Waldbrandbekämpfung in Amerika Brände in Kalifornien treiben 20.000 Menschen in die Flucht

Washington/Santa Rosa · Bei den Waldbränden in Kalifornien bekämpft die Feuerwehr momentan 15 Großbrände. 20.000 Menschen wurden evakuiert. Zehn Menschen sind in den Flammen gestorben, 100 werden noch vermisst.

Von den Holzböden, die Patsy und Heinz Streckfuss in ihrem Haus in Coffey Park erst vor wenigen Wochen von Grund auf erneuert hatten, war am Dienstagmorgen nur noch Asche übrig. Das Rentnerpaar aus dem kalifornischen Santa Rosa gehört zu den Tausenden, denen die Waldbrände, die seit dem Wochenende in der für ihre Weine berühmten Gegend zwischen Sonoma und Napa wüten, alles genommen haben. Wie Ken Pimlott von der staatlichen Wald- und Feuerschutzbehörde berichtet, haben die Feuerwehren in diesen Tagen mit 15 verschiedenen Großfeuern zu tun.

2000 Häuser wurden bereits zerstört, 300 Quadratkilometer Land abgeflämmt. 20 000 Menschen mussten evakuiert werden, 100 wurden am Dienstag noch vermisst, mindestens zehn kamen in den Flammen um. Die Behörden haben den Notstand ausgerufen. Gouverneur Jerry Brown sehnt Regen herbei. Oder zumindest Windstille.

Letzterer könnte verhindern, was Feuerwehrchefs wie Tony Gossner „so noch nie gesehen haben“. Zwar seien westlich der Rocky Mountains nahezu in jedem Sommer Waldbrände an der Tagesordnung. Weil es hier zwischen Mai und Oktober so gut wie nie regnet, Gras und Gebüsch völlig austrocknen und schon beim kleinsten Funken idealen Zunder bieten.

Aber anders als sonst hätten diesmal heiße, sturmartige Winde mit Geschwindigkeiten bis zu 130 Kilometern pro Stunde die Brände so aggressiv entfacht, dass viele Häuser binnen Minuten wie entzündete Streichholzschachteln verbrannten. Von Eindämmung kein Spur. Binnen zwölf Stunden sei ein Gebiet von 80 Quadratkilometer von den Feuerwalzen vernichtet worden, so Gossner, „das ist wohl einmalig“.

Nur wenige Minuten für die Flucht

Anwohnern wie dem Ehepaar Streckfuss blieben nur Minuten, um die nötigsten Habseligkeiten zu suchen und die Flucht zu ergreifen. Als sie am Dienstag auf der Suche nach Katze „Rosie“ zurückkehrten, schossen den Senioren die Tränen in die Augen. Ihr Viertel gleicht einer Trümmerlandschaft im Krieg. Straßenzügeweise verkohlte Ruinen, Rauchsäulen. Totale Zerstörung.

„Ich weiß wirklich nicht, was jetzt werden soll“, sagt Heinz Streckfuss. Am schlimmsten betroffen ist Santa Rosa, die 170 000 Einwohner zählende, gut eineinhalb Autostunden nördlich von San Francisco gelegene Stadt, in der „Peanuts“-Erfinder Charles M. Schulz bis zu seinem Tod zeichnete und lebte. Das gleichnamige Museum, eine touristische Attraktion, blieb wie durch ein Wunder unbeschädigt, musste aber wegen Rauch und Stromausfall geräumt werden.

Wenige Kilometer entfernt schuf die von Zersiedelung und falscher Wohnungsbaupolitik in Naturnähe begünstigte Katastrophe gespenstische Bilder. Weil das Feuer rasend schnell näher kam, wurden 130 Patienten eines Krankenhauses samt Beatmungsgeräten und Infusionsschläuchen in ihren Betten in Sicherheit gebracht. Die Helfer trugen Atemschutzmasken gegen den Rauch.

Im Hintergrund sah man ein orangefarbenes Flammenmeer. Noch nicht vollständig erfasst sind die Schäden in einem zentralen Wirtschaftszweig, der eng mit dem Tourismus verbunden ist. Sonoma und Napa gehören mit ihren Merlots, Chardonnays und Cabernet Sauvignons zu den Hotspots der amerikanischen Weinindustrie. 650 Kellereien sind hier beheimatet. 13 Prozent alle kalifornischen Weine – ein Geschäft im Volumen von insgesamt 55 Milliarden Dollar pro Jahr – werden hier gekeltert.

In den „White Rock Vineyards“ hatte die Familie von Henri Vandendriessche seit 1870 Reben kultiviert. Das Weingut brannte aus. Ebenso die „Paradise Ridge Winery“ in Santa Rosa, die auch für ihren Skulpturengarten berühmt ist, die „Signorello Estates“ und das bekannte Hotel „Hilton Sonoma Wine Country“.

Auf die Ernte, so Karissa Kruse vom örtlichen Weinbauer-Verband in Sonoma, haben die Waldbrände zum Glück nur bedingt Einfluss. „90 Prozent der Trauben sind bereits gepflückt.“ Allerdings bereiten der Branche Stromausfälle Sorgen. Die Produktion kam an vielen Stellen vorübergehend zum Erliegen.

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