Weltfrauentag Vorreiterinnen der Frauensache in der Region
Wie eine Frau mit Jahrgang 1930 gänzlich unprätentiös erst in der Wissenschaft und dann in der Politik Karriere machen konnte und daneben noch zwei Söhne aufzog, dafür ist Ursula Lehr ein Beispiel. Dabei hört sich der Lebenslauf dieser energischen Professorin glatt an, weil sie sich von hohen Hürden und politischen Neidern nie unterkriegen ließ. Von 1976 bis 1986 lehrte die Entwicklungsforscherin an der Uni Bonn. Dann erfüllte sie sich einen Traum: in Heidelberg das erste deutsche Institut für Gerontologie zu gründen. Seither war sie eine Instanz der Altersforschung. Als Endfünfzigerin wurde sie von Helmut Kohl vom Fleck weg ins Kabinett geholt, als Chefin des Ministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit. Nach der politischen Karriere konzentrierte sich die Bonnerin wieder auf die Forschung und war noch als 79-Jährige einige Jahre Vorsitzende des in Bonn sitzenden deutschen Senioren-Dachverbands.
Sie hat das bundesweit erste Frauenmuseum gegründet, und das 1981 im CDU-regierten Bonn: Marianne Pitzen, Jahrgang 1948, eine Künstlerin, die als Elfjährige an den Rhein kam und später mit ihrem Mann Horst in Bonn eine Galerie betrieb. „Ich wollte Frauen in der Kunst sichtbar machen“, sagt die Feministin. „Ich wollte neue Vorbilder aufzeigen und auch anderen Künstlerinnen Raum anbieten.“ Genau das habe sie mit dem Haus im Krausfeld realisiert. Es sei ihr dabei nie um Kommerz gegangen. „Ich wollte ein Korrektiv zu dem schaffen, was die Kunstgeschichte bis dahin geboten hatte: zu 99 Prozent nur männliche Künstler und Frauen, die Modell standen, aber offenbar selbst von Genialität weit entfernt waren.“ 2019 verhinderte das Pitzen-Team durch eine Spendenaktion die Schließung des Museums. Dass sie selbst ein Gesamtkunstwerk sei, bejaht sie lachend. Ihre Frisur mit den Riesenschnecken über den Ohren habe sie mit 17 von einer keltischen Frauenfigur abgeschaut. „Und so ist das geblieben.“
Monika Lohr war nicht nur die erste Gleichstellungsbeauftragte im Rhein-Sieg-Kreis, sie war 1986 die Erste in ganz Nordrhein-Westfalen, die die Sache der Frauen in den kommunalen Verwaltungen vorantrieb. Auch 1991 war sie wieder landesweit die erste Frau, Vorreiterin und Beispiel: Sie wurde zur Kreisdirektorin gewählt. Bis 1999 war sie allgemeine Vertreterin der Oberkreisdirektoren Walter Kiwit und Frithjof Kühn, später allgemeine Vertreterin des seitdem hauptamtlichen Landrats Kühn.
Neben den Kontakten zu den Bürgern war es ihr immer wichtig, andere Frauen zu ermutigen. Ihnen auch zu ihrem Recht zu verhelfen, war am Anfang oft nicht einfach. So habe der zuständige Amtsleiter einer Bewerberin auf eine Techniker-Stelle mit der Begründung abgesagt: „Sie hätten den Job, wenn ich Ihnen jeden Morgen die Anti-Baby-Pille geben könnte.“ Das ist inzwischen unvorstellbar – auch dank Frauen wie Monika Lohr.
Deutsche Zeitungen nannten Klara Marie Faßbinder spöttisch das „FriedenskIärchen“, weil sie sich ihr Leben lang für die Aussöhnung mit früheren Feinden einsetzte. Erst kurz vor ihrem Tod 1974 wurde das anerkannt. In den 1980er und 90er Jahren wurde dann ein Monatsblatt der Bonner Bürgerbewegung nach ihr benannt: die Friedensklärchen-Nachrichten.
Die gebürtige Triererin und spätere Wachtbergerin bezahlte ihren Einsatz immer wieder mit Repressalien. Die Nationalsozialisten entließen sie nach der Machtergreifung aus dem Schuldienst, weil sie die Aussöhnung mit Frankreich vorangetrieben hatte. Dass sie die Aussöhnung mit Osteuropa forderte, sorgte in der jungen Bundesrepublik für ihre Suspendierung von der Pädagogischen Hochschule in Bonn. 1966 verweigerte ihr Bundespräsident Heinrich Lübke die Annahme des französischen Ordens Ordre des Palmes Académiques. Erst 1969 konnte sie ihn von Bundespräsident Gustav Heinemann entgegennehmen.
Das Motto, unter das Rosi Gollmann den letzten Jahresbericht der von ihr gegründeten Andheri Stiftung und Hilfe stellte, dürfte auch der Leitspruch ihres Lebens sein: „Der eine wartet, dass die Zeit sich wandelt. Der andere packt sie kräftig an und handelt“, zitiert Gollmann Dante Alighieri. Und angepackt hat die heute 93-jährige echte Bönnsche ein Leben lang. Seit sie sich als junge Religionslehrerin traute, ihr erstes Hilfsprojekt für indische Waisenkinder zu organisieren. Mit erschütternden Erfahrungen von vor Ort im Kopf baute sie in jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit ihre Hilfe zur Selbsthilfe auf, die rund 13 000 neugeborene Mädchen in indischen Familien durch Aufklärung vor dem Tod rettete und 1,3 Millionen Blinden in Bangladesch durch Operationen zum Sehen verhalf. Die bescheiden lebende Gollmann begleitete 2012 ZDF-Moderator Markus Lanz nach Indien. Den Vorsitz ihres Vereins hat sie inzwischen weitergegeben. Aber ihr Herz schlägt weiter für ihr gewaltiges Lebenswerk.
Sie war eine der ersten Frauen im Kreistag des Siegkreises: Emma Bachem wurde am 30. März 1919 als Mitglied der Zentrumspartei in die Stadtversammlung in Königswinter gewählt. Später im Jahr bestimmte die Versammlung sie zur Kreistagsabgeordneten. 1922 wurde sie außerdem Landtagsabgeordnete für Preußen.
Aber Emma Bachem war durch ihre karitativen Aktivitäten in Königswinter bekannt, bevor Frauen wählen und gewählt werden durften. So richtete sie eine Suppenküche ein und organisierte während des Ersten Weltkriegs Platz für ein Lazarett. Im Kreistag setzte sie sich für die Erwerbslosen ein und forderte, mehr für die Bekämpfung von Tuberkulose und Geschlechtskrankheiten auszugeben – damals ein mutiges Thema für eine Frau. Sie wollte auch andere Frauen für Politik interessieren: Im Dezember 1918 informierte sie in einer Versammlung die neuen Wählerinnen über die Grundlagen des Wählens.