Foltermord von Siegburg erneut vor Gericht

Auf Weisung des Bundesgerichtshofs wird in Bonn ab Freitag die Strafe für Pascal I. überprüft

Foltermord von Siegburg erneut vor Gericht
Foto: Barbara Frommann

Siegburg/Bonn. Der grausame Foltermord, den drei junge Häftlinge der Justizvollzugsanstalt (JVA) Siegburg am 11. November 2006 an ihrem 20-jährigen Mitgefangenen in staatlicher Obhut begingen, sorgte bundesweit für Entsetzen, stellte den Strafvollzug auf den Prüfstand und offenbarte Missstände, die nachhaltig die Politik beschäftigen ( der GA berichtete).

Ab Freitag beschäftigt die Tat, und vor allem einer der drei Täter, noch einmal das Bonner Landgericht - auf Weisung des Bundesgerichtshofs (BGH) und erneut begleitet von einem großen Medieninteresse.

Der BGH hatte das erstinstanzliche Urteil auf Revision der Staatsanwaltschaft am 13. Oktober 2008 im Strafmaß gegen den zur Tatzeit 19-jährigen Pascal I. aufgehoben und zur Neuverhandlung an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Diesmal sitzt der heute 21-jährige Pascal I. allein auf der Anklagebank, und diesmal droht ihm die Höchststrafe: lebenslange Haft und der Vorbehalt der Sicherungsverwahrung.

Am 4. Oktober 2007 hatte das Bonner Jugendschwurgericht die drei jungen Häftlinge der JVA Siegburg, die ihren 20-jährigen Zellengenossen Hermann H. nach fast zwölfstündiger Folter erhängt hatten, verurteilt: den bei der Tat 17-jährigen Danny K. zu zehn Jahren Jugendhöchststrafe, den 20-jährigen Ralf A. zu 14 und Pascal I. zu 15 Jahren Haft - nach einer Sonderregelung des Erwachsenenstrafrechts. Begründung der Kammer: Man sehe für den zwar reichlich, aber nicht einschlägig vorbestraften Pascal I. noch einen Hoffnungsschimmer.

Dagegen hatte Oberstaatsanwalt Robin Faßbender, der für Pascal I. lebenslange Haft und den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung gefordert hatte, Revision eingelegt - mit Erfolg. Denn der BGH befand: Die positive Prognose des Bonner Jugendschwurgerichts für den vom psychiatrischen Gutachter als "dissoziale" und nicht mehr sozialisierbare Persönlichkeit beurteilten Pascal I. stütze sich nicht auf Tatsachen, sondern auf Vermutungen.

Die Gründe des Bonner Gerichts, kein lebenslange Haftstrafe zu verhängen, bezeichnete der BGH als nicht tragfähig. Auch habe es die Bonner Kammer, so der BGH, zu Unrecht unterlassen, den Vorbehalt der Sicherungsverwahrung zu prüfen. Der Angeklagte habe neben dem Mord mehrere Vergewaltigungen und gefährliche Körperverletzungen begangen, da seien für die Androhung der Sicherungsverwahrung keine einschlägigen Vorverurteilungen mehr erforderlich.

Damit traf der BGH erstmals eine Entscheidung über die Anwendung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung für Heranwachsende, die für die Strafjustiz Signalwirkung hat: Die Gerichte können nun erheblich früher die Sicherungsverwahrung unter dem Vorbehalt verhängen, dass auch ein nicht einschlägig vorbestrafter Mehrfachtäter nach der Haftverbüßung gefährlich für die Allgemeinheit ist.

Und so geht es ab Freitag fünf Verhandlungstage lang um die Suche nach der richtigen Strafe für Pascal I., den Oberstaatsanwalt Robin Faßbender als "hochkriminelle Persönlichkeit" bezeichnete. Und um die Frage: Wie gefährlich ist der heute 21-Jährige? Er wurde als Kind Opfer von Gewalt, wurde in Kliniken und Erziehungsheimen untergebracht und beging schon als Strafunmündiger Straftaten, bis er am 11. November 2006 in der Gefängniszelle in Siegburg als Initiator den Startschuss gab für den Beginn des zwölfstündigen Martyriums eines Mithäftlings.

Bei der Urteilsfindung sollen dem Gericht nicht nur zwei psychiatrische Gutachter, eine Gefängnispsychologin, mehrere Justizvollzugsbeamte aus Siegburg und Köln, wo Pascal I. derzeit einsitzt, helfen. Auch Pascals I.'s Mutter soll als Zeugin über ihren Sohn aussagen.

Zur Tat selbst wird nicht mehr verhandelt. Dass es Mord war, ist rechtskräftig festgestellt. Dennoch werden erneut alle grausame Details zur Sprache kommen: Wenn die Kammer das Urteil der ersten Instanz verliest.

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