Waffengesetze in den USA Jugend protestiert nach dem Massaker in Florida

Washington · Nach dem Schulmassaker von Florida ist der Widerstand gegen die laxen Waffengesetze in den USA von der Jugend getragen. Das könnte diesmal zum Erfolg führen.

 NRA einmal anders: Die National Rifle Association wird von Schülern aus Florida bei einer Demonstration in „Keine Gewehre erlaubt“ umgewidmet.

NRA einmal anders: Die National Rifle Association wird von Schülern aus Florida bei einer Demonstration in „Keine Gewehre erlaubt“ umgewidmet.

Foto: dpa

Wenn Jimmy Fallon plötzlich doch politisch wird, muss etwas geschehen sein in Amerika. Der bekannte Late-Night-Moderator hielt monatelang auch dann noch eisern an seinen keimfreien Gute-Laune-Scherzen und Gesangseinlagen fest, als der Rest der Zunft schon Abend für Abend mit aufklärerischem Furor das Phänomen Donald Trump auseinandernahm. Das Schulmassaker am Valentinstag in Parkland/Florida hat Fallon zur Kehrtwende gezwungen. „Da ist eine Revolution im Gange“, sagte er dieser Tage mit ernster Miene vor Millionenpublikum in seiner Sendung. Und meinte den über Nacht gewachsenen Protest einer unerschrocken argumentierenden Schülergeneration, die sich 20 Jahre nach der Tragödie von Columbine/Colorado nicht mehr widerspruchslos mit den folgenlosen Ritualen einer zwischen Verfassung und Waffenlobby National Rifle Association (NRA) eingeklemmten Politikerkaste abfinden will.

Die Wortführer sprechen für Hunderttausende

Angeführt von der 18-jährigen Schülerin Emma Gonzalez, die in nicht einmal zwei Wochen auf Twitter rund 1,2 Millionen Anhänger hinter sich brachte, fordert die „Generation Parkland“ kompromisslos schärfere Waffengesetze. Und droht offen damit, jeden Politiker aus dem Amt zu drängen, der sich weiter von der NRA wie an der Leine durch die Arena ziehen lässt.

Die Wortführer sprechen tatsächlich für Hunderttausende Heranwachsende, die Schule seit Jahren aufgrund gehäufter Gewalttaten als latenten Unsicherheitsort erleben. Da sie allesamt eloquent auftreten, liegt eine Aufbruchstimmung in der Luft. Wächst da, begünstigt durch die sozialen Netzwerke, eine neue Protestbewegung heran, die wie in den tumultösen 1960er Jahren die Verhältnisse zum Tanzen bringen kann?

Wenn Oprah Winfrey die Frage bejaht, hört Amerika genau zu. Die schwarze Multimilliardärin hätte laut Umfragen das Format, um 2020 Donald Trump zu beerben. Falls „Gott sie ruft“, sagte sie jetzt, würde sie vielleicht eine Kandidatur wagen.

Was Winfrey seit Parkland spürt, erinnert sie an die Bürgerrechtsbewegung zu Zeiten des Vietnamkriegs. „Junge Leute sagen heute wieder: Wir tolerieren nicht mehr, was unsere Eltern und Großeltern hingenommen haben. Wir haben es satt. Wir werden für Veränderungen kämpfen. Und wir sind bereit, dafür zu sterben.“

Mag der letzte Punkt auch etwas pathetisch klingen: Dass der gesellschaftliche Unmut nach der Tragödie an der Marjory Stoneman Douglas High School anders beschaffen ist als nach vorherigen Katastrophen (Newtown, Charleston, Orlando etc.), leugnet kaum jemand. Landesweit haben sich Schülerbündnisse gebildet, die eine Überzeugung eint: Die Leute, die wir in die Regierung gewählt haben, belügen uns.

Auch darum bleibt der Medienscheinwerfer unverändert auf das Waffenthema justiert. Präsident Trump und der Kongress suchen krampfhaft nach vorzeigbaren Verschärfungen, die dem Protest das Momentum nehmen könnten. Bisher vergeblich. In einer wie eine Fernsehshow inszenierten Gesprächsrunde stichelte Trump am Mittwoch gegen Abgeordnete, die offenbar „Angst vor der NRA“ hätten. Sie wollten Sturmgewehre vom Typ AR-15 nicht verbieten, wie sie der Parkland-Todesschütze Nikolas Cruz benutzt hat. Dagegen setzt einmal mehr die Wirtschaft Fakten. Der Supermarktriese Walmart setzte die Altersgrenze für den Waffenkauf von 18 auf 21 Jahre herauf. Die Kette Dick’s Sporting Goods hatte schon zuvor das Mindestalter beim Kauf von Schnellfeuergewehren auf 21 Jahre aufgestockt.

Der „Generation Parkland“ reicht das nicht. Am 14. März (befristete Schulstreiks landesweit) und am 24. März (Großdemonstration mit erwarteten 500 000 Menschen in Washington) wollen die Schüler auf generelle Verkaufsverbote bestimmter Waffen drängen und den Einfluss der NRA beschneiden. Weil sie dabei von einer beachtlichen Grundsympathie in der Bevölkerung und in den meisten Medien getragen werden (über 80 Prozent der Amerikaner wollen laut jüngsten Umfragen engmaschigere Waffengesetze), geben Wissenschaftler der noch jungen Bewegung auf Dauer große Chancen. Nach Ansicht von Politikwissenschaftlern der George- Mason-Universität in Washington spielt dabei die „Entschlossenheit von jungen Menschen, die persönlich betroffen und die ewige Hängepartie der Politik leid sind“, die Hauptrolle.

Vier Millionen junge Amerikaner werden wahlberechtigt

Wer dann noch berücksichtige, dass vor den Zwischenwahlen zum Kongress im kommenden November rund vier Millionen Amerikaner 18 Jahre alt und damit wahlberechtigt werden, verstehe, warum sich pro Waffenlobby eingestellte Kongressabgeordnete und Senatoren in umkämpften Wahlbezirken latent Sorgen machten. „Da wächst eine Generation heran, die mit dem Waffendrama groß geworden ist und jetzt sagt: Nicht noch mal. Ende!“

Für die NRA mit ihren prall gefüllten Kassen und fast sechs Millionen Mitgliedern stellt der Gegner eine neue Herausforderung dar. Sie kann den Überlebenden von Parkland nicht mit der üblichen Herablassung kommen. Das sonst gern hervorgekramte Argument „Nur ein guter Mensch mit einer Waffe kann einen bösen Menschen mit einer Waffe stoppen“ zieht in der Schülergeneration nicht. Ebenso wenig der bereits von Pädagogen und Polizeiexperten als töricht verworfene Vorstoß von Präsident Trump, ausgesuchte Lehrer zu bewaffnen.

Ein wichtiger Grund: Für die jüngere Generation, das zeigen alle Statistiken, gehört der Kauf einer Pistole oder eines Gewehres nicht mehr zum standardmäßigen Lebensstil. Die „Gun-Kultur“ ist schleichend auf dem Rückzug. Wer das offenbar verstanden hat, ist Melania Trump. „Ich fühle mich ermutigt“, sagte die First Lady in dieser Woche, „überall im Land Kinder zu sehen, die ihre Stimme erheben und Wandel herbeiführen wollen.“

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