Wirtschaft - Auf zur Schallmauer

Der erste Düsenflug mit Heinkels He 178

Schneller fliegen als der Schall? Keine Utopie, vorrausgesetzt, der Antrieb stimmt. Pfeilflügel und Strahlturbine heißen die Zauberworte, die seit einem Vortrag Adolf Busemanns vom deutschen Luftfahrtforschungsamt 1935 die Flugzeugkonstrukteure auf Trab bringen. Bevor wissenschaftliche Studien über neue Antriebsarten richtig in Gang kommen, steht der Flugzeugbauer Ernst Heinkel im Werk Rostock-Marienehe schon kurz vor dem Abheben. Streng geheim läßt Heinkel zwei begabte Konstrukteure praktisch forschen: Wernher von Braun und seine Truppe am Flüssigraketenantrieb und Hans Pabst von Ohain am Strahlturbinentriebwerk.

1939 erntet Heinkel die Früchte seines Weitblicks. Flugkapitän Ernst Warsitz bringt kurz vor Kriegsbeginn zwei Maschinen heil zu Rekordruhm: am 20. Juni die HE 176, das erste Flüssigraketenflugzeug, und am 27. August - morgens früh zwischen drei und vier Uhr - die HE 178, das erste Düsenflugzeug der Welt. Es wurde eigens für Ohains Triebwerk HE S3 B gebaut, weil Heinkel dem Reichsluftfahrtministerium (RLM) einen fertigen Flieger vorführen will. Nach dem sechsminütigen Flug der HE 178 ruft Heinkel mitten in der Nacht seinen Gönner Ernst Udet zu Hause in Berlin an. Udet ringt sich Glückwünsche ab und beendet rasch das Gespräch: "Aber dann laß mich erstmal weiterschlafen."

Ein symptomatischer Satz: Als Udet und andere RLM-Kollegen sich erst im November 1939 die HE 178 vorführen lassen, reagieren sie mit mäßiger Begeisterung. Heinkels Eigenmächtigkeit gefällt den RLM-Referenten ohnehin nicht. Die Versuche mit Flüssigraketenantrieb unterbinden sie sofort: kein Forschungsbedarf, die HE 176 erhält Startverbot.

Das Interesse am Düsentriebwerk aber steigt - parallel zur Kriegsentwicklung. Im Lauf des Jahres 1941 wird dem Generalstab schmerzlich bewußt, daß deutsche Flugzeuge an der Front unterlegen sind. Während die Konstrukteure bei Heinkel, Junkers, BMW und Daimler, alle abhängig von RLM-Anweisungen, an der Strahlturbinentechnik feilen, wächst bei Göring und seinen Generälen das Verlangen nach schnelleren, kriegstauglichen Militärmaschinen. Junkers und BMW erhalten deshalb den Zuschlag für Serienproduktionen. Der Krieg zwingt die Konstrukteure, eiligst realisierbare Technologien zu liefern.

Kurz vor Kriegsende sind Düsenflieger im Einsatz: neben der Arado AR 234 und der Heinkel HE 162 vor allem die mit Junkers-Triebwerken bestückte Messerschmidt ME 262. Sie ist mit 870 Stundenkilometern schneller als die britische Gloster Meteor.

Nach der Kapitulation 1945 kommt das Know-how der deutschen Konstrukteure, viel komplexer als die kriegsbedingt frühreif in Serie gebrachten Triebwerke, den Alliierten zugute. In den Folgejahren steht die internationale Luftfahrt vor völlig neuen Herausforderungen, und vor allem die USA und die Sowjetunion streiten um die Überwindung der Schallgrenze und die Vorherrschaft im Düsenjet-Zeitalter. Eher nebenbei kommt die Verkehrsfliegerei auf Touren: 1969 gehen die ersten Überschall-Passagiermaschinen in die Luft: die sowjetische Tupolew Tu-144 und die britisch-französische Concorde. Heute "jetten" zahlungskräftige Concorde-Fluggäste in knapp drei Stunden von New York nach London oder Paris, mit 2,5 facher Schallgeschwindigkeit.

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