Kommentar Euro, Parlament und die Verfassung: Macht und Mogeln

Man kann über die Europa-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ganz grundsätzlich und sehr lange strittig debattieren. Aber eines ist klar: Wenn das Haushaltsrecht, das Königsrecht des Parlaments, verletzt wird, sehen die Karlsruher Richter rot und zeigen deshalb der Politik die entsprechende Karte.

Das Traurige daran ist: Weil das Verfassungsgericht dies in schöner Regelmäßigkeit tut, hätten es die Politiker wissen können. Schlimmer noch: Sie wussten, zumindest ahnten es und handelten dennoch verfassungswidrig, auch wenn Bundestagspräsident Norbert Lammert meinte, gestern noch kurz vor dem Richterspruch die demokratische Legitimation der Bundestagsentscheidung betonen zu müssen. Auch er hätte es besser wissen können.

Der Sachverhalt, um den es geht, ist sehr speziell. Es geht um ein Sondergremium des Bundestags, das Entscheidungen zur Euro-Rettung kontrollieren soll. Mit neun Abgeordneten ist es einerseits gerade so groß, dass jede Fraktion noch halbwegs im Verhältnis zu ihrer Stärke vertreten sein kann, andererseits so klein, dass Vertraulichkeit gewahrt bleiben kann. Und darum geht es bei den zum teil milliardenschweren Entscheidungen.

Deshalb hat Karlsruhe auch in speziellen Fällen das Gremium für verfassungsgemäß erklärt, im Grundsatz aber verworfen. Und damit tut es das, was es seit Jahren tut: Es stärkt die Rechte Deutschlands, des Nationalstaats, im europäischen Einigungsprozess und die Rechte des Parlaments im besonderen. Zumindest auf dem Papier.

Und da liegt das Problem. Denn die nationale demokratische Legitimation europäischer, auch Euro-Entscheidungen ist in den meisten Fällen nur noch eine Mogelpackung. Seit gestern ist diese, zugegeben, wieder ein bisschen kleiner geworden, aber nicht abgeschafft.

Europäische Entscheidungen, ob das Demokratietheoretikern gefällt oder nicht, fallen immer öfter im kleinsten Kreis. Darum gruppieren sich dann Kreise zusätzlicher Legitimation, die "kleineren" Euro- oder EU-Partner, die nationalen Kabinette, die nationalen Parlamente, die aber in aller Regel nur noch zustimmen können. Ablehnung in derartigen Fällen, so lautet die gängige Argumentation, hieße, der eigenen Regierung in den Rücken zu fallen, ihre parlamentarische Basis zu gefährden, kurz: Misstrauensvotum. Das aber wäre schweres Geschütz. Also sagt man ja, obwohl man lieber nein sagen möchte. Das war übrigens bei der jetzt von Karlsruhe verworfenen Entscheidung zumindest im Kreis der SPD-Parlamentarier so.

Dennoch hat Karlsruhe richtig entschieden - und wenn es nur Millimeter sind, mit denen dadurch die Balance wieder zugunsten der Legislative, zugunsten des Souveräns, verschoben wird. Kurz gesagt: Der Zweck heiligt eben nicht die Mittel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort