Aufruhr in Washington Zu Besuch in "Crazytown": Neues Woodward-Buch über Trump

Washington · Ein weiteres Enthüllungsbuch bringt US-Präsident Trump in Bedrängnis. Trump versucht, den Autor zu diskreditieren - was diesmal schwierig werden dürfte: Es handelt sich um den legendären Reporter Bob Woodward, der Erschütterndes aus dem Weißen Haus berichtet.

 Schlecht gelaunt: US-Präsident Donald Trump.

Schlecht gelaunt: US-Präsident Donald Trump.

Foto: Alex Brandon/AP

Das neue Buch von Pulitzer-Preisträger Bob Woodward (75) ist noch gar nicht erschienen, dennoch sorgt es bereits für eine scharfe Kontroverse.

Die "Washington Post" und die "New York Times" zitierten vorab aus dem Werk, und das Bild, das allein diese Zeitungsberichte vom Weißen Haus unter US-Präsident Donald Trump zeichnen, ist verstörend. Das gilt selbst unter der Prämisse, dass das politische Washington nach bald 20 Monaten Trump und nach früheren Enthüllungsbüchern ziemlich abgehärtet ist. Das Weiße Haus spricht von "Lügengeschichten" - und Trump ist aufgebracht.

Das Buch mit dem Titel "Fear - Trump in the White House" ("Angst - Trump im Weißen Haus") erscheint am kommenden Dienstag. Der Verlag Simon & Schuster wirbt, Woodward - der seit 1971 für die "Washington Post" schreibt - decke "das erschütternde Leben im Inneren von Präsident Donald Trumps Weißem Haus" auf.

Tatsächlich erscheint das Weiße Haus als Hort des Chaos, Trump als ahnungsloser Regierungschef, der Umgang miteinander als zutiefst respektlos - und das alles in noch stärkerem Ausmaß, als Kritiker bislang vermutet haben.

Woodward berichtet etwa, nach einem Chemiewaffenangriff in Syrien im April 2017 habe Trump Pentagon-Chef James Mattis angerufen und gesagt, er wolle Präsident Baschar al-Assad umbringen lassen: "Lass ihn uns verdammt nochmal töten. Lass uns reingehen." Mattis habe dem Präsidenten zugesichert, er werde sich darum kümmern. Nach dem Telefonat habe Mattis einem hochrangigen Mitarbeiter gesagt: "Wir werden nichts davon tun. Wir werden viel maßvoller sein."

Bei einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats im vergangenen Januar soll Trump nach Darstellung Woodwards gefragt haben, warum die US-Streitkräfte so massiv auf der koreanischen Halbinsel vertreten sein müssten. Mattis Antwort laut Woodword: "Wir machen das, um den Dritten Weltkrieg zu verhindern." Nachdem Trump die Sitzung verlassen hatte, soll Mattis ihm das Verständnis "eines Fünft- oder Sechstklässlers" attestiert haben - so zitiert ihn der Autor.

Woodwards Recherchen werfen die Frage auf, wie viel Kontrolle Trump im Weißen Haus hat - und ob Trumps eigene Mitarbeiter den Präsidenten womöglich als Bedrohung für die Nation sehen. Der Autor schreibt, der damalige Wirtschaftsberater Gary Cohn habe "einen Brief von Trumps Schreibtisch gestohlen", mit dem der Präsident ein Handelsabkommen mit Südkorea habe aufkündigen wollen. Cohn habe einem Mitarbeiter später gesagt, er habe aus Gründen der nationalen Sicherheit gehandelt. Trump habe das Fehlen des Schreibens nicht bemerkt.

Woodward berichtet auch über die Verzweiflung im Weißen Haus über Trumps Twitter-Arien. Der frühere Chef des Stabes, Reince Priebus, habe Trumps Schlafzimmer - wo der Präsident Kabel-TV schaut und Tweets absetzt - als "Werkstatt des Teufels" bezeichnet. Als Twitter die maximale Zahl der Buchstaben in Tweets auf 280 verdoppelte, soll das Trump - der mit Literatur-Nobelpreisträgern sonst nicht viel am Hut hat - laut Woodward mit den Worten beklagt haben: "Ich war der Ernest Hemingway der 140 Buchstaben."

Trump habe Priebus wiederum mit "einer kleinen Ratte" verglichen, schreibt Woodward - im Gespräch mit einem Untergebenen seines eigenen Stabschefs. Trump trennte sich im Juli 2017 von Priebus, ihm folgte John Kelly nach. Woodward berichtet, Kelly habe in kleiner Runde über Trump gesagt: "Er ist ein Idiot. Es ist sinnlos zu versuchen, ihn von irgendetwas zu überzeugen. Er ist entgleist. Wir sind in Crazytown."

Für Trump kommt das Buch zur Unzeit: In zwei Monaten stehen Zwischenwahlen zum Kongress an. Der Präsident ist außerdem in der Russland-Affäre unter Druck. Woodward schreibt, Trump sei von seinem damaligen Anwalt John Dowd davor gewarnt worden, bei Sonderermittler Robert Mueller auszusagen - weil er ansonsten Gefängnis riskiere.

Das Weiße Haus verschickte schon kurz nach Erscheinen der Berichte eine Mitteilung, in der Kelly dementierte, dass er Trump jemals einen Idioten genannt habe. "Er und ich wissen, dass diese Geschichte totaler BS ist." BS steht für "Bullshit", ein Wort, das in Mitteilungen des Weißen Hauses sonst eher nicht vorkommt. Auch Mattis und Dowd dementierten die ihnen zugeschriebenen Äußerungen.

Die "Washington Post" veröffentlichte auch den Mitschnitt eines Anrufs von Trump bei Woodward, nachdem dieser das Manuskript schon fertiggeschrieben hatte - der Autor hatte sich zuvor vergeblich um ein Interview mit dem Präsidenten bemüht. Trump sagt in dem Telefonat, niemand habe ihn über Woodwards Bitte informiert. Er nehme an, "es wird ein negatives Buch sein. (...) Das ist in Ordnung. Manche sind gut und manche sind schlecht."

Nach Erscheinen der Vorab-Berichte am Dienstag packte Trump dann aber doch der Ärger - dem er freien Lauf ließ, natürlich auf Twitter. "So viele Lügen und falsche Quellen", wütete er über das "bereits diskreditierte Woodward-Buch". Das Buch sei "totale Fiktion", "langweilig und unwahr". Trump warf die Frage auf, ob Woodward im Auftrag der oppositionellen Demokraten handele.

In einem weiteren Tweet am Mittwoch brachte Trump dann eine Änderung der Gesetze zum Schutz vor Verleumdung ins Spiel: "Ist es nicht eine Schande, dass jemand einen Artikel oder ein Buch schreiben kann, Geschichten frei erfinden kann und ein Bild von einer Person entwerfen kann, das buchstäblich das genaue Gegenteil der Tatsachen ist, und damit durchkommt, ohne Bestrafung oder Kosten?"

Woodwards Werk ist nicht das erste Enthüllungsbuch über Trumps unkonventionelle Präsidentschaft. Im Januar hatte "Fire and Fury" Washington erschüttert, das Buch des Autors und Journalisten Michael Wolff hatte die Frage aufgeworfen, ob Trump dem Amt gewachsen ist. Im vergangenen Monat hatte die frühere Mitarbeiterin des Weißen Hauses, Omarosa Manigault Newman, in ihrem Insider-Buch diese Zweifel nochmal verstärkt. Trump beschimpfte sie daraufhin auf Twitter als "Hund".

Wolff waren an einigen Stellen sachliche Fehler nachgewiesen worden, Manigault Newman hatte seit ihrer Entlassung im vergangenen Dezember eine Rechnung mit dem Weißen Haus offen. Trump und das Weiße Haus versuchen nun also, auch das Buch von Woodward zu diskreditieren - oder eben gleich den mehrfach ausgezeichneten Autor selber.

Ob die Strategie funktionieren wird, ist fraglich: Woodward ist einer der respektiertesten Journalisten weltweit. 1973 deckte er gemeinsam mit Carl Bernstein den Watergate-Skandal auf, der zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon führte. Der frühere Verteidigungsminister Robert Gates sagte 2014, er wünschte, er hätte den legendären Reporter für den US-Geheimdienst CIA rekrutiert - "weil er eine außergewöhnliche Fähigkeit dafür hat, ansonsten verantwortungsvolle Erwachsene dazu zu bringen, ihm ihr Herz auszuschütten".

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