Treffen mit Putin Analyse: Schröders Party mit dem lupenreinen Demokraten

St. Petersburg/Berlin · Während deutsche Offiziere in der Gewalt prorussischer Separatisten sind, herzt "Gas-Gerd" Schröder in St. Petersburg seinen Freund Putin. Darf ein Altkanzler das?

Die Dunkelheit hat sich über die alte Zarenstadt gelegt, da fährt eine Kolonne schwarzer Limousinen vor dem Jussupow-Palais in St. Petersburg vor. Fotografen schießen Bilder, die später die Berliner Politik in Wallung bringen: Wladimir Putin steigt aus dem Auto. Der Altkanzler wartet schon. Gerhard Schröder fällt seinem Freund in die Arme, zeigt sein berühmtes Wolfslächeln.

Gemeinsam gehen sie in den Festsaal. Um die hundert handverlesene Gäste warten gespannt auf den Auftritt von "Zar" Putin. Der russische Präsident hält mit harter Hand im Ukraine-Konflikt seit Wochen die Welt in Atem. Der deutsche Botschafter ist da, Topmanager auch deutscher Energiekonzerne, der CDU-Außenpolitiker Philipp Mißfelder ebenso wie der SPD-Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering.

Bei feinster russischer Küche gibt es viel zu bereden. Gerade haben die USA und Europa die Sanktionsschraube noch einmal angezogen, Konten weiterer Putin-Gefolgsleute wurden eingefroren. Im Osten der Ukraine halten Separatisten ein Team westlicher Militärbeobachter fest, darunter drei Bundeswehr-Offiziere und ein deutscher Dolmetscher. Selbst besonnene Außenpolitiker sprechen - ein Vierteljahrhundert nach dem Mauerfall - wieder von Kriegsgefahr an Europas Grenzen.

Drinnen ergreift Putin das Wort. "Er hat eine kleine Geburtstagsrede gehalten, teilweise auf Deutsch", erzählt jemand, der an diesem denkwürdigen Montagabend dabei ist. Der Jubilar aus Hannover habe sich sehr gefreut. Schröder bekommt Geschenke, Putin bleibt eine knappe Stunde.

Etwa drei Stunden dauert die Veranstaltung, die von dem von Gazprom dominierten Ostsee-Pipeline-Betreiber Nord Stream bezahlt wird. Schröder steht als Chef des Aktionärsausschusses bei Nord Stream auf der Gehaltsliste - so verdiente er sich den Spitznamen "Gas-Gerd".

Bereits in der Nacht rücken die Umarmungsfotos in den Online-Medien nach oben. Am Dienstag bricht in Berlin der Sturm los. Die Parteien reagieren, in der SPD meist hinter vorgehaltener Hand, mit Befremden, teils Fremdschämen für den früheren Bundeskanzler. Linke-Chef Bernd Riexinger hält im "Handelsblatt" dagegen. Die Aufregung sei lächerlich - "die deutsche Außenpolitik krankt zunehmend an einem dummen Duckmäusertum gegenüber den Amerikanern".

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, der SPD-Politiker Christoph Strässer, meint hingegen in der "Welt": "Denjenigen, die in Russland für die Einhaltung der Menschenrechte kämpfen und gegen die aggressive Außenpolitik Putins, muss die demonstrative Umarmung zynisch vorkommen."

Der Koalitionspartner Union geht auf größtmögliche Distanz. Das Kanzleramt lanciert sehr schnell die Lesart, dass die Regierung auf Schröders enge Bande mit Putin oder gar eine Vermittlerrolle des Niedersachsen keinesfalls angewiesen sei - das mache die Kanzlerin schon selbst.

Merkel und Schröder gelten beide als Putin-Versteher, freilich mit unterschiedlicher Akzentsetzung. Merkel hält Distanz, aber auch unbeirrt Kontakt in den Kreml. Schröder wiederum hat aus seiner Bewunderung nie einen Hehl gemacht.

In dem Mitte Februar erschienenen Interview-Buch zu seinem 70. Geburtstag verteidigt er vehement die Charakterisierung Putins als eines "lupenreinen Demokraten": "Ich relativiere meine Haltung zu Putin nicht. Und ich nehme ihm ab, dass eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen seine Ziele sind."

In der Ukraine-Krise vergleicht Schröder dann den Bruch des Völkerrechts auf der Krim mit dem Eingreifen des Westens und Deutschlands im Kosovo-Krieg gegen Serbien. Mit dem erhobenen Zeigefinger solle man vorsichtig sein, "weil ich es selber gemacht habe".

Schröder steht nicht allein mit seiner Interpretation der russischen Annexion der Krim als Reaktion auf die riskanten Lockrufe des Westens Richtung Ukraine. Der einstige sozialdemokratische Vordenker Erhard Eppler schreibt im neuen "Spiegel", man müsse keine Dämonen beschwören, wenn man Russland und Putin verstehen wolle. "Einen russischen Präsidenten, der da einfach zugesehen hätte, den hätte die Mehrheit der russischen Wähler früher oder später zum Teufel gejagt", meint Eppler.

Die Umarmung von St. Petersburg ist für die Genossen alles andere als erfreulich. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel macht gerade Urlaub in Spanien, also muss Fraktionschef Thomas Oppermann ran, dessen Karriere einst unter Schröder in Niedersachsen ins Rollen kam. Er sei ganz sicher, dass Schröder Putin bei der Feier klargemacht habe, dass dieser für die Freilassung der OSZE-Geiseln sorgen müsse, verkündet Oppermann bei der Klausur der Spitzen der Koalitionsfraktionen in Königswinter.

Bei dieser Interpretation der Geburtstagssause horcht Unionskollege Volker Kauder auf; er hat das Umarmungsbild soeben als "nicht hilfreich" abgewatscht. Sollte sich Oppermanns "Erklärung" - eine andere des SPD-Mannes im Kinderporno-Fall Edathy hatte das Koalitionsklima arg vergiftet - bewahrheiten und es in den nächsten Tagen "gute Botschaften" geben, "dann hätte dieses Bild ja durchaus was Positives", knurrt Kauder süffisant. Seine Einschätzung teilt ein führender Sozialdemokrat, der anonym bleiben will: Wenn Putin jetzt die Freilassung der Ukraine-Geiseln veranlasse, dann wäre das "ein Superstück vom Gerd".

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