituation in Bonn. In Stoßzeiten braucht man schon starke Nerven.“

Anders als viele Mitstreiter konzentriert sich die Bernd Reiter Gruppe bewusst auf die Randlagen, sagt Geschäftsleiterin Nina Reiter-Mönke: „Dabei merken wir immer wieder, dass eine direkte ÖPNV-­Anbindung, also mindestens eine Haltestelle vor der Haustüre, ein ganz entscheidender Standortvorteil ist.“ Reiter-Mönke beobachtet, dass die Menschen gar nicht mehr bevorzugt in der Innenstadt leben wollen, sondern lieber einen kurzen Weg ins Zentrum fahren, aber dafür gesünder wohnen. „Das hat auch etwas mit Work-Life-Balance zu tun.“ Natürlich berücksichtige man auch E-Mobilität oder Carsharing, aber eine gute ÖPNV-Anbindung könne das nicht ersetzen. „Übrigens haben auch die Verkehrsbetriebe in Köln und Bonn ihre Taktung an neue Bauprojekte in den Randlagen angepasst.“

Auch für Projektentwickler Martin Venjakob (Bonava Deutschland) stehen besonders jene Grundstücke in der Region im Fokus, die gut an den ÖPNV angebunden sind. In Bonn sei es erfahrungsgemäß schwierig, neue Flächen zu erschließen, anders sehe das in Alfter, Wesseling, Brühl oder Troisdorf aus. Venjakob betont, das Mobilitätsangebot neben der Straße müsse weiter ausgebaut werden: „Pläne wie etwa die S-Bahn-Verbindung zum Flughafen sind ebenso wichtig wie der Ausbau des Radwegenetzes.“ Bernd Meier (Hüttig & Rompf) ergänzt: „Der ÖPNV ist auch aus finanzieller Sicht wichtig. Viele Kunden schauen genau, ob sie auf die Anschaffung eines zweiten Autos verzichten können – und stecken das Geld lieber in das Eigenheim, um es schneller abzubezahlen.“

Roland Kampmeyer (Kampmeyer Immobilien) kritisiert, dass die Umsetzung von neuen Verkehrsprojekten so lange braucht: „Wenn man mit Menschen spricht, die mit Planverfahren zum Beispiel für eine neue Straßenbahnführung beschäftigt sind, wundert man sich nicht, wie viele Jahre so etwas dauert.“ Seit 2008 habe man in der Region eine sehr dynamische Nachfrage-Entwicklung am Immobilienmarkt und wisse um die dadurch bedingten Verkehrsprobleme. „Aber auch wenn wir jetzt schnell alle Planverfahren auf den Weg bringen, bräuchten wir mindestens weitere zehn bis 15 Jahre, um die Infrastruktur auf dem Niveau zu haben, wie wir sie heute benötigen.“

Haus & Grund-Hauptgeschäftsführer Gelderblom bestätigt: „Die Ideen zur Entlastung des Verkehrs sind ja da, es dauert nur zu lang.“ Gute Beispiele seien die rechtsrheinische Stadtbahnlinie über Niederkassel nach Köln, eine vierte Rheinbrücke, die vorurteilsfreie Prüfung einer Seilbahn auf den Venusberg oder der zweigleisige Komplettausbau der Linie 18 von Bonn nach Köln. Ob Radpendlerrouten, Park-and-Ride-Plätze, Mikro-Hubs für den Lieferverkehr: „Es gibt einen Haufen guter Ideen. Das Problem ist nur, dass die meisten nicht von heute auf morgen umsetzbar sind. Auch da bräuchte man im Planungsrecht Möglichkeiten zur Vereinfachung, ohne die Beteiligung der Bürger zu vernachlässigen.“

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